Luciana Lamorgese beerbt Salvini
Die 17 Kandidaten für den SPD-Vorsitz präsentieren sich erstmals der Basis. Zwei scheiden gleich aus. Und man sieht: Finanzminister Scholz muss kämpfen, hält sich aber selbst für einen „truly“Sozialdemokraten.
Leicht hat es Thorsten Schäfer-Gümbel in den vergangenen Monaten nicht gehabt. Zuerst verlor seine SPD in Hessen massiv, dann musste er als kommissarischer SPD-Chef einspringen, weil Andrea Nahles hinschmiss. „Trümmermann“wird er gelegentlich genannt, doch nun steht er auf einer Bühne des Saarbrücker Kongresszentrums und schaut richtig glücklich aus. „Die Hütte ist voll!“, ruft er.
Das kann man wohl sagen. Mit 300 Anmeldungen hatten die Sozialdemokraten für die erste von 23 Präsentationen gerechnet, gekommen sind 600 Menschen. Sie alle schauen jetzt erwartungsvoll auf die Bühne. Gleich wird es dort voll, acht Duos und ein Einzelbewerber wollen sich den SPDMitgliedern vorstellen.
Einige von ihnen sind selbst in sozialdemokratischen Reihen unbekannt. „Ich habe erst mal ein paar googeln müssen“, bekennt Juso Frank im Publikum. Und weil die Unbekannten mit derartigen Veranstaltungen auch noch keine Erfahrung haben, gab es vom Willy-Brandt-Haus zuvor ein paar gute Tipps, etwa: „Bitte, wenn möglich, nur mit leichtem TagesMake-up oder ungeschminkt kommen.“
Die Herren sollten sich „nicht unmittelbar vor dem Termin rasieren, um Hautirritationen zu vermeiden“.
In der ersten Runde hat jedes Duo fünf Minuten Zeit für die Vorstellung, eine Uhr auf der Bühne zählt unbarmherzig herunter. Es ist wie beim Speeddating, in der kurzen Zeit versuchen natürlich alle, so viele Infos wie möglich unterzubringen. Steuergerechtigkeit, Bildungschancen, Friedenspolitik, in Würde altern, Geschlossenheit in der Partei, Aufbruch, Grundrente, internationale Solidarität – die Begriffe aus dem Setzkasten der Sozialdemokratie prasseln nur so auf die Mitglieder ein.
Mandatsverlust bei Wahl
Interessant ist aber auch, was etwa Klara Geywitz, die „Partnerin“von Finanzminister Olaf Scholz, nicht sagt: dass sie gerade bei der Landtagswahl in Brandenburg ihr Mandat verloren hat. Apropos: Die beiden gelten laut einer Forsa-Umfrage als das Favoritenteam, was aber wohl daran liegt, dass Scholz der prominenteste Bewerber ist. Applaus bekommt er nicht so besonders viel, auch wenn er deutlich lebhafter als sonst erklärt: „Wir Sozialdemonicht kraten müssen darauf bestehen, dass alle gleich viel wert sind.“
In der zweiten Runde müssen die Kandidaten Fragen beantworten. Aber zuvor gibt es eine Überraschung: Simone Lange und Alexander Ahrens, die Bürgermeister von Flensburg (SchleswigHolstein) und Bautzen (Sachsen), ziehen ihre Kandidatur zurück, sie unterstützen lieber den ehemaligen nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans und die Abgeordnete Saskia Esken. Da waren’s nur noch 15.
Im Tal der Tränen
Schließlich gibt es noch Fragen aus dem Publikum, da wird Scholz hart angegangen. Wie solle das denn funktionieren mit der neuen Glaubwürdigkeit, wenn Olaf Parteichef sei, der „uns ja ins Tal der Tränen geführt hat“, will ein Genosse wissen. Er spielt darauf an, dass Scholz schon lange dabei ist und auch die einschneidenden Sozialreformen von ExKanzler Gerhard Schröder (Hartz IV) mitgetragen hat.
„Ich fühle mich nicht gemeint“, antwortet Scholz. Schließlich habe er als Arbeitsminister erste Branchenmindestlöhne eingeführt und auch für Kurzarbeitergeld gesorgt. „Ich bin der Meinung, dass ich ein echter, ein truly Sozialdemokrat bin“, erklärt er.
Ob sie sich für die letzten 20 Jahre SPD-Politik entschuldigen würde, wird die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan gefragt. „Ich will mich entschuldigen für etwas, das ich nicht getan habe“, antwortet sie und fügt hinzu: „Aber ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen.“Schwan und ihr Partner, SPD-Vize Ralf Stegner, bekommen durchgehend den meisten Applaus, Schwan erst recht, als sie bittet, nur am Schluss zu klatschen, „weil das alles von der Zeit abgeht“.
Es wird immer wärmer im Saal, viele fächeln sich Luft zu, doch die Konzentration bleibt hoch, nur der Moderator bezeichnet Norbert Walter-Borjans als „Walter“. „Ich heiße Norbert“, stellt dieser klar. Es ist ja auch nicht leicht mit all diesen Kandidaten und Namen. Ein Alleinstellungsmerkmal bringen jedenfalls die Abgeordneten Karl Lauterbach und Nina Scheer ein. Sie sagen dezidiert: raus aus der großen Koalition.
„Ich fand’s super, das Format ist klasse“, schwärmt Juso Frank, als alles vorbei ist, „so viele Ideen, so viele Meinungen, wir sind noch lange nicht tot, wir haben tolle Leute“. Auch Rentner Wilhelm ist angetan: „Es ist das Gegenteil von Hinterzimmer, bei den letzten Malen haben die Oberen ja alles unter sich ausgemacht. Hier erleben wir wirklich Basisdemokratie.“
Entscheiden konnte er sich noch nicht, aber: „Ein paar Paare sind schon mal ausgeschieden.“Er hat ja noch Zeit. Es gibt 22 weitere Auftritte, ein jeder wird live gestreamt. Am 12. Oktober folgt die letzte Runde in München. Und dann darf die Basis entscheiden.
Ankara – Der türkische Präsident Tayyip Erdogan wünscht sich Atomwaffen. Es sei „inakzeptabel, dass manche Länder über Atomraketen verfügen und die Türkei nicht“, sagte er bei einem Wirtschaftsgipfel im zentralanatolischen Sivas. Seit einigen Jahren versucht Ankara, eine exportorientierte Waffenindustrie aufzubauen und sich so vom Ausland unabhängig zu machen. (red)