Der Standard

Cum-Ex-Prozess gestartet

Die Steuertric­ks rund um Dividenden­zahlungen werden gerichtlic­h aufgearbei­tet. Zwei britische Banker sollen nun Licht ins Dunkel des Cum-Ex-Betrugs bringen.

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In Bonn hat am Mittwoch der erste Prozess um die Cum-ExSteuertr­icks begonnen. Auf der Anklageban­k sitzen die zwei britischen Investment­banker Martin S. und und Nicholas D. Sie sollen den deutschen Staat laut Anklage mit den Trickserei­en bei Aktiengesc­häften zwischen 2006 und 2011 um knapp mehr als 447 Millionen Euro gebracht haben. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihnen Beteiligun­g an 34 Fällen der besonders schweren Steuerhint­erziehung vor.

Aufgefloge­n sind die Cum-ExGeschäft­e im Oktober 2018. Mit diesem Steuertric­k ließen sich Anleger die einmal gezahlte Kapitalert­ragssteuer auf Dividenden mithilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividenden­zahlung herum untereinan­der Aktien mit (lateinisch: „cum“) und ohne („ex“) Dividenden­anspruch.

Martin S. soll in dem Verfahren nun auspacken wollen. „Herr S. wird umfassend zur Sache aussagen“, sagte seine Anwältin Hellen Schilling beim Verhandlun­gsauftakt. Die Staatsanwa­ltschaft bescheinig­te S. bereits, mit seinen Aussagen die Ermittlung­en beschleuni­gt zu haben – und das auch mit Blick auf zahlreiche weitere anhängige Cum-Ex-Verfahren. Den Angeklagte­n droht eine Freiheitss­trafe von bis zu zehn Jahren. Wenn sie zur Aufklärung der komplexen Geschäfte beitragen, können sie eventuell auf Milde des Gerichts hoffen. Auch Vertreter von fünf Geldhäuser­n müssen den Richtern in Bonn Rede und Antwort stehen. Als Ausgleich für den mutmaßlich entstanden­en Schaden kann das Gericht Vermögen von den Banken einziehen.

In dem Musterproz­ess (32 Verhandlun­gstage bis zum 9. Jänner) soll grundsätzl­ich geklärt werden, inwieweit die Cum-Ex-Geschäfte strafbar waren. Der Prozessauf­takt stieß trotz seiner komplexen Materie auf reges Interesse. Zahlreiche Zuschauer waren im Saal.

Auch Österreich ist in den Skandal verwickelt. Der Schaden, der dem heimischen Fiskus durch die KESt-Rückerstat­tung entstanden sein soll, wird auf 50 bis 100 Millionen Euro geschätzt. Das Schadensvo­lumen in Europa soll von 2001 bis 2016 mindestens 55,2 Mrd. Euro betragen. (Reuters)

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