Der Standard

Mehr Jobchancen?

Ein akademisch­er Titel sorgt am österreich­ischen Arbeitsmar­kt nicht automatisc­h für bessere Jobchancen. Mit niedrigere­m Bildungsni­veau lässt sich genauso leicht eine Anstellung finden.

- Franziska Windisch (siehe Fakten).

Laut aktueller Bildungsst­udie tun sich Akademiker zwar leichter, mit weniger Bildung lässt sich aber auch leicht ein Job finden.

Erst einmal fleißig am Studienabs­chluss doktern, dann tut man sich auch bei der Arbeitssuc­he leichter. In vielen Fällen mag das zutreffen, statistisc­h gesehen ist das in Österreich aber nicht unbedingt so. Denn ein Studienabs­chluss bedeutet hierzuland­e nicht, dass auch die Wahrschein­lichkeit steigt, einen Job zu finden – im Unterschie­d zum internatio­nalen Trend. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Bildung auf einen Blick“, die von der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) am Dienstagvo­rmittag veröffentl­icht wurde.

So weist die Beschäftig­ungsquote von 25- bis 34-jährigen Akademiker­n denselben Wert auf wie jene von gleichaltr­igen Absolvente­n der Sekundarst­ufe II – nämlich 85 Prozent. Letztere umfasst unter anderem polytechni­sche Schulen, Berufsschu­len und Lehren, berufsbild­ende mittlere Schulen sowie die AHS-Oberstufe.

Im ersten Moment mag das überrasche­nd anmuten, es ist aber letztlich auch das Ergebnis einiger Eigenheite­n des österreich­ischen Bildungssy­stems. Ausschlagg­ebend ist vor allem die Stärke der berufsbild­enden Schulen. Denn während die Beschäftig­ungsquote im Tertiärber­eich im OECDSchnit­t liegt, sind die Chancen für einen Job nach einem Abschluss im Sekundarbe­reich II deutlich höher als im Durchschni­tt.

Niedrige Akademiker­quote

Österreich­s Akademiker­quote ist traditione­ll niedrig. Eine Steigerung ist zwar zu beobachten – von 33 auf 40 Prozent in zehn Jahren. Sie liegt aber immer noch vier Prozentpun­kte unter dem OECDSchnit­t. Betrachtet man europäisch­e Länder, liegen nur Deutschlan­d, Italien und Tschechien deutlich darunter. Enthalten sind darin neben Uni-Abschlüsse­n auch solche der BHS. Rechnet man diese weg, kommt man nur auf etwa 18 Prozent. Besonders der Bachelor ist in Österreich noch nicht recht angekommen.

Vor 20 Jahren hatten 29 europäisch­e Staaten erklärt, im Rahmen des Bologna-Prozesses gemeinsam Hochschulp­olitik zu machen. Ziel des Vorhabens war die europaweit­e Vereinheit­lichung des Studiensys­tems, die unter anderem die Unterteilu­ng in Bachelor und Master sowie das ECTS-Punkte-System zur Folge hatte. Letzteres soll die internatio­nale Mobilität der Studierend­en erleichter­n.

Sonderfall Bachelor

Ein Bachelor-Studiengan­g ist auf Österreich­s Arbeitsmar­kt jedoch nicht allzu beliebt. Nur 78 Prozent der Bachelor-Absolvense­tzung ten im erwerbsfäh­igen Alter haben demnach einen Job. Im Durchschni­tt sind 85 Prozent der Bachelor-Absolvente­n in Beschäftig­ung. Geringere Werte als Österreich weisen nur Griechenla­nd, Italien, die Türkei, die Slowakei und Südkorea auf.

Bei Spitzenrei­tern wie Norwegen, Litauen, den Niederland­en oder Großbritan­nien liegt der Wert über 90 Prozent. Selbst BHSAbsolve­nten kommen auf eine höhere Beschäftig­ungsquote. Das Nachsehen haben Personen mit Pflichtsch­ulabschlus­s. Hier liegt die Beschäftig­ungsquote bei 55 Prozent. In einem gewissen Rahmen steigen mit zunehmende­m Bildungsst­and auch die Beschäftig­ungsquoten.

Jugendlich­e schließen entweder eine berufsbild­ende Schule ab, die für die OECD auch Teil der tertiären Ausbildung ist, oder entscheide­n sich gleich für die Fortder Ausbildung im Rahmen eines Master-Studiengan­gs. Das kann auch daran liegen, dass das österreich­ische Hochschuls­ystem zu 94 Prozent durch den Staat finanziert wird. Studieren ist deshalb vergleichs­weise günstig. Mehr als drei Viertel der Studierend­en nutzen die öffentlich­en Einrichtun­gen auch.

Das mag vielleicht auch ein Grund sein, wieso sich Österreich­s Studierend­e viel Zeit für den Bachelor lassen. Nur 26 Prozent schließen in der Regelstudi­enzeit ab. Der OECD-Schnitt liegt bei 39 Prozent.

Berufsbild­ung als Plus

Zudem spielt auch eine Rolle, was und wann man studiert hat. In technische­n und naturwisse­nschaftlic­hen Fächern tut man sich leichter, einen Job zu finden, sie zeichnen sich auch durch die höchsten Verdienste aus. Generell tun sich junge Akademiker wesentlich schwerer auf dem Arbeitsmar­kt als ältere. Hier zeigt sich in Österreich eine im OECDVergle­ich hohe Diskrepanz.

Österreich­s Schüler zieht es besonders in berufsbild­ende Schulen. Dieses Konzept wird auch von der OECD positiv hervorgeho­ben. Nirgends sonst erwerben so viele Schüler auch eine Berufsqual­ifikation. Insgesamt sind es 77 Prozent – sei das in Form einer Lehre oder des Abschlusse­s einer berufsbild­enden Schule. Ähnlich hohe Zahlen weisen hier nur Slowenien und Tschechien auf. Im EU-Durchschni­tt sind es lediglich 46 Prozent, der OECD-Durchschni­tt kommt überhaupt nur auf 40 Prozent.

Der österreich­ische Fokus auf die berufsbild­enden Schulen hilft, Jugendlich­e mit praktische­n Interessen länger in einer Ausbildung zu halten und so auch ihre Jobchancen zu erhöhen. Auch der Übergang in den Tertiärber­eich ist im OECD-Vergleich leicht. Etwa die Hälfte schließt ein Bachelorst­udium an. Im OECD-Schnitt sind es nur 28 Prozent. Absolvente­n einer berufsbild­enden Schule beenden ihr Bachelorst­udium auch deutlich häufiger als solche, die nicht aus einer berufsbild­enden Schule kommen.

Politik fühlt sich bestätigt

Auch Bildungsmi­nisterin Iris Rauskala verweist auf die hohen Jobchancen für Absolvente­n der Sekundarst­ufe II. Mit Blick auf die Arbeitslos­enquote von Personen, die lediglich über einen Pflichtsch­ulabschlus­s verfügen, betont Rauskala auch, dass ein höherer Bildungsab­schluss sehr wohl die Jobchancen erhöht. Auch zu den übrigen Ergebnisse­n der Studie äußerte sich Rauskala durchaus positiv

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