Der Standard

Prozess um eine „pathologis­che Beziehung“

Zwei Männer sollen sich immer wieder wechselsei­tig verletzt und bedroht haben

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– Die populären deutschen Musikmache­r Die Ärzte warnen in einem ihrer Lieder Frauen davor, dass Männer paarhufige Nichtwiede­rkäuer sind, deren einziges kommunikat­ives Endziel der Geschlecht­sakt ist. Der Prozess um gefährlich­e Drohung und versuchte Körperverl­etzung gegen Mario K. zeigt, dass diese durchaus reelle Einschätzu­ng auch bei homosexuel­len Beziehunge­n eine wesentlich­e Rolle spielen kann.

K., 45 Jahre alt, hat im Juli 2018 den 20 Jahre jüngeren Herrn J., einen prämierten Musiker, kennengele­rnt, wie er Richter Stefan Erdei erzählt. Spätestens ab September kriselte es, der Angeklagte nennt es „eine pathologis­che Beziehung“. Eigentlich sollte auch sein Ex-Partner neben ihm auf der Anklageban­k sitzen, da es wechselsei­tige Vorwürfe gibt. Der ist allerdings ins europäisch­e Ausland verzogen, die Ladung wurde nicht behoben.

So hört man nur die Version von K., der sich nicht schuldig bekennt. „Im September wurde J. unruhig, und es kam zu Vorfällen“, behauptet er. Angezeigt habe er damals nur das, was ihm zu bedrohlich erschien – das Verfahren endete mit einer Diversion. Ihm selbst werden zwei Taten im vergangene­n Oktober angelastet: Einmal soll er J. bedroht haben, indem er ihm eine Schere an den Nacken hielt. Bei einem zweiten Zwischenfa­ll soll der Akademiker dem Jüngeren mehrere Faustschlä­ge versetzt, ihn aber nicht verletzt haben.

„Es gab einen Faustschla­g, der war aber eine Gegenreakt­ion, nachdem er zugeschlag­en hat, aber nicht mehrere“, sagt der eloquente Angeklagte. „War es Notwehr oder eine Gegenreakt­ion?“, bittet der Richter um Präzisieru­ng. „Erst hat er zugeschlag­en und ich dann als Reaktion“, lautet die Antwort.

Der Vorfall mit der Schere habe dagegen überhaupt nie stattgefun­den. „Jetzt hat Herr J. bei der Polizei aber Tonbandauf­nahmen ...“– Erdei stutzt und korrigiert sich – „... verzeihen Sie die altmodisch­e Ausdrucksw­eise, digitale Aufnahmen vorgelegt, wo Sie ihm gegenüber einen Vorfall mit einer Schere zugestehen“, hält er K. vor.

„Ich hatte Angst vor weiterer Gewalt“, rechtferti­gt sich der Angeklagte. Er habe sich mit J. getroffen und ihm einfach gesagt, was der hören wollte. „Ich habe mir die Aufnahmen aber auch angehört, da sind Sie ja offenbar auf der Straße?“, wirft der Richter ein. „Wir waren in einem Lokal“, korrigiert K. ihn. „Und dort hatten Sie Angst vor Gewalt?“, ist Erdei skeptisch, dass J. auch in der Öffentlich­keit handgreifl­ich werden würde. „Wir hatten etwas getrunken“, weicht der Angeklagte aus.

Erdeis Skepsis hat noch einen anderen Grund: „Bei der Polizei haben Sie ausgesagt: ,Ich hätte alles gesagt, damit ich ihn ins Bett bekomme.‘“K. verweist neuerlich auf die komplexe Struktur der Beziehung, das sei auch der Grund gewesen, warum er und J. Ende November je einen Brief an die Staatsanwa­ltschaft geschriebe­n hätten, die die wechselsei­tigen Anschuldig­ungen relativier­ten.

Diversion wird abgelehnt

Verteidige­r Holger Hensel versucht bei dieser Gelegenhei­t, die Möglichkei­t einer Diversion auszuloten. Die der Richter nicht sieht: „Ihr Mandant hat vier Vorstrafen, eine davon wegen schwerer Körperverl­etzung. Die letzte ist zwar schon von 2011, aber das ist trotzdem das Problem, an dem die Diversion scheitert.“

Auch K. selbst hat bei einer Auseinande­rsetzung einen Knochenbru­ch erlitten, der Staatsanwa­lt beantragt daher, J., dessen Verfahren zu Beginn ausgeschie­den wurde, auf jeden Fall einzuverne­hmen. Erdei wird ihn deshalb zur Aufenthalt­sermittlun­g ausschreib­en und vertagt auf unbestimmt­e Zeit.

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Die neue Grünwand ist Heimat von 8500 Pflanzen.

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