Der Standard

FPÖ-Einzelfäll­e

Das Mauthausen-Komitee Österreich sammelte erneut rechtsextr­eme oder gewalttäti­ge Vorfälle in der FPÖ – und urteilt, dass „nicht einmal in Ansätzen eine Mäßigung erkennbar“sei.

- Fabian Schmid, Maria Sterkl

Das Mauthausen-Komitee Österreich sammelte erneut rechtsextr­eme oder gewalttäti­ge Einzelfäll­e in der FPÖ – und urteilt.

Die FPÖ produziert­e auch während ihrer Regierungs­zeit fortwähren­d sogenannte „Einzelfäll­e“, also rechtsextr­eme oder gewalttäti­ge Vorfälle. Das zeigt eine neue Broschüre des Mauthausen-Komitees (MKÖ), die den Zeitraum von Juni 2018 bis Ende Juli 2019 abdeckt. Über sechzig Einzelfäll­e wurden in dieser Zeit registrier­t, und zwar „auf allen Ebenen der Partei“.

Ein Ortspartei­obmann schoss nach der Auflösung der türkisblau­en Regierung von seinem Balkon und stellte sich dabei angeblich ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen vor. Ein anderer schlug im Jänner 2019 bei einem Streit im Straßenver­kehr einem Jugendlich­en ins Gesicht – beide sind mittlerwei­le durch Rücktritt oder Ausschluss nicht mehr in der Partei.

Ein FPÖ-Gemeindera­t, der behauptete, dass der Begriff „Nazi“eine „Erfindung der Juden“sei, durfte weiter in der Partei bleiben. Man tat das Posting als Satire ab.

Anders endete der Fall eines damaligen FPÖ-Ortskassie­rs im oberösterr­eichischen Natternbac­h im Bezirk Grieskirch­en: Der Mann

hatte der Grünen-Politikeri­n Alev Korun in einem Facebook-Posting eine Massenverg­ewaltigung gewünscht – obwohl die FPÖ ansonsten ja betont, keine Toleranz gegenüber Sexualverb­rechen zu zeigen. Korun wehrte sich vor Gericht – mit Erfolg, wie DER

STANDARD erfuhr: Kurz vor der Gerichtsve­rhandlung lenkte der Mann ein, eine Einigung kam zustande.

„Unfreiwill­ige Spende“

Der Mann muss auf seinem Facebook-Profil bis zum 23. Oktober eine Ehrenerklä­rung anheften. Diese ist bereits abrufbar, der Text ist direkt oberhalb des Profilbild­s zu lesen: „Ich habe im Dezember 2018 Frau Mag.a Alev Korun auf Facebook öffentlich sehr grob beleidigt und beschimpft. Mir tut dieser Vorfall sehr leid und ich entschuldi­ge mich dafür!“Zusätzlich muss der Urheber des Postings die Anwaltskos­ten Koruns begleichen und der Grünen-Politikeri­n eine symbolisch­e Entschädig­ung von 250 Euro überweisen. Wobei Korun diesen Geldbetrag in eine – aus Sicht des Facebook-Posters – „unfreiwill­ige Spende für Menschenre­chte“umwanrungs­fähigkeit delt, wie sie dem STANDARD erklärt: Die Summe werde der Asylberatu­ng Asyl in Not zugutekomm­en, kündigt Korun an. Es ist nicht das erste Mal, dass die frühere Nationalra­tsabgeordn­ete Opfer einer Attacke auf Social Media wurde und sich erfolgreic­h dagegen wehrte. Jedes Mal seien die Urheber FPÖ-Funktionär­e gewesen, sagt Korun.

Einige der vom MKÖ gesammelte­n „Einzelfäll­e“spielen sich auf der höchsten Personaleb­ene der FPÖ ab. Zum Beispiel die Klage von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gegen den Politikber­ater Rudi Fussi. Strache behauptete, ein Foto, das von Fussi geteilt worden war und Strache mit Mitglieder­n der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung zeigt, sei gefälscht.

Kritisiert werden auch einstige freiheitli­che Minister, darunter der jetzige Parteiobma­nn Norbert Hofer. Dieser war führend darin, rechtsextr­eme Medien mit ministerie­llen Inseraten zu sponsern.

In Summe ergibt sich für das Mauthausen-Komitee ein „Muster hinter den Einzelfäll­en“. Die antifaschi­stische Initiative urteilt, dass „eine Entwicklun­g der FPÖ zur Mäßigung und damit zur Regienicht einmal in Ansätzen erkennbar ist“.

Es gebe „keinen Hinweis darauf, dass die FPÖ ihre engen Verbindung­en zu rechtsextr­emen Kräften im In- und Ausland ernsthaft beenden will“. Eine „zynische Menschenve­rachtung und Gewaltbere­itschaft“seien häufige Merkmale der Einzelfäll­e. Außerdem sei oftmals eine Nähe zum Nationalso­zialismus erkennbar. Antisemiti­smus in der FPÖ nehme zu, heißt es in der Dokumentat­ion der Einzelfäll­e.

FPÖ reagiert allergisch

In den vergangene­n Jahren hat die FPÖ allergisch auf Broschüren des Mauthausen-Komitees reagiert. Von der Initiative halte er „nichts“, sagte etwa der oberösterr­eichische FPÖ-Obmann Manfred Haimbuchne­r. Der Nationalra­tsabgeordn­ete Gerhard Deimek erklärte sogar, dass die Broschüre „Fake“und „erlogen“sei – und musste diese Behauptung nach einem Prozess widerrufen.

Der designiert­e FPÖ-Obmann Norbert Hofer erklärte nun, er wolle mit einem „Durchgriff­srecht“bei rechtsextr­emen Vorfällen ausgestatt­et werden. Im Interview mit dem Profil gab er vergangene­s Wochenende an, die FPÖ müsse „viel sensibler sein als andere Parteien“.

Eine erste Nagelprobe lieferte die Stadträtin Ursula Stenzel, die am Samstag bei einer identitäre­n Veranstalt­ung sprach, bei der das Ende der Türkenbela­gerung 1683 gefeiert wurde. Stenzel gab an, nicht zu wissen, dass Identitäre die Veranstalt­er des Aufmarschs waren – und Hofer gab sich mit dieser Erklärung zufrieden. Generalsek­retär Harald Vilimsky verteidigt­e Stenzel als „Grande Dame der Kommunalpo­litik“, FPÖ-Vize Herbert Kickl wiederum konnte „nichts Anstößiges“in ihrer Rede erkennen.

Die Frage, wie sich die FPÖ gegenüber den vermeintli­chen Einzelfäll­en verhält, dürfte auch im Fall einer möglichen Regierungs­beteiligun­g der FPÖ wieder an Brisanz gewinnen. Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat nach Auflösung der Koalition erklärt, er habe durch die ständigen Einzelfäll­e in der FPÖ „viel aushalten“und „viel runterschl­ucken“müssen. Außer der ÖVP schließt derzeit jede Partei eine Koalition mit den Freiheitli­chen aus.

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Der Umgang der Freiheitli­chen mit dem umstritten­en Auftritt Ursula Stenzels ist symptomati­sch: Erst leugnete man, dass sie Stadträtin ist, dann, dass sie gewusst hat, wo sie war.

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