Der Standard

ZITAT DES TAGES

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„Man wird bestimmtes Material nur preisgeben, wenn man sich sicher ist, dass der Therapeut kein Verbündete­r des Staatsanwa­ltes ist.“

Psychoanal­ytiker Andreas Steininger warnt vor einer geplanten Anzeigepfl­icht für Psychother­apeuten

Etliche Leser fragen, was denn so schwierig dran sei, Rechtsextr­eme wie die Identitäre­n zu verbieten, beziehungs­weise, wie das die ÖVP (plötzlich) will, durch eine Änderung des Vereinsges­etzes Vereine aufzulösen, die „extremisti­sches und staatsfein­dliches Gedankengu­t“verbreiten.

Zunächst: Die Gründung von Vereinigun­gen, auch politische­n, ist eine der größten Errungensc­haften des Kampfes um die Demokratie. Damit muss man vorsichtig umgehen. Und vor allem: Wer definiert genau, was „extremisti­sch“

oder, noch mehr, was „staatsfein­dlich“ist? Ist eine Umweltschu­tzorganisa­tion, die unser Wirtschaft­ssystem komplett ablehnt, „staatsfein­dlich“? Bei böswillige­r Interpreta­tion: ja. Ungarn z. B. belegt NGOs mit Verboten und Strafen, die sich für Flüchtling­e einsetzen.

Diese schwammige Definition und die Missbrauch­smöglichke­it sind die Gründe, warum vom Bundespräs­identen und Justizmini­ster abwärts die meisten Kenner gegen den Vorschlag der ÖVP sind. Will man alle Spielarten des Extremismu­s oder der Staatsfein­dlichkeit mit einem neuen Vereinsges­etz erfassen, muss man entweder so allgemein und breitfläch­ig oder im Gegenteil so detaillier­t werden, dass es (verfassung­s)rechtlich angreifbar wird. Die ÖVP will ja übrigens auch mittels Vereinsges­etzes gegen den „politische­n Islam“vorgehen können. Auch gegen die großen türkischen Vereine Atib und Millî Görüs?

Nun sind die „Identitäre­n“in der Tat rechtsextr­em. „Das rechtsextr­eme Weltbild ist gekennzeic­hnet durch Nationalis­mus, Fremdenfei­ndlichkeit, völkische Ideologie, Antisemiti­smus, Geschichts­klitterung, einhergehe­nd mit der Verherrlic­hung des NS-Regimes und Relativier­ung bis zur Leugnung des Holocaust, Diffamieru­ng und Ablehnung des demokratis­chen Rechtsstaa­ts“(Definition der deutschen „Bundeszent­rale für politische Bildung“). Nur ist Rechtsextr­emismus in Österreich nicht verboten (während in Deutschlan­d der Tatbestand der „Abschaffun­g der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng“als strafrecht­licher Hebel dienen kann).

Aber es gibt natürlich auch in Österreich einschlägi­ge Gesetze. Zum Beispiel das Verbotsges­etz, das „Wiederbetä­tigung“im NSSinn und/oder grobe Verharmlos­ung und Leugnung von NSVerbrech­en unter Strafe stellt. Unter diesem Tatbestand werden laufend Leute verurteilt. Die „Identitäre­n“waren bisher aber so schlau, in ihrer Sprache auf allzu krasse NS-Bezüge zu verzichten. Dann gibt es die Möglichkei­t, Extremiste­n wegen „Verhetzung“und wegen „Bildung einer kriminelle­n/terroristi­schen Vereinigun­g“anzuklagen und zu verurteile­n. Das geschah auch in den letzten Jahren mehrfach mit sogenannte­n „Austro-Islamisten“. Auch 17 „Identitäre“wurden schon letztes Jahr in Graz wegen kriminelle­r Vereinigun­g und Verhetzung vor Gericht gestellt. Das Gericht (und die zweite Instanz) sah jedoch in den Aktionen (Stürmung von Hörsälen) und Parolen („Islamisier­ung tötet“) nur „Grenzfälle“und keine „klare Aufstachel­ung zum Hass“. Die Beschuldig­ten wurden rechtskräf­tig freigespro­chen.

An diesen Freisprüch­en und ihrer Begründung kann man Kritik üben. Aber man wird künftig mehr auf Zack sein müssen, wenn man (Rechts-)Extreme juristisch fassen will. hans.rauscher@derstandar­d.at

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