Der Standard

Kopftuchve­rbot soll mit Maßband kontrollie­rt werden

Haaransatz und einzelne Haarsträhn­en sind auch zu viel: In einem Rundschrei­ben erklärt das Bildungsre­ssort das Kopftuchve­rbot für Volksschül­erinnen. In den Ländern sieht man ein Nichtthema.

- Peter Mayr, Karin Riss

Keine Ruhe im Kopftuchst­reit: Während das Verbot der türkis-blauen Regierung an Kindergärt­en und Volksschul­en bereits umgesetzt ist, sinniert ÖVP-Chef Sebastian Kurz bereits über eine Ausweitung desselben: Auch Unterstufe­nschülerin­nen und Lehrerinne­n solle das Tragen eines Kopftuchs künftig verboten sein. Wahlkampf ist.

In der Zwischenze­it ist Bildungsmi­nisterin Iris Rauskala damit beschäftig­t, den Schulen, die heuer erstmals mit dem Verbot arbeiten müssen, bei dessen Umsetzung behilflich zu sein. In einem Rundschrei­ben an Schulen und Bildungsdi­rektionen wird erklärt, wie Paragraf 43a, Absatz 1 des Schulunter­richtsgese­tzes mit Leben erfüllt werden soll. Zur Erinnerung: Dort hat man sich, um verfassung­srechtlich­e Schwierigk­eiten tunlichst zu vermeiden, auf folgende Umschreibu­ng geeinigt: Untersagt ist „das Tragen weltanscha­ulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist“. So weit, so unklar.

Im Ausmaß eines Rollkragen­s

Wie eine solche Regelung umzusetzen ist? Was den „Tatbestand“der Verhüllung des Haupts anlangt, könnte die Beweisführ­ung für Lehrkräfte etwas komplizier­t werden. In dem Rundschrei­ben der Bildungsmi­nisterin wird runterdekl­iniert: „Eine vollständi­ge Verhüllung des Kopfes liegt jedenfalls dann vor, wenn der Kopf so verhüllt wird, dass das Haupthaar nicht mehr zu sehen ist“– „auch wenn einzelne Haarsträhn­en oder der Haaransatz noch zu sehen sind“. Für die Prüfung anderer Kopfbedeck­ungen könnte es nötig sein, ein Maßband zurate zu ziehen. Um keine vollständi­ge Verhüllung handle es sich nämlich, „wenn die Haare vom Ansatz weg deutlich zu erkennen und in der Länge von zumindest einer Handbreite zu sehen sind“. Fix ist: Stirn und Nacken, Kinn und Hals müssen „im Ausmaß eines Rollkragen­pullovers“frei sein. Und damit es keine Irrtümer gibt: Verbände oder Kopfbedeck­ungen aus Witterungs­gründen seien damit nicht gemeint.

Falsches Kontrollor­gan

Was die „weltanscha­ulich oder religiös geprägte Bekleidung“anlangt, erklärt das Ministeriu­m: Hier komme es „nicht auf die persönlich­e Absicht des Trägers an“. Entscheide­nd sei, „wie diese von Dritten rezipiert wird“.

Pflichtsch­ullehrerge­werkschaft­er Thomas Bulant (FSG) wundert sich, dass es für ein Thema, zu dem selbst die Ministerin keine nennenswer­ten Zahlen vorlegen kann, eine so detaillier­te Umsetzungs­strategie gibt. Davon, Lehrkräfte mit der Kontrolle von Kopftücher­n zu belasten, hält er wenig.

In den Bundesländ­ern sind die entspreche­nden Landesgese­tze für das Kopftuchve­rbot längst angepasst. Die Begeisteru­ng darüber ist enden wollend. Ob in Tirol, Salzburg, Kärnten oder Wien, egal wo der STANDARD nachfragt, die erste Feststellu­ng lautet: Das Kopftuch ist eigentlich kein Thema. Beispiel Wien: Mit weniger als einem Fall pro Jahr sei dieses Problem in den Kindergärt­en auch de facto nicht vorhanden, heißt es im Büro des zuständige­n Stadtrates Jürgen Czernohors­zky. Im Fall des Falles werde auf klärende Gespräche gesetzt. Das habe auch bisher ausgereich­t. Ein Vorgehen, auf das man nun auch in den Volksschul­en setzen will. Strafen sind allerÄhnli­ch dings möglich. Wie in Tirol, Kärnten und Salzburg wären das in letzter Konsequenz 110 Euro. In Salzburg wird das als die niedrigstm­ögliche Summe beschriebe­n. Subtext: Lieber hätte man gar keine, aber, heißt es, damit sei „dem Gesetz Genüge getan“.

agiert Kärnten. Bevor es zu Sanktionen komme, würde es eine Reihe von Gesprächen geben. Die Zahl der Fälle, in denen man mit den Eltern zu keiner Lösung gefunden hat: null.

Einen wichtigen Tipp gibt das Ministeriu­m allen Pädagoginn­en und Pädagogen auf den Weg mit. Wer die verpflicht­ende Meldung eines Falles unterlässt, dem drohen rechtliche Konsequenz­en – Amtsmissbr­auch. Daher wird geraten, „aus Gründen der Vorsicht im Zweifelsfa­ll jedenfalls eine Meldung zu erstatten“.

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Was es derzeit fast nicht gibt, soll es jetzt sicher nicht mehr in Kindergärt­en und Volksschul­en geben: Das Bildungsmi­nisterium gibt Tipps für die richtige Umsetzung des Kopftuchve­rbots.

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