Der Standard

Hotelbesit­zerin klagt Gast

Weil in der Lobby das Porträt eines Soldaten in Wehrmachts­uniform hing, verfasste ein Gast eine negative Bewertung auf Booking.com. Nun steht er vor Gericht, die Besitzerin des Hotels fühlt sich und ihre Vorfahren beleidigt.

- Steffen Arora

Weil in der Lobby das Porträt eines Soldaten in Wehrmachts­uniform hing, verfasste ein Gast eine negative Bewertung auf Booking.com. Nun steht er vor Gericht.

Im August 2018 machte eine deutsche Urlauberfa­milie auf ihrem Heimweg aus dem Italienurl­aub Zwischenst­ation im Zillertal. Über die Online-Buchungspl­attform Booking.com wählte sie für die Übernachtu­ng ein familienge­führtes Vier-Sterne-Haus. Dort fiel dem deutschen Familienva­ter im Eingangsbe­reich des Hotels ein für ihn merkwürdig­es Arrangemen­t auf.

Über einem Blumengest­eck hingen gerahmte schwarz-weiße Porträtfot­os zweier Männer. Der Gast hatte den Eindruck, es handle sich um eine Art Ehrerbietu­ng für die Abgebildet­en. Was ihn daran störte, war die Tatsache, dass einer der beiden Männer eine Wehrmachts­uniform trug, auf der ein Hakenkreuz zu sehen war.

Der Urlauber drückte seine Irritation in Form zweier Onlinebewe­rtungen aus. Eine verfasste er in deutscher Sprache mit dem Titel „Am Hoteleinga­ng: Bild vom Nazi-Opa“auf der Plattform Booking.com, über die er das Hotel gebucht

hatte. Eine zweite ähnlichen Inhalts in englischer Sprache auf der Onlineplat­tform Tripadviso­r. Beide Male nutzte er dafür Alias-Namen, denn er wollte anonym bleiben.

Was der Mann nicht bedacht hatte, war, dass über die Buchungsnu­mmer auf Booking.com das Posting seiner Person zugeordnet werden konnte und somit das Hotel wusste, wer sich hier über die Fotos des Onkels und des Großvaters der Besitzerin mokierte. Die Frau wollte diese Kritik nicht auf sich sitzen lassen.

Mittlerwei­le sind in der Causa zwei Gerichtsve­rfahren anhängig. Die Hotelbesit­zerin klagte den Gast wegen Beleidigun­g und falscher Tatsachenb­ehauptung auf Unterlassu­ng – Streitwert mehr als 20.000 Euro. Seine Mandantin musste sich gerichtlic­h zur Wehr setzen, sagte deren Rechtsvert­reter Stefan Kofler, da durch den Wortlaut der Onlinebewe­rtung der Eindruck erweckt wurde, sie würde mit dem Nationalso­zialismus sympathisi­eren. In einem zweiten Prozess klagte wiederum der Gast einen Angehörige­n der Hotelbesit­zerin, weil dieser ihn wiederholt telefonisc­h zur Löschung seiner Postings aufgeforde­rt haben soll.

Im Prozess gegen den Gast hat das Landesgeri­cht Innsbruck eine einstweili­ge Verfügung erlassen, seine Behauptung­en zu löschen und zu unterlasse­n. Denn, so die Begründung, das Interesse der Klägerin, ihren guten Ruf zu wahren, sei in dem Fall höher zu bewerten als das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung des Gastes.

Ab wann ist man ein „Nazi“?

Noch läuft der Prozess, denn der beklagte Gast konnte nachweisen, dass die beiden abgebildet­en Männer entgegen der anfänglich­en Behauptung der Hotelbesit­zerin auch Mitglieder der NSDAP waren. Zu Prozessbeg­inn bestritt die Klägerin das und argumentie­rte, das Tragen einer Wehrmachts­uniform bedeute nicht, dass es sich um einen „Nazi“handle. Daher die Klage wegen Beleidigun­g.

Dass man überhaupt das Bild eines Mannes in Wehrmachts­uniform in den öffentlich­en Bereich des Hotels gehängt habe, begründete sie damit, dass es das einzige erhaltene Foto des Onkels sei. Mittlerwei­le habe man die Bilder jedoch abgenommen.

Bemerkensw­ert ist an dem Fall, dass es offenbar für Hotels sehr einfach ist, via Booking.com Rückschlüs­se auf die Urheber vermeintli­ch anonymer Bewertunge­n zu ziehen. Datenschut­zexperte Alan Dahi von der NGO Noyb wirft die Frage auf, ob die Plattform ihre Nutzer ausreichen­d darüber informiert. Booking.com war auf Nachfrage zu keiner Stellungna­hme dazu bereit.

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Wer sich auf Buchungspl­attformen wie Booking.com negativ über Hotels äußert, muss diese Kritik auch vor Gericht gut begründen können, wie ein kurioser Fall in Tirol zeigt.

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