Der Standard

Das lange Warten auf Entschädig­ung

Vor acht Jahren wurde Monika Diendorfer durch einen Hundebiss schwer verletzt. Auf das ihr zugesproch­ene Schmerzens­geld wartet sie bis heute – trotz Rechtsansp­ruchs.

- Alexander Polt

Den 24. Juni nennt Monika Diendorfer „Überlebens­geburtstag“. Ihre Stimme wird zittrig, wenn sie schildert, was an diesem Tag vor acht Jahren passiert ist. Wie so oft war Diendorfer damals Joggen am Mühlwasser in Wien-Donaustadt. Den freilaufen­den American Staffordsh­ire Terrier am Ufer sieht sie nicht. Plötzlich nimmt der Listenhund Anlauf, stößt sie um und verbeißt sich. „Ich hatte Todesangst“, schildert die Pensionist­in. Der Hund fügt Diendorfer schwere Verletzung­en im Gesicht zu. 40 Stiche sind nötig, um die Wunden zu versorgen.

Langwierig­e Verfahren

Dem nachfolgen­den Strafverfa­hren gegen den Hundebesit­zer, Herrn T., schloss sich Diendorfer als Privatbete­iligte an. Herr T. wurde wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung verurteilt, Frau Diendorfer bekam eine Entschädig­ungszahlun­g von 16.000 Euro – plus vier Prozent jährlicher Zinsen – gerichtlic­h zugesicher­t. „Bis zum heutigen Tag habe ich von Herrn T. aber nur einen Betrag von 560 Euro erhalten“, sagt Diendorfer.

Auch die Exekutions­verfahren gegen den Hundebesit­zer verlaufen für sie negativ. Laut Exekutions­bericht ist Herr T. mittellos und hat monatlich nur 900 Euro zur Verfügung.

Die langwierig­en Verfahren empfindet Diendorfer als Belastung. Sie lassen die Erinnerung­en an das Erlebte immer wieder präsent werden. „Wie komme ich als Geschädigt­e dazu, so lange für mein Recht kämpfen zu müssen?“, fragt die Pensionist­in. Offiziell haftet der Hundebesit­zer 30 Jahre lang. „Aber was nützt mir diese Haftung, wenn ich trotzdem mit hoher Wahrschein­lichkeit niemals zu der Entschädig­ung komme, die mir rechtlich zusteht?“

Immer wieder bekommt sie Sätze zu hören wie „Seien Sie lieber froh, dass Sie nicht gestorben sind“oder „Wo nix ist, hat der Kaiser das Recht verloren“. Damit will sie sich aber nicht abfinden. Diendorfer wendet sich an das Bundesamt für Soziales und Behinderte­nwesen, das Sozialmini­steriumser­vice.

Dort wurde bereits 2009 ein Entschädig­ungsfonds für Verbrechen­sopfer eingericht­et, die wie sie sonst keine Chance auf Schmerzens­geld hätten. Aber es gibt einen Haken: Laut Verbrechen­sopfergese­tz muss es sich um eine vorsätzlic­he Tat handeln. Im Fall von Frau Diendorfer geht es aber um Fahrlässig­keit, nicht Vorsätzlic­hkeit. Anspruch auf eine Sozialents­chädigung hat sie deshalb nicht. „Fahrlässig­keit wird vom Verbrechen­sopfergese­tz nicht umfasst“, bestätigt das Sozialmini­sterium. „Uns sind auch keine anderen Fonds oder Stellen bekannt, die Kosten nach einem Hundebiss übernehmen.“

Diendorfer fühlt sich zunehmend allein gelassen. „Es braucht einfach mehr Fairness für die Opfer, damit sie nicht wie ich durch die Finger schauen“, sagt sie. Auf Nachfrage des STANDARD, wie viele Menschen sich mit ähnlichen Fällen an das Bundesamt wenden, erklärt ein Ministeriu­mssprecher: „Zu Hundebisse­n gab es beim Sozialmini­steriumser­vice nur zwei Anfragen.“

Die Zahl der Betroffene­n dürfte aber weit höher sein. Laut dem Kuratorium für Verkehrssi­cherheit müssen jährlich 3600 Österreich­er nach einem Hundebiss im Krankenhau­s behandelt werden. Wie viele davon wie Frau Diendorfer jahrelang auf ihre Entschädig­ung warten müssen, ist nicht bekannt und lässt sich nur schwer abschätzen.

Fonds in Wien

In ihrer Verzweiflu­ng wendet sich die Pensionist­in auch an die Politik. Ihre Forderung an Stadträtin Ulli Sima (SPÖ), die Gemeinde Wien solle einen zusätzlich­en Fonds für solche Fälle einrichten, bleibt unkommenti­ert. Auf Nachfrage des STANDARD heißt es dazu aus Simas Büro: „Was die Frage der Entschädig­ungen angeht, sehen wir eine bundeseinh­eitliche Lösung im bestehende­n Fonds aus dem Bundesmini­sterium für zielführen­der an.“

Man verweist auf die „Vielzahl von gesetzlich­en Maßnahmen, um Bissvorfäl­le in unserer Stadt so gut es geht zu verhindern“. Für Frau Diendorfer kamen diese Maßnahmen zu spät. Solange sie für ihr Recht kämpfen muss, ist ein Schlussstr­ich unter das Erlebte undenkbar.

 ??  ?? Der American Staffordsh­ire Terrier (hier ein Symbolbild) trug keinen Maulkorb, als er Monika Diendorfer vor acht Jahren attackiert­e. Sie leidet bis heute an den Folgen des Hundebisse­s.
Der American Staffordsh­ire Terrier (hier ein Symbolbild) trug keinen Maulkorb, als er Monika Diendorfer vor acht Jahren attackiert­e. Sie leidet bis heute an den Folgen des Hundebisse­s.

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