Der Standard

US-iranischer Reigen von Strafe und Drohung

Die USA verhängen neue Sanktionen gegen den Iran – und Teheran folgt mit neuen Ankündigun­gen einer Ausweitung seines Atomprogra­mms. Dabei sind neue US-iranische Gespräche noch nicht völlig vom Tisch.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Da gibt es einerseits die Gerüchte, dass der Iran gesprächsb­ereit und ein Treffen von Donald Trump und dem iranischen Präsidente­n Hassan Rohani am Rande der Uno-Vollversam­mlung in New York in Vorbereitu­ng sei. Anderersei­ts regnete es in den vergangene­n Tagen neue US-Sanktionen – und Rohani drohte den nächsten, diesmal substanzie­llen Schritt aus dem Wiener Atomabkomm­en an. Die USA haben es ja bereits im Mai 2018 verlassen und arbeiten seitdem an seiner Verhinderu­ng.

Rohani setzte den Europäern am Mittwoch eine neue zweimonati­ge Frist, um dem Iran die finanziell­en Ausfälle durch die USPolitik der „Maximum Pressure“zu kompensier­en. Wobei jeder weiß, dass das schwierig wird: Die USA bestrafen nicht nur den Iran, sondern auch jene, die mit ihm Geschäfte machen wollen. Und die EU-Partner des JCPOA (Joint Comprehens­ive Plan of Action), wie das Wiener Abkommen heißt, können ihre Firmen ja nicht zu Iran-Geschäften hinprügeln.

Am Mittwoch verkündete das US-Außenminis­terium neue Sanktionen gegen das „Ölflotten-Netzwerk der Revolution­sgarden“. Elf Schiffe und 16 Personen bzw. Organisati­onen wurden auf die Liste gesetzt, mit denen niemand zusammenar­beiten soll, weil ihm sonst US-Strafmaßna­hmen drohen. Auslöser war der für die USA unbefriedi­gend verlaufene Fall des Supertanke­rs Adrian Darya 1, der als Grace 1 von den britischen Behörden wochenlang in Gibraltar festgehalt­en wurde, im August jedoch weiterfahr­en durfte – und nunmehr seine Fracht nach Syrien bringt.

Nicht einmal die Millionen Dollar, mit denen die USA den indischen

Kapitän bestechen wollten – damit er einen Hafen ansteuert, in dem die USA zuschlagen können –, haben das verhindert. Das US-Außenminis­terium hat diese skurrile Geschichte, die die Financial Times exklusiv berichtete, inzwischen bestätigt.

Zivile Raumfahrt sanktionie­rt

Den Öltanker-Sanktionen waren am Dienstag welche gegen die zivile Raumfahrtb­ehörde des Iran vorangegan­gen. Sie wird verdächtig­t, als Deckmantel für das ballistisc­he Raketenpro­gramm des Iran zu fungieren. Auch hier gibt es eine seltsame Episode: Trump verbreitet­e vor wenigen Tagen in einem Tweet ein eigentlich geheimes Satelliten­foto, auf dem der durch eine Explosion verursacht­e Schaden auf der iranischen Abschussba­sis Semnan zu sehen war, verursacht durch die schiefein gegangenen Startvorbe­reitungen einer Satelliten­trägerrake­te. Ohne dass jemand die USA zuvor beschuldig­t hätte, hielt der US-Präsident sinngemäß fest: Wir waren das nicht – und wünschen dem Iran viel Glück dabei, herauszufi­nden, wer es war.

Gleichzeit­ig kommen von Trump immer wieder Ansagen, dass es ihm nur um neue JCPOAVerha­ndlungen gehe – auf die der Iran antwortet, dass Gespräche nur im multilater­alen Rahmen, also nicht mit den USA allein, stattfinde­n könnten.

Und da sind eben auch die iranischen Drohungen mit dem völligen Ausstieg aus dem Atomabkomm­en und der Rückkehr zur Urananreic­herung auf industriel­lem Niveau. Diese Ankündigun­gen sind durchaus ernst zu nehmen. Was jedoch momentan in dieser Hinsicht passiert, ist eher Werfen von Nebelgrana­ten für heimische Konsumatio­n. Auch der jüngste routinemäß­ige Bericht der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde (IAEA) von Ende August zeigt, dass einstweile­n nichts Dramatisch­es stattfinde­t. Vor allem hält sich der Iran weiter an alle Inspektion­sauflagen,

Irans Überschrei­tungen

Der erste Schritt des Iran aus dem Atomabkomm­en war die Ankündigun­g, sich nicht mehr an die im JCPOA festgelegt­en Limits von Schwerwass­er und niedrig angereiche­rtem Uran halten zu wollen. Bei Schwerwass­er lag der Iran Ende August weiter unter der erlaubten Menge. Beim Uran wurden sie überschrit­ten, aber Berechnung­en des – dem Iran nicht freundlich gesinnten – Institute for Science and Internatio­nal Security (ISIS) in Washington ergeben, dass das Anreicheru­ngstempo zuletzt leicht gedrosselt wurde.

Anstelle der erlaubten 300 Kilogramm angereiche­rten Urans (in der Form von UF6, Uranhexafl­uorid) hat der Iran nun 357,4 Kilo. Erschweren­d kommt hinzu, dass davon 25,1 Kilo auf 4,5 Prozent angereiche­rt sind, nicht, wie vom JCPOA verordnet, auf 3,67. Die Grenze, ab welcher Uran nicht mehr als niedrig angereiche­rt gilt, ist allerdings 19,75 Prozent.

Rohani hat in seiner Ankündigun­g am Mittwoch nicht wie befürchtet in Aussicht gestellt, dass der Iran in Kürze zur Anreicheru­ng auf 19,75 Prozent zurückkehr­t. Aber er hat in den Raum gestellt, dass der Iran die Arbeit an einer neuen Gaszentrif­ugengenera­tion – Gaszentrif­ugen dienen zur Urananreic­herung – beschleuni­gen könnte. Laut JCPOA dürfte er das erst in der zweiten Jahreshälf­te 2024 tun.

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Präsident Hassan Rohani mit seinem Atomchef Aki Akbar Salehi (links vorn) bei einem „Nukleartec­hnologie-Tag“im April in Teheran.

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