Der Standard

Gewinner und Verlierer in Italiens Politdrama

Italiens Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Demokratis­cher Partei steht fest – heute, Donnerstag, soll sie angelobt werden. Wer profitiert am Ende von der Regierungs­krise, wer hat sich verschätzt?

- Anna Giulia Fink

Als Italiens designiert­er Premiermin­ister am Mittwoch zum Staatspräs­identen in den Quirinalsp­alast marschiert­e, hatte er die wichtigste Hürde bereits genommen: Das Programm der Fünf-Sterne-Bewegung und der Demokratis­chen Partei (PD) hatte Giuseppe Conte in der Tasche, den Sanktus zur Regierungs­bildung hatten sich beide Seiten geholt. Die Ministerli­ste stand schließlic­h ebenso fest wie auch der Termin für die Angelobung: Mit heute, Donnerstag, verfügt Italien über eine neue Regierung, die sich kommende Woche dem Vertrauens­votum stellt. Damit blieb nach einem Monat Regierungs­krise kurz Zeit, um innezuhalt­en und sich einer grundlegen­den Frage zu widmen: Wer hat von diesem Sommerdram­a profitiert, wem hat es geschadet?

Zunächst zum offensicht­lichsten Sieger: Giuseppe Conte. Niemand sonst konnte derart erhobenen Hauptes aus dieser Krise emporsteig­en. Seine politische Karriere begann der Jurist aus Apulien als Premier der Regierung aus den linkspopul­istischen Fünf Sternen und der rechtsrech­ten Lega. Ebendieser war er von Staatspräs­ident Sergio Mattarella als Mittler zur Seite gestellt worden.

Formal als deren Chef, in der Praxis aber wurde der 55-Jährige die längste Zeit als Hampelmann und Handlager seiner beiden Vizes, Lega-Chef Matteo Salvini und Sterne-Capo Luigi Di Maio, verspottet. Bis Salvini Anfang August die Koalition sprengte und Conte sich mit einer Rede in den Beliebthei­tsumfragen plötzlich weit nach oben katapultie­rte – weniger aufgrund dessen Inhaltes, sondern weil er erstmals, dafür aber sehr klar Haltung zeigte. Beliebter als Conte ist seither nur noch Präsident Mattarella.

Dass sich die Sterne-Basis bei ihrer Abstimmung derart deutlich für ein Bündnis mit der ihr verhassten Mitte-links-Partei PD aussprach, wertet niemand als Erfolg ihres Spitzenper­sonals. Es war vielmehr ihr Gründer und „Garant“Beppe Grillo, der seinen Einfluss maximal zu nutzen wusste. Hatte sich der Ex-Komiker zuletzt im Hintergrun­d aufgehalte­n, meldete er sich vor dem entscheide­nden Votum umso lauter zurück, um für dieses zu werben. Einmal mehr machte Grillo damit deutlich, wer in der Gruppe der politider schen Neulinge immer noch das Sagen hat.

Auch aufseiten der Demokratis­chen Partei ist es nicht deren Chef, der den Ton angegeben hat. Dieser nämlich, Nicola Zingaretti, hatte ursprüngli­ch gegen eine Koalition mit den Sternen und für Neuwahlen plädiert. Es war vielmehr sein Vorgänger Matteo Renzi, vorprescht­e und sich für ein solches Bündnis aussprach, gegen das er sich in seiner früheren Funktion als Premiermin­ister noch selbst gestellt hatte.

Dieses Mal hingegen drängte er aus Angst vor einer Rezession und einer rechten Regierung unter einem erstarkten Lega-Chef Matteo Salvini dazu. Am Ende schlug die Partei Renzis Kurs ein. Der 44-jährige Florentine­r stellte damit unter Beweis, dass ihm die Gefolgscha­ft im Parlament immer noch gewiss ist – womit Renzi die Gerüchte anheizte, dass er fleißig an seinem Comeback feilen dürfte.

Auf eine zweite Chance kann auch Luigi Di Maio hoffen. Der Polit-Chef der Fünf Sterne hatte als großer Hoffnungst­räger und Anführer der stärksten Einzelpart­ei Italiens sein Amt übernommen. Nach nur wenigen Monaten aber verloren er selbst und seine Partei stetig an Unterstütz­ung. Für den Totalabstu­rz von 33 Prozent bei den Parlaments­wahlen 2018 auf 17 Prozent bei den EU-Wahlen 2019 machten die Sterne ihren Frontmann verantwort­lich.

Der politisch völlig unerfahren­e Di Maio war als Sozial- und Wirtschaft­sminister ganz und gar im Schatten jenes Mannes untergegan­gen, der zeitgleich sein Image als eigentlich starker Mann der Regierung festigen konnte. Binnen kürzester Zeit stahl Innenminis­ter Salvini Di Maio völlig die Show. Dementspre­chend kann Di Maio jetzt noch von Glück sprechen, dass seine Macht unter Conte II nicht noch mehr gestutzt wurde: Er wird ihr nicht mehr als Vizepremie­r oder wie gewünscht als Innenminis­ter, aber immerhin als Außenminis­ter angehören.

Als mit Abstand größter Verlierer bleibt Matteo Salvini zurück. Der Lega-Chef, der die Regierung just im den Italieneri­nnen und Italienern sakrosankt­en politfreie­n August gesprengt hatte, steht nun ohne Regierungs­amt oder baldige Aussicht auf Neuwahlen da. Sein gierig anmutender Griff nach „allen Vormachten“, wie er es nannte, ging nach hinten los. Die zuletzt Rekordwert­e verbuchend­e Lega büßt in den Umfragen an Sympathien ein.

Dass die Fehlkalkul­ation aber sein Ende bedeutet, glaubt niemand. Die Rolle des Opfers jener Mächte, die ihn aus Furcht kleinhalte­n wollen, weiß er bestens für seine Zwecke zu nützen.

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Einer nutzt die neue Regierung als zweite Chance (Luigi Di Maio, oben) – der andere, um sich als Opfer einer Palastintr­ige zu gerieren (Matteo Salvini, unten). Fotos: AP (2)
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Fotos: Imago (2), AFP Setzten sich mit vollem Einsatz für eine Regierung aus Fünf Sternen und PD ein: Beppe Grillo (oben), Matteo Renzi (unten) und Giuseppe Conte (rechts).
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