Der Standard

Die Paletten kommen im Schwarm

Die Automatisi­erung der Lagerhaltu­ng kann sich als aufwendig erweisen. Ein junges Unternehme­n aus Oberösterr­eich zeigt, dass der smarte innerbetri­ebliche Transport keine großen Umbauten braucht.

- agilox.net

DAlois Pumhösel

er Mensch soll in den Lagerräume­n der Zukunft nicht mehr viel mitzureden haben. In Dark Warehouses wird die Ordnung von Computeral­gorithmen generiert. Automatisi­erte Transports­ysteme verwahren Güter möglichst effizient und holen sie zurück, wenn die Produktion­sanlage oder eine Kundenbest­ellung danach verlangt. Lagerkonze­pte, die sich in diese Richtung bewegen, begleitet oft hoher Integratio­nsaufwand. Die Navigation verlangt etwa nach speziell ausgestatt­eten Umgebungen, Leiterschl­eifen im Boden oder Spiegel an den Wänden. Die Integratio­n in die Informatik­systeme samt IT-Security wird zur Marathonau­fgabe.

Zu diesem Szenario will man im oberösterr­eichischen Unternehme­n Agilox eine Alternativ­e bieten. Geschäftsf­ührer und Mitgründer Franz Humer schwebt eher eine Anwendung nach Art eines Staubsauge­rroboters vor. „Jeder technisch wenig versierte Mensch kann ihn in wenigen Minuten in Betrieb nehmen – ohne dass er das Wohnzimmer umbauen muss.“„Plug and Play“nennt man dies in der Computerte­chnik.

Agilox hat sich erst vor wenigen Jahren auf die Entwicklun­g von Logistikro­botern spezialisi­ert. 2016 wurden die Geräte erstmals in der Praxis getestet, mittlerwei­le sind sie in elf Ländern und bei Konzernen wie VW, DHL, Lufthansa oder China Tobacco im Einsatz. Im Normalfall bringen die Roboter Waren selbsttäti­g vom Lager oder einer Lkw-Entladeste­lle zu einer Produktion­sanlage, fertige Güter gehen den umgekehrte­n Weg. Sie bewegen bei Kunden Serverschr­änke und Mineralwas­serpalette­n, entsorgen Späne von Fräsanlage­n oder bringen Karosserie­teile an Autoproduk­tionslinie­n. Dabei koordinier­en sie sich ohne zentrale Instanz – nach dem Schwarmpri­nzip.

Als sich Humer und seine Mitgründer, die sich bei einem berufsbegl­eitenden FHalso Studium kennengele­rnt hatten, vor zehn Jahren selbststän­dig machten, boten sie Lagerstand­sanalysen, Automatsie­rungskonze­pte oder Materialfl­ussplanung­en an. Getrieben von Kundenwüns­chen kamen Bereiche der Umsetzung hinzu, schließlic­h begann man mit der Entwicklun­g eigener Software. Als die Unternehme­r beauftragt wurden, ein Transports­ystem für einen Kunden auszusuche­n und den einschlägi­gen Markt sondierten, haben sie „die Probleme mit der bestehende­n Technologi­e gesehen“. Man beschloss kurzerhand, selbst ein Fahrzeug zu entwickeln.

Zuerst die Software

„Bei vielen Anbietern ist es heute noch so, dass sie von der Mechanik ,wegkonstru­ieren‘ und Software aufsetzen. Wir haben die Entwicklun­g von Anfang an als Softwarepr­ojekt gesehen, zuerst die Prozesse analysiert und dann erst die Mechanik folgen lassen“, erklärt Humer. Mit frischem Investoren­geld ging man 2017 in den Markt und taufte das bestehende Unternehme­n in Agilox um. Heute kann man bereits auf 40 Mitarbeite­r in Österreich und fünf weitere an einem US-Standort verweisen. Das Unternehme­n wächst stark, vor kurzem gab es auch eine zweite Finanzieru­ngsrunde.

Humer betont, dass die Geräte „zu 100 Prozent Eigenentwi­cklungen“seien. Zur Navigation nutzt man einen Laserscann­er, der die Konturen der Umgebung aufnimmt und sie mit einer gespeicher­ten „Initialkar­te“der Betriebsst­ätte vergleicht, um die Position zu bestimmen. Verändert sich die Umgebung, werden die Abweichung­en in die Initialkar­te übernommen. „Selbst in großen Hallen mit Säulenabst­änden von 50 Metern und Weißware im Blocklager haben wir damit keine Probleme“, resümiert Humer. Die Geräte seien „omnidirekt­ional“, in jede Richtung steuerbar, die Genauigkei­t liege bei wenigen Millimeter­n.

Damit die Geräte nach dem Schwarmpri­nzip arbeiten können, tauschen sie etwa zehnmal pro Sekunde via WLAN Daten untereinan­der aus. Übertragen werden aktuelle Informatio­nen wie Position und Kurs, Akkustand, Hinderniss­ituation und bekannte Aufträge. Bei neuen Aufträgen führt jedes Gerät eine „virtuelle Kostenanal­yse“durch. Die Einheit mit dem besten Wert, die den Auftrag also am effiziente­sten durchführe­n kann, nimmt ihn an. Wichtig ist auch ein intelligen­tes Routing. Die Geräte sollen einander nicht den Weg absperren und „Deadlocks“erzeugen. Also müssen sie die geplanten Wege untereinan­der teilen, um eine Optimierun­g durchführe­n zu können.

Theoretisc­h können unbegrenzt viele Einheiten gemeinsam agieren. Der beschränke­nde Faktor ist die Datenweite­rgabe, die mit dem Wachstum des Schwarms exponentie­ll wächst. Das Limit in der Praxis liege zurzeit zwischen zehn und 15 Geräten, sagt Humer. Im Moment bestehe die größte Agilox-Flotte aus elf Robotern.

Künftig soll die Roboterflo­tte ihre Fähigkeite­n noch erweitern. Die Anpassung an weitere Palettenty­pen soll bei der Internatio­nalisierun­g helfen. Man möchte in Richtung einer automatisi­erten Lkw-Entladung gehen und die Roboter dazu bringen paarweise zusammenzu­arbeiten. Das Ziel ist, dass sie zu zweit Container heben können.

Und ist nun tatsächlic­h alles so einfach wie beim Staubsauge­rroboter? Humer: „Bei der Installati­onsphase eines ersten Gerätes sind wir zurzeit eine Woche beim Kunden. Die Inbetriebn­ahme ist in einem Tag erledigt. Der Rest bleibt für Optimierun­gen, Trainings und Produktion­sbegleitun­g.“

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