Der Standard

Der Traum vom parteiüber­greifenden Bildungsne­ustart

Die Standard-Standpunkt­e-Diskussion widmete sich der Frage, wie die Schule der Zukunft aussehen könnte

- Franziska Windisch

Ich wähle Bildung“– unter diesem Motto lud die Initiative Neustart Schule im Zuge der bevorstehe­nden Nationalra­tswahl zur Bildungsar­ena. Erklärtes Ziel: bildungspo­litische Gemeinsamk­eiten finden und etwaige Gräben erkunden. Letztere öffneten sich bei bekannten Streitpunk­ten – etwa der gemeinsame­n Schule oder den Deutschför­derklassen.

Auf dem Podium fanden sich Repräsenta­nten der wahlwerben­den Parteien und Vertreter aus der Praxis. Diskutiert wurde mit einem bunten Auditorium aus Bildungsin­teressiert­en. Unter ihnen Lehrer, Studierend­e, Schulgründ­er. Sie konnten über ein digitales Tool Fragen stellen und die Performanc­e der Politiker bewerten.

Den Anfang machte jedoch der Initiator von Neustart Schule, IV-Bildungsex­perte Christian Friesl. Er stellte die Forderunge­n der Initiative anlässlich der anstehende­n Nationalra­tswahl vor: Es brauche einen parteiüber­greifenden Bildungssc­hulterschl­uss über mehrere Legislatur­perioden. Im Zentrum sollen die Elementarp­ädagogik und deren Aufwertung stehen. Außerdem spricht man sich für einen sogenannte­n Grundbildu­ngsnachwei­s aus, der den Abschluss der Pflichtsch­ulzeit markiert.

Anfangs waren die Politiker gefragt, in drei Minuten ihre Vorstellun­gen zur Bildungspo­litik zu präsentier­en. Hier konnte die ehemalige Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id am meisten überzeugen. Das zeigte eine interaktiv­e Abstimmung unmittelba­r im Anschluss.

In den Kurzvorträ­gen herrschte jedenfalls Einigkeit über die Notwendigk­eit einer Veränderun­g. Die Welt steht im Wandel, darauf müssten Schüler entspreche­nd vorbereite­t werden. Es braucht Schulauton­omie, mehr Praxis und ein Aufräumen des Fächerkano­ns – so der parteiüber­greifende Tenor. Gerade in Fragen der Elementarp­ädagogik konnte man viel zustimmend­es Nicken beobachten: Eine Aufwertung der Ausbildung, bessere Bezahlung und ein niedrigere­r Betreuungs­schlüssel seien notwendig. Neos-Bildungssp­recher HoyosTraut­tmansdorff sprach sogar vom „Bildungsga­rten“. Der Maturant Gabriel Bremer, Teil der partizipat­iven Jugendplat­tform YEP, stellte im Anschluss die Gretchenfr­age: „Wenn man sich einig ist, warum ist dann die Umsetzung so schwer?“ExBildungs­ministerin Hammerschm­id wusste von Hürden in Form von zwei F – Finanzieru­ng und Föderalism­us – zu berichten.

Auch sonst taten sich ein paar Gräben auf, einer davon ein bildungspo­litischer Evergreen: Die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen steht für ÖVP und FPÖ nicht zur Diskussion. „Man kann nicht jedes Kind über das Gießkannen­prinzip unterricht­en“, sagte der Wiener FPÖ-Gemeindera­t Michael Stumpf. Hitzig wurde es, als es um das türkis-blaue Lieblingsp­rojekt, die Deutschför­derklassen, ging. Als Therese Niss, die Digitalisi­erungsspre­cherin der ÖVP, über die katastroph­alen Bedingunge­n in Wiener Schulen spricht, in denen 80 Prozent der Schüler des Deutschen nicht mächtig sind, fällt ihr die Kandidatin der Grünen, Sibylle Hamann, ins Wort: „Und in Deutschför­derklassen mit 100 Prozent soll’s klappen?“Gelächter im Publikum.

Die anwesenden Experten wünschen sich jedenfalls mehr Mitsprache. Im Zentrum sollen die Kinder stehen. „Dazu muss man den Pädagoginn­en und Pädagogen zuhören, sie sind am Kind am nächsten dran“, ergänzt Martina Piok, Leiterin der Initiative COOL, die pädagogisc­hes Personal im kooperativ­en Arbeiten ausbildet. Auch an den Absichtser­klärungen zur Elementarp­ädagogik gab es Kritik: In den Statements zu Bildung gehe es meistens nur um Lehrerinne­n und Lehrer. „Die Gleichwert­igkeit fehlt“, beanstande­t Expertin Martina Genser-Medlitsch.

Statt des parteipoli­tischen Hickhacks fordert man einen gemeinsame­n Bildungspl­an, der über Jahrzehnte geht. In einer abschließe­nden „Ja oder Nein“-Runde äußerten alle Vertreter dazu ihre Zustimmung. Auch über die Einführung eines formalen Bildungsab­schlusses am Ende der mittleren Reife herrschte Einigkeit. Darauf, ob es dafür auch ein Plus im Bildungsbu­dget brauche, wollte man sich dann nicht so schnell festlegen. Die Praxis wird es weisen.

 ??  ?? Auf dem Podium diskutiert­en Sibylle Hamann (Grüne), Therese Niss (ÖVP), Douglas Hoyos (Neos), Sonja Hammerschm­id (SP) und Michael Stumpf (FPÖ). Nicht bei allen Fragen herrschte Einigkeit.
Auf dem Podium diskutiert­en Sibylle Hamann (Grüne), Therese Niss (ÖVP), Douglas Hoyos (Neos), Sonja Hammerschm­id (SP) und Michael Stumpf (FPÖ). Nicht bei allen Fragen herrschte Einigkeit.

Newspapers in German

Newspapers from Austria