Ein Brexit-Deal muss her
it dem Sprechchor „Schämt euch!“bedachte die Opposition des Londoner Unterhauses Dienstagnacht die konservative Regierungsfraktion. Premier Boris Johnson hat die Prorogation – eine kurze Pause im Parlamentsrhythmus – zweckentfremdet und aus einer kleinen Atempause eine lange Zwangspause gemacht, mitten in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.
In vier Sitzungstagen hat das Unterhaus Johnson im Gegenzug sechs Niederlagen beigebracht, dabei zweimal seine Forderung nach einer Neuwahl abgelehnt. Fünf Wochen lang muss das Parlament nun zwangsweise pausieren. Liberaldemokraten, Labour und Tories veranstalten unterdessen ihre alljährlichen Parteitage und sammeln eifrig Geld. Denn bald – wohl noch in diesem Jahr – kommt ein Wahlkampf. Darauf zielt Johnsons Handeln ab: Er will möglichst viele Brexit-Anhänger um sich scharen und mit eigener Mehrheit regieren. Das dürfte besser gelingen, wenn der EU-Austritt auch wirklich vollzogen ist. Unter umgekehrten Vorzeichen gilt dies auch für Labour: Nur wenn das unbequeme Thema Europa gelöst ist, können die Sozialdemokraten mit ihren Themen durchdringen.
Ein Deal liegt auf dem Tisch. Johnson sollte ihn, vielleicht geringfügig verändert, dem Parlament erneut vorlegen. Andernfalls verlässt das Land die EU ohne Vereinbarung. Dann würden die Bürger ihren politisch Verantwortlichen „Schämt euch!“zurufen.