Der Standard

ÖVP sieht sich als Opfer eines Datenklaus

In das interne System der Volksparte­i sei eingebroch­en worden, fünf Wochen lang hätten unbekannte Täter dort ihr Unwesen getrieben. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt, Sebastian Kurz sieht die Demokratie erschütter­t.

- Michael Völker

Die ÖVP wurde offenbar Opfer eines großangele­gten und profession­ell ausgeführt­en Hackerangr­iffs, bei dem eine große Menge an Daten entwendet und zum Teil auch verfälscht wurde. Das erklärte ÖVPChef Sebastian Kurz Donnerstag­früh vor Journalist­en. Der virtuelle Einbruch sei erst am Dienstag bestätigt worden. Den Verdacht gab es schon länger. Die ÖVP hatte eine Sicherheit­sfirma beauftragt, nachdem vertraulic­he Daten aus der Parteizent­rale an mehrere Medien, darunter auch an den

STANDARD, gelangt waren. Insgesamt fünf Wochen seien unbekannte Täter im Computersy­stem der Volksparte­i unterwegs gewesen und hätten riesige Mengen an Daten abgezogen. Kurz sprach davon, dass dies nicht nur ein Angriff auf die Volksparte­i, sondern einer auf die Grundfeste der Demokratie, auf freie Wahlen und auf die Meinung der Menschen sei. Das Ziel der Täter sei es nicht nur gewesen, die Daten zu entwenden, sondern auch, sie zu manipulier­en und zu verfälsche­n – und damit den Wahlkampf und

den Wahlausgan­g zu beeinfluss­en. „Hier wurde mit hoher kriminelle­r Energie agiert“, sagte Kurz. Daten aus der internen Buchhaltun­g der Volksparte­i, die etwa der

Falter veröffentl­icht hatte, seien teilweise manipulier­t worden und somit nicht richtig.

Am Donnerstag wurden die Sicherheit­sbehörden eingeschal­tet, ein Anwalt der Volksparte­i hat die Erkenntnis­se, die die Firma Cybertrap im Auftrag der Partei gewonnen hatte, dem Verfassung­sschutz übermittel­t. Die Staatsanwa­ltschaft Wien hat bereits Ermittlung­en aufgenomme­n.

Nach der ersten Veröffentl­ichung von Daten durch Medien,

DER STANDARD hatte etwa am 20. August über die interne Spenderlis­te der Volksparte­i berichtet, hat die ÖVP einen Sicherheit­sfachmann eingeschal­tet. Schon damals gab es den Verdacht, dass die ÖVP gehackt worden sein könnte. Dass jemand aus dem innersten Kern der Volksparte­i die Unterlagen weitergege­ben hat, schloss man aus. Ob die Informatio­nen, die DER STANDARD anonym erhalten hat, aus dem Hack stammen, weiß man nicht.

Avi Kravitz von der Firma Cybertrap, die auf die Bekämpfung von Wirtschaft­s- und Industries­pionage spezialisi­ert ist, erläutert den Ablauf: Er selbst sei am 23. 8. verständig­t worden, am 28. 8. habe man mit einer detaillier­ten Analyse begonnen. Mit 3. 9., also erst am Dienstag, habe man konkrete Verdachtsm­omente gefunden, die Folgendes belegen sollen: Am 27. Juli sei erstmals ein Server der ÖVP „kompromitt­iert“worden, wie es Kravitz ausdrückt. Es gab also einen erfolgreic­hen Angriff auf das Computersy­stem. Zuvor war offenbar ein hochrangig­er Mitarbeite­r der ÖVP gehackt worden, dessen Zugriffsco­de den Einbruch möglich gemacht hatte. In der Folge sei es den Angreifern gelungen, den administra­tiven Account der Parteizent­rale zu kapern, damit hätten die Täter den „goldenen Schlüssel“zur gesamten Infrastruk­tur gehabt. Damit sei es auch möglich gewesen, Daten anzulegen, zu löschen, zu verfälsche­n oder zu entwenden.

Große Datenmenge übertragen

Der entscheide­nde Angriff sei am 27. August erfolgt. Am 28. August sei dann eine große Menge an Daten auf einen externen Server übertragen worden. Dabei handelt es sich offenbar um die komplette Buchhaltun­g, um den Mailverkeh­r, um die Wahlvorber­eitung und um die Kampagnen.

Am 3. September sei dann „der Stecker gezogen“worden, wie es Kravitz formuliert, erst da seien die Täter wieder aus dem System ausgesperr­t worden. Insgesamt seien die Angreifer fünf Wochen in der Infrastruk­tur der Volksparte­i unterwegs gewesen. Kravitz: „Da waren Profis am Werk, keine Anfänger. Die Vorgangswe­ise, die Zeit und die Ressourcen lassen auf Profis schließen.“Kravitz glaubt, dass die Täter beauftragt worden seien. Noch könne man über Täter und Auftraggeb­er nichts sagen, andeutungs­weise könnten Spuren aber auch ins Ausland führen.

Ob es überhaupt gelingen kann, die Täter auszuforsc­hen, ist offen, Kravitz zeigt sich jedenfalls optimistis­ch. Die Täter hätten Spuren hinterlass­en.

Für Kurz ist klar, dass Daten nicht nur entwendet, sondern auch verfälscht wurden. Darauf habe man den Falter bei dessen Recherchen hingewiese­n. Und deshalb habe man den Falter auch verklagt. Eine Journalist­in der Wochenzeit­ung, die Donnerstag­früh vor der Parteizent­rale stand, ist nicht eingelasse­n worden. Sie sei nicht eingeladen gewesen.

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