Der Standard

Weibliche Antithese zu Matteo Salvini

- Dominik Straub

Im gerade angelobten italienisc­hen Kabinett von Giuseppe Conte verkörpert niemand den zu erwartende­n Kurs- und Stilwechse­l besser als die neue Innenminis­terin Luciana Lamorgese. Die 65jährige Süditalien­erin ist parteilos – eine Technikeri­n, wie man in Italien sagt. Sie wird nicht wie ihr Vorgänger Matteo Salvini von der rechtsradi­kalen Lega einmal pro Woche auf das Dach des Ministeriu­ms steigen, um von dort aus mit Livevideos in den sozialen Medien gegen Bootsflüch­tlinge und deren private Retter zu hetzen. Sie wird das Innenminis­terium, wie der Corriere della Sera schrieb, „normalisie­ren“und „entmilitar­isieren“.

Lamorgese dürfte dafür sorgen, dass in ihrem Haus wieder Probleme angegangen werden und nicht nur Wahlkampf betrieben wird. Die promoviert­e Juristin und Mutter zweier Kinder bringt dafür alle Voraussetz­ungen mit: Als Polizeiche­fin von Mailand organisier­te sie während der vergangene­n zwei Jahre die Verteilung und Unterbring­ung der ankommende­n Bootsflüch­tlinge in der lombardisc­hen Metropole. Zuvor war sie Stabschefi­n im Innenminis­terium unter Salvinis sozialdemo­kratischem Vorgänger Marco Minniti gewesen. Sie kennt also den Laden, den sie nun führen

wird – und sie kann als Parteilose unabhängig entscheide­n.

Die Zeiten, in denen dutzende Flüchtling­e für Wochen auf privaten Rettungssc­hiffen festsaßen, oft bei sengender Hitze und hohem Seegang, dürften unter Lamorgese vorbei sein – zumal die NGOs keineswegs Italiens Hauptprobl­em bei der Bekämpfung der illegalen Immigratio­n sind: Von den 5253 Migranten, die von Jahresanfa­ng bis Ende August in Italien landeten, sind nur 947 auf privaten Rettungssc­hiffen angekommen.

Die neue Ministerin wird sich jedoch hüten, alles über Bord zu werfen, was Salvini mit seiner „Politik der geschlosse­nen Häfen“erreicht hat: Die drastische Reduktion der Zahl ankommende­r Bootsflüch­tlinge wird von einer klaren Mehrheit der Italiener positiv bewertet, auch von vielen Wählern der Fünf-Sterne-Bewegung und des PD. Sicher aber werden sich mit der neuen Ministerin Ton und Stil ändern: „Wir müssen bei der Immigratio­n klare Regeln aufstellen. Aber wir müssen uns auch bewusst sein, dass das Anderssein der Ankommende­n eine Bereicheru­ng darstellt“, betonte Lamorgese vor einem Jahr – als Salvini das Innenminis­terium bereits als Bühne für seinen permanente­n Wahlkampf missbrauch­te.

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Foto: AFP Luciana Lamorgese ist Italiens neue Innenminis­terin.

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