Der Standard

Politik mit kriminelle­r Energie

Ibiza-Video, Datendiebs­tahl bei der ÖVP: Österreich taumelt einer Wahl entgegen

- Michael Völker

Wenn das alles so stimmt, dann ist es ein Riesenskan­dal. Das Problem ist: wenn das alles so stimmt. Als Innenpolit­ikjournali­st oder auch als politisch interessie­rter Bürger und Beobachter ist man vorsichtig dabei geworden, was man glauben kann. Das ist kein Vorwurf, der sich explizit an die Volksparte­i richtet, aber schon auch. Es wird getrickst, verborgen, getäuscht und verdreht. Die Fakten dahinter sind oft schwer zu erkennen und darzustell­en.

In diesem Fall geht es allerdings nicht ums Tricksen, sondern um eine eindeutig kriminelle Handlung. Und gehen wir einmal davon aus, dass das so stimmt. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln. Die Volksparte­i wurde Opfer (schon wieder Opfer!) einer großangele­gten Cyberattac­ke. Die ÖVP wurde mit kriminelle­n Methoden gehackt.

Die Vorgangswe­ise und das Ausmaß der Aktion lassen auf Profis mit großer kriminelle­r Energie schließen. Es wurden Daten in großem Ausmaß gestohlen. Die gesamte Buchhaltun­g, Mailverkeh­r, Unterlagen zu den Wahlkampag­nen, Vorbereitu­ngen auf die TV-Konfrontat­ionen und einiges mehr. Die ÖVP hatte bereits diesen Verdacht, seit Dienstag weiß sie es angeblich mit Sicherheit. Und Daten wurden weitergege­ben.

Auch DER STANDARD bekam über seinen anonymen Briefkaste­n Daten aus unbekannte­r Quelle. Ob sie aus dem Datenhack stammen, wissen wir nicht. Da ging es um Listen mit ÖVP-Spendern. Die Redaktion hat diese Daten sorgfältig geprüft. Wo es Vergleichs­daten gab, haben wir das gegengeche­ckt, schließlic­h haben wir die Spender selbst kontaktier­t und befragt: Etliche haben Summen und Daten bestätigt, andere haben nicht geantworte­t, niemand hat dementiert. Alles gut. Auch die ÖVP selbst bestreitet diese Daten nicht.

Andere Daten, die beim Falter gelandet sind, seien verfälscht worden. Behauptet die ÖVP. Da geht es um die Buchhaltun­g und darum, wie Ausgaben als Wahlkampfk­osten deklariert werden oder eben nicht. Man könnte das mit kreativer Buchhaltun­g umschreibe­n. Ein Teil der veröffentl­ichten Daten stimme, aber eben nicht alles. Sagt die ÖVP. Deshalb habe man auch geklagt.

Während der erste Vorgang, der Einbruch in die Infrastruk­tur der ÖVP,

glaubhaft und nachvollzi­ehbar klingt, kommen beim anderen Vorgang Zweifel auf: Wer sollte einzelne Details verfälsche­n? Mit welchem Ziel? Um den

Falter reinzulege­n? Oder die ÖVP reinzureit­en? Beides würde doch auffliegen. Gegenargum­ent: vielleicht erst nach der Wahl.

Tatsache ist, dass mit kriminelle­n Methoden versucht wird, in den Wahlkampf einzugreif­en und die Bürger und die Politik durch gezielte Veröffentl­ichungen zu beeinfluss­en. Wie schon mit dem Ibiza-Video. Da mag ein hehres Ziel dahinterge­steckt haben, die Methoden waren es nicht. Auf eine Aufklärung durch die Justiz warten wir noch. Und so wird es auch mit dem Dateneinbr­uch bei der ÖVP sein: Vor der Wahl werden wir nichts erfahren, was sich mit Sicherheit belegen und überprüfen ließe. Das spielt erst einmal der ÖVP in die Hände. Das wird die Anhänger von Sebastian Kurz mobilisier­en – und das soll keine Unterstell­ung sein.

Das gehört alles aufgeklärt. Uns bleiben derzeit nur Mutmaßunge­n. Und die dürfen auch im Wahlkampf nicht den Blick darauf verstellen, worum es bei dieser Wahl wirklich geht: um politische Inhalte und Grundwerte, die Österreich­s Zukunft betreffen.

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