Die Vita des Heiligen Sebastian
Kommende Woche erscheint eine Kurz-Biografie
Rechtzeitig vor der Nationalratswahl erscheint kommenden Mittwoch die erste Heiligenlegende über Sebastian Kurz. Verkauft wird die umfangreiche Lobeshymne allerdings als „offizielle Biografie“, da sie vom porträtierten ÖVP-Obmann selbst autorisiert wurde. Das Buch stammt aus der Feder von Judith Grohmann, einer Wiener Journalistin und Autorin, die seit 2016 mit Kurz in Kontakt steht.
Mit der ersten Begegnung von Grohmann und Kurz beginnt auch der schwülstige Prolog, der stilistisch eher an einen missglückten gymnasialen Erlebnisaufsatz erinnert. Detailreich („In einer Pause beschloss ich, noch einen Schluck Kaffee zu trinken“) schildert Grohmann ihren ersten Eindruck vom Objekt ihres Porträts: „Er sah aus dem Fenster und blickte gedankenversunken in die Ferne. Ob er uns wahrgenommen hatte, war fraglich.“Zwei Zeilen später erschien Kurz der Autorin abermals „in Gedanken versunken“.
Generell wird man Grohmann eine differenzierte Charakterzeichnung nicht vorwerfen dürfen. Den jungen Sebastian beschreibt seine schriftstellerische
Verehrerin als „souverän“, „wissbegierig“, „ehrlich“. Andererseits aber auch als „kommunikatives Talent“, „authentisch“, „ambitioniert“, „entschlossen“und „bravourös“.
Zur Auflockerung ihrer abwechslungsreichen Zuschreibungen beglückt Grohmann die Leser en passant mit tiefschürfenden lokalkundigen Exkursen: „Die Bewohner Wiens – egal ob wohlhabend oder nicht – besuchen allesamt sehr gerne und auch oft klassische Konzerte.“
Sobald es konkreter wird, wird es schnell einmal falsch. Laut Grohmann gab es 2000 eine Wahl, die Wolfgang Schüssel gewann (S. 16) – tatsächlich war besagte Wahl 1999 und Schüssel wurde Dritter. Einen Klubobmann hält sie für ein Regierungsmitglied (S. 34) und Hütteldorf für einen Wiener Bezirk (S. 22).
Ansonsten erfährt man bei Grohmann kaum Neues. Wer Substanzielles über Sebastian Kurz lesen will, kann sich das Buch getrost sparen. Theo Anders