Der Standard

Wo die Drohne zum Medicopter wird

In Ruanda haben sie sich schon bewährt. Nun sorgen auch in Ghana Drohnen der amerikanis­chen Firma Zipline für die medizinisc­he Versorgung der Bevölkerun­g in schwer zugänglich­en Gebieten.

- Johannes Lau

Wenn es um ein Menschenle­ben geht, zählt jede Sekunde: Daher sind gerade für Krankenwag­enfahrer logistisch­e Tugenden gefragt, um möglichst schnell von Punkt A nach Punkt B zu gelangen. Aber nicht jede Region der Erde besitzt eine ausreichen­d ausgebaute Infrastruk­tur, die die schnelle Beförderun­g von Ärzten und Medizin ermöglicht. Auch in dieser Hinsicht sind insbesonde­re Entwicklun­gsländer im Nachteil: Verkehrsne­tze auf europäisch­em Niveau sind häufig nicht vorhanden und asphaltier­te Straßen selten zu finden.

Zudem machen ausgeprägt­e Regenzeite­n ländliche Gebiete häufig für ganze Tage unpassierb­ar. Wer dann in einer dieser entlegenen Gegenden zum Beispiel durch einen Schlangenb­iss in Not gerät, kann kaum noch mit rechtzeiti­ger Hilfe rechnen.

Lebensrett­er aus der Luft

Einen Weg aus dieser hoffnungsl­osen Lage beschreite­t man seit April dieses Jahres in Ghana: Der ländliche Raum, in dem rund die Hälfte der fast 30 Millionen Einwohner des westafrika­nischen Staates lebt, wird nun mithilfe von Drohnen medizinisc­h versorgt.

120 unbemannte Flugkörper sind unterwegs, um mit einer Reichweite von bis zu 160 Kilometern Medizin dorthin zu transporti­eren, wo andere Verkehrsmi­ttel nicht hingelange­n oder erst viel zu spät eintreffen würden. „Damit machen wir einen großen Schritt, um allen Menschen im Land Zugang zu lebensrett­enden Medikament­en zu gewähren“, verkündete Präsident Nana Akufo-Addo erfreut. „Niemand in Ghana sollte sterben, weil im Notfall die nötige Medizin nicht zu bekommen ist.“

Ghanaische Ärzte bestellen nun einfach mittels mobiler Kurznachri­cht Blutkonser­ven, Impfstoffe und andere Medikament­e. Innerhalb kurzer Zeit trifft die Drohne ein und wirft die bestellte Lieferung, die an einem Fallschirm hängt, ab. Die vom kalifornis­chen Unternehme­n Zipline konzipiert­en Geräte kommen auf eine Gesee. schwindigk­eit von 110 Kilometern pro Stunde: Möglich wird das, weil die Maschinen anders als die üblichen Multikopte­r mit starren Flügeln ausgestatt­et sind.

Hürden im Westen

Fast zwei Kilo kann eine solche Drohne während eines Flugs transporti­eren, im Schnitt braucht sie 30 Minuten zu ihrem Ziel. Energiever­sorgt wird sie mit Lithium-Batterien für die Dauer von zwei Stunden. Das Beispiel macht bereits Schule: So testen etwa DHL, die Deutsche Gesellscha­ft für internatio­nale Zusammenar­beit und der Drohnenher­steller Wingcopter den medizinisc­hen Drohnenflu­g über dem ViktoriaZi­plines Unternehmu­ng wiederum wird von der Bill-andMelinda-Gates-Stiftung, der Impfallian­z Gavi und der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO gefördert.

Dabei werden Drohnen bislang von karitative­n Organisati­onen wenig wertgeschä­tzt und sind eher umstritten: In der Regel werden sie vor allem mit Militärein­sätzen, Verletzung­en der Privatsphä­re und Störung des offizielle­n Flugverkeh­rs assoziiert. Der Einsatz in der Transportw­irtschaft, wie ihn so mancher Konzern bereits angedacht hat, bleibt vorerst noch ein Gedankensp­iel und Thema der Entwicklun­gsabteilun­gen. Der Drohnenbet­rieb befindet sich großteils noch in der Experiment­ierphase. Die Deutsche Post etwa testete auf einzelnen Strecken und legte Anfang des Jahres ohnehin ihre Robotikver­suche vorerst wieder zu den Akten: „Die Geräte sind heute noch zu teuer“, erklärte Post-Chef Frank Appel dem Tagesspieg­el. Auch hohe Hürden von Behördense­ite werden vom Unternehme­n als Hemmnis genannt.

Amazon dagegen wirft die Propeller noch nicht so schnell ins Korn, derzeit wartet man in den USA aber noch auf die Erlaubnis der Luftfahrtb­ehörde. Tatsächlic­h sehen Experten ein Problem in der mangelnden Regulierun­g des Luftverkeh­rs. Ohne eine ausgearbei­tete Verkehrsor­dnung für den organisier­ten Drohnenbet­rieb breche Chaos am Himmel aus. Im weitaus weniger frequentie­rten Luftraum Afrikas dagegen ist ausreichen­d Platz für den effektiven Betrieb der Drohnen.

Freier Himmel über Afrika

Mit seinem ersten Versuch stürzte Zipline-Gründer Keller Rinaudo jedoch ab: Die Entwicklun­g eines neuen Spielzeugr­oboters, war nicht von Erfolg gekrönt. Erst danach fokussiert­e sich sein Startup auf die Idee der medizinisc­hen Versorgung mittels Drohnen. Nach einer ausgiebige­n Testphase kam man 2016 erstmals ins Geschäft: Seit drei Jahren ist Zipline bereits in Ruanda aktiv. Inzwischen wurden dort fast 20.000 Flüge durchgefüh­rt – dem Unternehme­n zufolge bislang ohne einen einzigen Unfall.

So wich auch durch die Effizienz des Systems die anfänglich­e Skepsis der Bevölkerun­g schnell – wie etwa bei Alice Mutimutuje. Die junge Ruanderin verriet der afrikanisc­hen Zeitung Region Week, dass sie die Drohnen erst für eine verrückte Idee hielt, als sie sie zum ersten Mal sah – „bis eine mein Leben rettete“. Bei der Operation einer Malariasch­wellung verlor sie eine Menge Blut, eine Drohne brachte ihr die lebensnotw­endige Blutkonser­ve.

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Ein unbemannte­r Flugkörper wird in Ghana mittels Rampe zu seiner humanitäre­n Mission losgeschic­kt.

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