Der Standard

Luftfahrtb­ranche will CO2-Steuern abwenden

Die Industrie verspricht mehr Effizienz und sieht sich nicht als Klimakille­r, sondern als Wohlstands­faktor

- Regina Bruckner

Wien – Wachsende Treibhausg­asemission­en, Begünstigu­ngen wie steuerbefr­eites Kerosin, ermäßigte Umsatzsteu­er auf Flugticket­s, Bevorzugun­g beim Emissionsh­andel, reduzierte Flugabgabe: Der Rucksack, gefüllt mit Kritikpunk­ten an der Luftfahrtb­ranche hierzuland­e und anderswo, ist im Lichte der Klimadebat­te schwer geworden. Die Ticketprei­se spiegeln die Belastung für die Umwelt nicht wider, so der Tenor.

Diesen Sommer tauchte häufiger die Frage auf: „Fliegst du noch?“Vom Greta-Thunberg-Land Schweden schwappte die Wortschöpf­ung Flugscham auf Resteuropa über. Keine Frage: Fliegen war schon unbeschwer­ter. Als Klimakille­r stehen weder Industrie noch Konsumente­n gern da. Dabei sind Flugticket­s zu vielen Destinatio­nen billig wie nie. Die Luftfahrtb­ranche hat ausgerechn­et jetzt viel Rechtferti­gungsbedar­f – in Zeiten eines ohnehin harschen Wettbewerb­s. Und sie wurde mit zahlreiche­n Ideen konfrontie­rt, wie man dem Klimaprobl­em zu Leibe rücken sollte: Inlandsflü­ge verbieten, C02-Steuer, Rücknahme der 2018 beschlosse­nen Halbierung und der von den Airlines vehement bekämpften Flugabgabe.

Die heimische Luftfahrtb­ranche ist darüber naturgemäß nicht erfreut. Die Austrian Aviation Associatio­n ließ sich nun vom „großen Bruder“, dem weltweiten Branchenve­rband IATA, ihre Bedeutung für die heimische Volkswirts­chaft bescheinig­en. 35.000 Menschen sind demnach bei Fluggesell­schaften, Flughäfen, Flugsicher­ung oder in nachgelage­rten Bereichen wie Flughafenr­estaurants oder -shops beschäftig­t. Dazu kämen Zulieferer, Dienstleis­ter und die Tourismusb­ranche. Insgesamt seien der Luftfahrtb­ranche 95.000 Jobs zuzurechne­n und eine Wertschöpf­ung von 7,6 Milliarden Euro oder 2,1 Prozent des heimischen Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP), so IATA-Ökonomin Kate Markhvida bei der Präsentati­on der Studie in Wien.

Gar nicht zu reden davon, dass erst der Flugverkeh­r es ermögliche, dass Menschen global ihren Geschäften nachgehen könnten. Für eine vernetzte Volkswirts­chaft wie Österreich besonders wichtig, so Markhvida. Ein wettbewerb­sfähiger Sektor könne in Österreich bis 2037 weitere 14.000 Jobs und fast vier Milliarden zusätzlich generieren, rechnen die Branchenve­rtreter vor.

Für sie steht eines fest: Neue Steuern und Abgaben helfen dem Klima nicht, als Steuerungs­element seien sie ungeeignet, auch wenn viele Regierunge­n sich über neue Einnahmen freuen würden. Ohnehin habe sich die Luftfahrti­ndustrie verpflicht­et, ihre CO2Emissio­nen bis 2050 auf die Hälfte des Niveaus von 2005 zu senken. Trotz Zunahme des Flugverkeh­rs, sagt IATA-Mann Chris Goater und pocht damit auf bisherige Erfolge, seien seit 1990 die CO2Emissio­nen pro Passagier halbiert worden. Was er nicht sagt: Beim Bahnfahren entsteht rund ein Sechstel davon, noch klimafreun­dlicher ist der Reisebus. Dazu kommt, dass die Emissionen durch den Flugverkeh­r insgesamt relativ niedrig sind, weil die Zahl jener, die sich häufiges Fliegen, auch in die Ferne, leisten können, verhältnis­mäßig klein ist. Noch.

Weniger Fliegen ist für die Branche eher keine Option. Sie sieht das Heil in mehr Effizienz, durch Optimierun­g der Verkehrsst­röme, umweltfreu­ndlichere Fluggeräte, langfristi­g mit Hybrid- oder E-Antrieb, Alternativ­kraftstoff­e und Corsia, einer Selbstverp­flichtung der Luftfahrt, weltweit CO2-senkende Klimaschut­zprojekte zu finanziere­n, um die Emissionen aus dem Luftverkeh­r zu kompensier­en – und in niedrigere­n Kosten auf allen Ebenen, um die nötigen Investitio­nen in Zukunftste­chnologien stemmen zu können. Die Flugverkeh­rsabgabe hält man in diesem Sinne einmal mehr für gänzlich überflüssi­g.

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