Polizeibesuch im Winterpalais
Ermittler beschlagnahmten Kalender und E-Mails des früheren Staatssekretärs Hubert Fuchs im Finanzministerium. Der Verdacht: Hohe FPÖ-Funktionäre sollen der Novomatic im Gegenzug für die Bestellung eines blauen Managers bei der Casinos Austria AG Glücksspiellizenzen in Aussicht gestellt haben.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass Ermittler in einem Ministerium vorstellig werden. So geschehen Mittwochmorgen, als Beamte des Bundeskriminalamtes dem Winterpalais des Prinzen Eugen von Savoyen in der Wiener Innenstadt einen Besuch abstatteten. Das Gebäude fungiert als Sitz des Finanzministeriums. Ebendort führten die Ermittler im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eine sogenannte freiwillige Nachschau durch. Sie interessierten sich für Dokumente des früheren Finanzstaatssekretärs Hubert Fuchs, der bis zur Auflösung der Koalition für die FPÖ der Regierung angehörte und im Rahmen der geplanten Steuerreform einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde.
Der Steuerberater war freilich auch für das Glücksspiel zuständig, in dem sich im Frühjahr allerhand abgespielt haben soll. Es ging um die Bestellung des früheren freiheitlichen Wiener Bezirksrats Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria. Die Besetzung soll auf ausdrücklichen Wunsch der FPÖ erfolgt sein. Mit dem Koalitionspartner hatten sich die Blauen – so der Verdacht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – arrangiert, allerdings reicht der Minderheitsanteil des Staates an der Casinos Austria nicht für den Postenschacher. Weshalb die FPÖ sich an Mitaktionär Novomatic gewandt haben soll. Dem Casag-Konkurrenten sollen Glücksspiellizenzen zugesichert worden sein. Gemeinsam setzten Republik und Novomatic Sidlo durch. Und das, obwohl der beauftragte Personalberater davon abriet. Sidlo fehle die Eignung für den Job, lautete dessen Befund.
Anzeige löste Erdbeben aus
Das Ganze kam im Mai heraus und ist Inhalt einer anonymen Anzeige an die WKStA. Die Staatsanwaltschaft hält die darin geäußerten Verdachtsmomente für plausibel und stützte schon ihre Razzien bei Heinz-Christian Strache, Sidlo, bei der Novomatic und anderen Verdächtigen darauf. Im Beschluss für die Hausdurchsuchung heißt es: „MMag. DDr. Huber Fuchs war im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 22. Mai 2019 als FPÖ-Staatssekretär im Finanzministerium unter anderem für die Ausgestaltung des Glücksspielgesetzes zuständig und akkordierte mit Johann Graf (Eigentümer der Novomatic) bei einem Treffen in London vor der Bestellung des Mag. Peter Sidlo diesen ,Deal: Sidlo gegen Glücksspiellizenzen‘. Die Bestellung des Mag. Peter Sidlo zum Vorstandsmitglied der Casag war entscheidender Bestandteil des ,FPÖ-Novomatic-Deals‘ mit dem Ziel einer Lizenzvergabe.“
Fuchs selbst hat die Vorwürfe – ebenso wie alle anderen Beschuldigten – bisher vehement zurückgewiesen. Am Mittwoch war er nicht erreichbar. Für alle Genannten gilt selbstredend die Unschuldsvermutung.
Die ohnehin hochspannende Causa gewinnt mit dem jüngsten Ermittlungsschritt zusätzliche Brisanz. Strache und andere FPÖ-Politiker stellen das Verfahren als Akt politischer Willkür dar und sehen einen Konnex zum Wahlkampf. Mit der Beschlagnahmung des Handys des früheren Vizekanzlers sollten vertrauliche Informationen gesammelt werden, die wohl früher oder später über die Medien verbreitet würden, so die gängige These der FPÖ. Sie stützt ihre Angriffe auf die Justiz auch auf den Umstand, dass das Verfahren auf einer anonymen Anzeige basiert. So könne man jeden mit Dreck bewerfen und fertigmachen, hatte Strache sinngemäß formuliert.
Neben den schweren Korruptionsvorwürfen sorgen auch interne Streitigkeiten unter den Ermittlern für Turbulenzen. Die WKStA selbst war Informationen nachgegangen, wonach führende Leute im Bundeskriminalamt der ÖVP nahestehen sollen. Das war ein gefundenes Fressen für die FPÖ, die ihre Vorwürfe politischer Einflussnahme dadurch untermauert sah. Auch Peter Pilz schlachtete die türkisen Beziehungen weidlich aus. Letztlich haben die Oberstaatsanwaltschaft und die zuständigen Regierungsmitglieder eine Befangenheit von Ermittlern in Abrede gestellt. Das Verfahren läuft somit weiter – und offenbar auf Hochtouren.
Dabei sind vor allem die Umstände der Sidlo-Bestellung von Interesse. Nicht nur die vom Headhunter festgestellte mangelnde Qualifikation des FPÖ-Manns sorgte für Schlagzeilen, sondern auch die Begleitumstände der Bestellung. So wurde die Expertise des Personalberaters Egon Zehnder dem gesamten Aufsichtsrat vorenthalten. Das Kontrollgremium selbst stimmte dafür, die Evaluierung nicht zu Gesicht zu bekommen. Aufsichtsratspräsident Walter Rothensteiner besorgte sich eigens zwei Rechtsgutachten, um die Vorgangsweise abzusichern. Das hat Rothensteiner seinerseits eine anonyme Anzeige eingebracht, in der sein Verhalten als strafrechtlich relevant quittiert wird. Auch für Rothensteiner gilt die Unschuldsvermutung.
Die Beschuldigten haben überdies Einsprüche gegen die Verwertung der beschlagnahmten Unterlagen und Geräte eingelegt. Darüber muss nun das Oberlandesgericht Wien befinden. Dann wird man auch sehen, wie dicht die Beweislage und damit die Grundlage für die Razzien und zuletzt die freiwillige Nachschau aus Sicht des Gerichts ist. (as)