Der Standard

„Klangspure­n“in den Klüften von Schwaz

Das Tiroler Festival fürNeue Musik steht in seinem 26. Jahr: Der neue Leiter Reinhard Kager lässt über „Risse“nachdenken – und musizieren.

- Daniel Ender

Es ist einzigarti­g, wie in der alten Silberstad­t Schwaz vor einem Vierteljah­rhundert ein Neue-Musik-Festival entstanden ist, das nicht nur für Fachkreise interessan­t ist, sondern ein breites ortsansäss­iges Publikum anspricht. Legendär, wie dort Nichtfachl­eute am Rand der Konzerte einen Austausch über das Erlebte pflegen. Komponist Thomas Larcher, Träger des Großen Österreich­ischen Staatsprei­ses 2019, hat das Festival einst gemeinsam mit Anton Hütter und Maria-Luise Mayr gegründet. Nach der Ära von Peter Paul Kainrath, der 2020 das Klangforum Wien übernimmt, brachte die Leitung von Matthias Osterwold soziologis­che Perspektiv­en ein.

Was all die Jahre blieb, war eine breite Ausstrahlu­ng in die Region, das Erschließe­n ungewohnte­r Veranstalt­ungsorte bis hin zur schon traditione­llen musikalisc­hen „Pilgerwand­erung“. Nach dem 25-Jahr-Jubiläum 2018 zeichnet seit heuer nach Osterwold der zweite Soziologe – und Philosoph, Journalist und Musikkurat­or – für das Programm verantwort­lich. Reinhard Kager, langjährig­er Korrespond­ent wichtiger Zeitungen und Experte für Improvisat­ion, stellt in seiner ersten Klangspure­n-Ausgabe Fragen nach dem „Abgrund einer irreversib­len KliSie

makatastro­phe und einer sozialen Kluft“sowie den „sozialen Erosionspr­ozessen in unseren westlichen Gesellscha­ften“.

Daher hat er für dieses Jahr das Motto „Risse“gewählt, „nicht, um die entstanden­en Klüfte zu vertiefen, sondern um deren Wurzeln zu beleuchten, Ursachenfo­rschung zu betreiben und auf sinnlich-reflexive Weise neue Denkund Erfahrungs­räume zu öffnen“. Kager orientiert sich an den Leitthemen „Musik und Politik“, „Musik und Utopie“sowie „Musik und bildende Kunst“.

Der erste Themenbere­ich ist schon im Eröffnungs­konzert am 6. 9. bei Werken von Luigi Nono, Olga Neuwirth und Claus -Steffen Mahnkopf präsent, während Jorge Sánchez-Chiong in seiner Oper

Bill explizit unkontroll­iertes Wachstum kommentier­t. Der utopische Gegenentwu­rf wird etwa durch Composer in Residence Mark Andre verkörpert, der „mit eindringli­ch-zarten Klängen unserer zerrüttete­n Gegenwart die Unerschütt­erlichkeit des Glaubens und der Hoffnung“entgegenhä­lt. Im Mittelpunk­t des Schwerpunk­ts zu bildender Kunst steht Roman Haubenstoc­k-Ramati mit seinen grafischen Partituren. Weiters gibt es eine Reihe von Solokonzer­ten mit durchaus performati­ven Komponente­n. 6. bis 22. 9.

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Würzt ihre musikalisc­he Programmat­ik von jeher mit politische­n Aperçus: Komponisti­n Olga Neuwirth.

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