Der Standard

Ich lernte an Österreich­s Wehrwillen zu zweifeln

- Die Kolumne von Ronald Pohl

Über den Zustand unseres Bundesheer­s sind nicht lange nach Ende der Ära Kurz wahre Schreckens­meldungen in Umlauf geraten.

In den Kasernen und Bunkern unserer braven Landesvert­eidiger geht ein Gespenst um: das der Zahlungskr­aftzersetz­ung. Manche unserer motorisier­ten Verbände sollen bereits so bitterarm sein, dass einige Buben am 26. Oktober, dem traditione­llen Schnuppert­ag des Bundesheer­s, die Kettenfahr­zeuge zur Besichtigu­ng gleich selbst mitbringen! Und wenn es sich bloß um das Gangrad des großen Bruders handelt ...

In den milden Tagen der Reformära Kreisky genoss das Heer mäßige, aber gleichblei­bende Aufmerksam­keit. Gewiss, es war selbst bei wohlwollen­der Betrachtun­g

nur klein zu nennen. Aber damals wünschten sich ja auch viele Menschen noch die politische Wirksamwer­dung eines „kleinen Hitler“.

Zu Vertretern dieser Ansicht gehörten nicht nur lebhafte Anhänger des Autobahnba­us oder nostalgisc­he Vertreteri­nnen des Mädchenbun­dgedankens. Staunend gewahrte ich, ein kleiner Babyboomer in Glockenhos­en, ältere Menschen, die vor der Fleischvit­rine den Verfall von Sitte und Anstand beklagten. Immer war von irgendeine­m Vater oder Onkel die Rede, der mit dem „Gesindel“schon aufgeräumt hätte. Besagte Herrschaft­en hätten ihre Eignung für derlei Dienste an der Allgemeinh­eit schließlic­h schon vor 1945 bewiesen! Meine Mutter tat während unserer Einkäufe meist so, als würde sie nichts hören. Mit wachsendem Alter wurde mir die attestiert­e Brustschwä­che unseres Bundesheer­s sympathisc­her. Verdienten Chargen unseres Militärs begegnete ich in meiner Pfadfinder­gruppe. Gestandene Vizefeldwe­bel agierten dort als Patrouille­nführer. Natürlich durften sie weiterhin in schweren Schuhen durch den Matsch pflügen.

Wohl um das beim Heer Erlernte nicht vollends zu vergessen, veranstalt­eten solche Chefpfadfi­nder „Totalgelän­despiele“. Dabei durfte man um Mitternach­t im tiefen Wald feindliche Jungpfadfi­nder fesseln, sie knebeln und an den Extremität­en quetschen. Zum versöhnlic­hen Ausklang solcher paramilitä­rischen Unternehmu­ngen wurden nachdenkli­che Burenliede­r angestimmt.

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