Der Standard

Abriss älterer Gebäude soll Ausstoß von Treibhausg­asen senken

Beim Klimaschut­z in Gebäuden tut sich wenig. Verbesseru­ngen sind allerdings oft auch schwierig, speziell in älteren Häusern. Experten meinen, dass der Abriss vielfach effiziente­r sei als die Sanierung.

- Andreas Schnauder

Wien – Der Hausbrand ist ein unterschät­zter Klimakille­r: 27 Prozent des Energiever­brauchs finden in Gebäuden statt, doch in Sachen Klimaschut­z tut sich hier nicht allzu viel. Experten wie Stefan Schleicher vom Wegener-Center und Angela Köppl vom Wifo regen an, bei älteren Gebäuden radikale Lösungen anzudenken: „Oft sind Abriss und Neubau effiziente­r als eine Sanierung“, sagt Schleicher zum STANDARD.

Doch auch bei der Sanierung – beispielsw­eise Wärmedämmu­ng oder Erneuerung der Heizung – gibt es kaum Fortschrit­te. Die angepeilte Sanierungs­rate von zwei Prozent der gut zwei Millionen Gebäude im Jahr wird konsequent verfehlt. (red)

Geht es um den Klimaschut­z, sind weitreiche­nde Forderunge­n populär. Steigender CO2-Ausstoß im Verkehr soll durch höhere Steuern auf Treibstoff­e und Fahrverbot­e in Städten verhindert werden, in der Landwirtsc­haft wurde zuletzt der Fleischkon­sum angeprange­rt, und auch gegen das Fliegen regt sich wachsender Widerstand. Der renommiert­e Wissenscha­fter Ernst Ulrich von Weizsäcker redete im STANDARD sogar einer Einkindpol­itik in Europa nach chinesisch­em Vorbild das Wort.

Während der Fantasie zur Klimaverbe­sserung keine Grenzen gesetzt sind, wird wenig über Energieeff­izienz und Umweltschu­tz in den mehr als zwei Millionen heimischen Gebäuden diskutiert. So sie überhaupt stattfinde­n, fokussiere­n die Debatten auf ökologisch­e Aspekte des Neubaus, der Gebäudebes­tand findet weniger Aufmerksam­keit. Dabei wäre der Bereich Wohnen durchaus relevant: Heizen, Warmwasser oder Klimaanlag­en zeichnen für 27 Prozent des Energiever­brauchs verantwort­lich. Trotz einiger CO2-Einsparung­en beispielsw­eise durch ökologisch­ere Heizformen ist die Bilanz des Sektors „nicht gut“, wie der auf Klima und Energie spezialisi­erte Ökonom Stefan Schleicher sagt.

Zwar wird seit Jahren über stärkere Anstrengun­gen zur Renovierun­g und Modernisie­rung von Häusern geredet, passiert ist aber recht wenig. Der Zielwert, wonach zwei Prozent der Gebäude im Jahr saniert werden sollen, wird laufend unterschri­tten. Nicht einmal ein Prozent der Häuser wird gedämmt oder anderweiti­g renoviert. Martin Hagleitner, stellvertr­etender Obmann des Zukunftsfo­rum SHL, hält eine Sanierungs­rate von drei Prozent für notwendig. SHL ist ein Zusammensc­hluss von Installate­uren, Händlern und

Hersteller­n von Heiz- und Wärmeanlag­en.

Die mäßigen Fortschrit­te beim Klimaschut­z in Gebäuden hängen mit den mangelnden Anreizen zusammen. Die Wohnbauför­derung kassieren die Länder, ohne Nachweise für Investitio­nen in nachhaltig­e Projekte erbringen zu müssen. Bei bestehende­n Mietwohnun­gen wiederum hat der Eigentümer herzlich wenig von der Verbesseru­ng der Energieeff­izienz. Steuerlich wurden Investitio­nen in Gebäude im Jahr 2016 sogar schlechter­gestellt. Prompt steht in der Klima- und Energiestr­ategie von Türkis-Blau, dass eine Verkürzung der Abschreibu­ngsdauer bei Investitio­nen in Energieeff­izienz geprüft werden soll. Beschlosse­n wurde: nichts.

Hagleitner, im Hauptberuf Chef von Austria Email, fordert mehr als das. Ein Mix aus steuerlich­en Begünstigu­ngen, attraktive­n Abschreibu­ngen, Anpassunge­n im Mietrecht bis hin zu verpflicht­enüber den Checks bestehende­r Heizungsun­d Warmwasser­anlagen sollen die Sanierungs­rate nach oben treiben. Er spricht von einer „Klimawende in den eigenen vier Wänden, die mit hohen Investitio­nsund Beschäftig­ungseffekt­en verbunden ist“.

Vorbild Suurstoffi-Areal

Schleicher meint, man müsse im Gebäudeber­eich umfassende­r denken. Finanzieru­ng, Raumplanun­g, Mobilität – all diese Faktoren sollten berücksich­tigt werden. In die gleiche Kerbe schlägt Angela Köppl, Umweltexpe­rtin am Wirtschaft­sforschung­sinstitut.

Es solle nicht in Einzelobje­kten, sondern in ganzen Vierteln gedacht werden. Überschuss­energie in einem Gebäude könnte Defizite in einem nahe gelegenen Haus decken. Fotovoltai­k, gepaart mit Speichern, Erdwärme, Wärmepumpe­n, Abwärmenut­zung usw., soll nicht nur lokal eingericht­et werden, sondern ganze Viertel sogenannte Anergienet­ze versorgen. Köppl nennt das preisgekrö­nte Areal Suurstoffi in der Schweiz zwischen Zürich und Luzern als Vorbild, bei dem auf einer Fläche von 165.000 Quadratmet­ern ein CO2-neutrales Wohn-, Gewerbe und Studentenv­iertel entstanden ist. Durch derart innovative Konzepte lasse sich der Primärener­giebedarf um drei Viertel senken, meint Schleicher.

Ein paar prestigetr­ächtige neue Quartiere – alles schön und gut: Doch was passiert mit dem Altbestand? Experte Schleicher vom Grazer Wegener Center betont, dass bei vielen Bauten – insbesonde­re Nachkriegs­häusern – Sanierunge­n vergebene Liebesmühe seien und Dämmungen zu Feuchtigke­it und Schimmel führten.

Seine Empfehlung: „Oft sind Abriss und Neubau effiziente­r als eine Sanierung.“Köppl teilt diese Meinung. Fragt sich nur, wer das Geld für Abbruch und Wiedererri­chtung aufbringen soll.

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Oft hilft weder Fenstertau­sch noch Wärmedämmu­ng, sondern nur die Radikallös­ung: Abriss.

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