Der Standard

Kein Maulkorb für Sportler

- Fabian Sommavilla

Schon in seiner aktiven Zeit hat die Politik den Ausnahmeat­hleten Marcel Hirscher nach jedem Erfolg vereinnahm­t. Nun fühlen sich Spitzenpol­itiker wieder bemüßigt zu erklären, wie stolz er die Nation Österreich in den vergangene­n Jahren doch gemacht hat. Es gehört nicht nur zum guten Ton, sondern beinahe zu ihrer Pflicht, erfolgreic­hen heimischen Sportlerin­nen und Sportlern wie Dominic Thiem, Anna Veith oder eben Hirscher bei Erfolgen öffentlich zu huldigen.

Ein weiteres ungeschrie­benes österreich­isches Gesetz scheint zu lauten, dass Sportler während ihrer aktiven Karriere beim Thema Politik gefälligst die Goschn zu halten haben, egal wie viel Ansehen sie genießen und wie sehr sie das Bedürfnis verspüren, sich zu äußern. Auch von Hirscher sind kaum politische Statements bekannt. Als er sich 2015 aus humanitäre­n Gründen für die Aufnahme von Geflüchtet­en ausgesproc­hen hatte, bekam er in sozialen Medien viel Zuspruch, aber ebenso viel Kritik. Ob sich eventuell gar Sponsoren kritisch zu Wort gemeldet haben, weiß man nicht. ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del sagte einst jedenfalls: „Wir raten davon ab, politisch Position zu beziehen.“Aber muss das so sein?

Klar, Sponsoren und Verbände wollen, dass ihre Schützling­e möglichst nicht anecken. Auch wollen sich Sporttreib­ende auf ihre Arbeit konzentrie­ren und unnötige Ablenkunge­n vermeiden. Womöglich sind viele nationale Sportikone­n aber auch nur so flächendec­kend beliebt, weil sie während ihrer aktiven Zeit zu für die Gesellscha­ft kritischen Themen schwiegen. Viele verloren wegen Aussagen K nach der Karriere an Sympathien. ann man ihnen ihr Schweigen vorwerfen? Schwierig zu sagen. Der Sport ist ihr Beruf. Ohne Sponsoring packen es die wenigsten. Ausgesorgt hat nach der Karriere ohnehin nur eine Handvoll. Viele wollen sich vermutlich auch gar nicht zu solchen Themen äußern. Ist es trotzdem schade? Ja, weil jeder immer seine Meinung öffentlich kundtun können soll, sofern sie oder er das will.

Noch schlimmer ist aber, wenn die Politik Sportidole für sich reklamiert und damit überschwän­glichen Patriotism­us – manchmal auch Nationalis­mus – anfeuert, während diese das still hinnehmen müssen. Ist Hirscher gerne für Österreich gefahren? Ziemlich sicher. Wäre er auch unter europäisch­er oder keiner Flagge angetreten? Wahrschein­lich. Ist es geil, mit anzusehen, wenn 70.000 Zuschauer beim Nightrace in Schladming einen Hirscher-Erfolg bejubeln? Sowieso. Aber wäre es schlimm, wenn statt RotWeiß-Rot mehr Gelb-Rot-Grün oder Blau-Weiß-Rosa geschwenkt wird? Nein, nur farbig-fröhlicher. Österreich hat zu den Erfolgen aber wenig beigetrage­n, und Hirscher schuldet außer seinem Betreuerte­am niemandem etwas.

Nur Hirscher weiß, ob er sich künftig öfter öffentlich zu Wort melden will, um etwa, wie 2015, soziale Kälte anzuprange­rn. Ohnehin sollte das aber kein Problem darstellen – auch nicht für aktive Sportlerin­nen und Sportler.

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