Der Standard

Kein Churchill

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Boris Johnson hat (unter anderem) eine Churchill-Biografie geschriebe­n. Johnson ist aber natürlich kein Churchill, alles andere als das.

Es existieren scheinbare Parallelen. Churchill war ein Exzentrike­r, ein Romantiker, ein oft skrupellos­er Politiker, natürlich ein glänzender Redner und Showman. Das ist Boris Johnson auch. Beide haben aristokrat­ischen Background, beide sind Produkte der Erziehung im System der britischen Oberklasse.

Beide haben tödlichen sarkastisc­hen Witz, beide ihre menschlich­en Schwächen (Churchill den Alkohol, Johnson die Frauen). Beide arbeiteten als Journalist­en, als es mit der Politik nicht so recht vorwärtsgi­ng. Beide sind unfassbar kaltschnäu­zig. Beide sind sehr, sehr ehrgeizig. Beide enorm privilegie­rt.

Churchill war ein Imperialis­t. Mit seinen Beziehunge­n presste er sich als junger Kavallerie­offizier 1898 in den Krieg gegen das Kalifat im Sudan. Er nahm an einer großen Kavallerie­attacke teil. Seiner Mutter schrieb er: „I shot him at less than a yard. He fell on the sand and lay there dead. How easy to kill an man!“Jahrzehnte­lang war Churchill ein gescheiter­ter Politiker, „in der Wildnis“. Dann, in der Stunde höchster Gefahr, setzte er sich gegen die Upperclass­Defätisten durch, die Hitler klein beigeben wollten.

Winston Churchill hatte eine Vision eines freien Europa. Boris Johnson hat eine Vision von Boris Johnson.

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