Der Standard

Rendi-Wagner: Koalition mit Kurz, um FPÖ zu verhindern

SPÖ-Chefin hält Zusammenar­beit mit allen außer den Freiheitli­chen für möglich

- INTERVIEW: Katharina Mittelstae­dt PAMELA RENDI-WAGNER (48) ist seit Ende 2018 Chefin der SPÖ.

Wien – SPÖ-Chefin Pamela RendiWagne­r zeigt sich im STANDARDIn­terview für fast alle Koalitions­varianten bereit: „Ich schließe nur die FPÖ als Partner aus. Bei allen anderen Parteien kommt es auf Inhalte und Programme an. Wenn beides passt, warum nicht?“Sie sehe das pragmatisc­h, betont Rendi-Wagner: „Befindlich­keiten sind für mich kein Thema, und das erwarte ich auch von allen anderen.“

Darüber hinaus sehe sie es als ihre Aufgabe, die Freiheitli­chen in einer neuerliche­n Regierungs­konstellat­ion zu verhindern. Auch aus diesem Grund müsse die SPÖ gestärkt werden und in der nächsten Regierung sitzen, ist Rendi-Wagner überzeugt. „Ich kämpfe um den ersten Platz“, bekräftigt die SPÖ-Chefin.

Ob die rote Basis im Fall einer Koalitions­bildung eingebunde­n würde oder wie bei der SPD in Deutschlan­d im Jahr 2018 sogar über einen Koalitions­vertrag abstimmen dürfte, hält sie sich offen. „Das werden wir noch diskutiere­n“, sagt Rendi-Wagner.

Bei klimapolit­ischen Maßnahmen sei ihr wichtig, dass auch soziale Aspekte bedacht werden. Die Ansätze der Grünen könne sie diesbezügl­ich nicht beurteilen, da die Partei „kein Detailkonz­ept“vorgelegt habe.

Darüber hinaus spricht sie über ihre Rolle als erste weibliche SPÖChefin: Als Frau habe man es in Führungsfu­nktionen schwerer als männliche Kollegen, sagt RendiWagne­r. „Entscheidu­ngen von Frauen werden anfangs lieber vier Mal hinterfrag­t.“Das sei in anderen Berufen nicht anders als in der Politik und auch in der SPÖ. „Besonders ausgeprägt ist in der Politik aber das Phänomen, dass Männer einem die Welt erklären wollen.“(red)

Die Parlaments­container auf dem Heldenplat­z, in denen die Klubs während des großen Umbaus des Hohen Hauses weilen, sind nicht besonders schick. Teppichbod­en, Plastikwän­de, es riecht nach Mittagesse­n. Das Büro der SPÖ-Vorsitzend­en, in das sie den STANDARD für das Interview lädt, ist spartanisc­h eingericht­et. Die Wand ziert ein einziges Bild. Toyo Puzzle von Oliver Dorfer hing bereits über dem Schreibtis­ch von Pamela Rendi-Wagner, als sie noch als Spitzenbea­mtin im Gesundheit­sministeri­um arbeitete – und kein Parteibuch besaß. Zwei Jahre nach ihrem Eintritt übernahm sie die SPÖ bereits.

STANDARD: Haben Sie sich in Ihrem Leben eigentlich schon einmal ein Ziel gesteckt, das Sie nicht erreicht haben?

Rendi-Wagner: Ich habe mir schon vor langer Zeit vorgenomme­n, irgendwann singen zu lernen. Das habe ich bis jetzt nicht, und ich befürchte, ich werde dieses Ziel auch nicht erreichen. Angeblich kann ja jeder singen, aber irgendwie traue ich mich nicht darüber.

STANDARD: Ich frage, weil Sie im Wahlkampf laufend betonen, Erste werden zu wollen. Auch das könnte schwierig werden.

Rendi-Wagner: Ich habe auch nie gesagt, dass es einfach wird. Ich sage, es ist möglich. In den letzten Tagen und Wochen spüre ich eine wachsende Zustimmung.

STANDARD: Sie sagen auch, dass Opposition Mist ist. Das wird als Ansage in Richtung Türkis-Rot gedeutet. Meinen Sie das so?

Rendi-Wagner: Ich kämpfe um den ersten Platz. Ich bin der festen Überzeugun­g, dass Österreich es besser kann als in den letzten 18 Monaten, und dazu braucht es ein starkes Österreich im sozialen, wirtschaft­lichen und ökologisch­en Bereich. Die einzige Partei, die diesen Mix mitbringt, ist die Sozialdemo­kratie. Deshalb gehören wir wieder auf die Regierungs­bank.

STANDARD: In einer Koalition mit der ÖVP?

Rendi-Wagner: Ich schließe nur die FPÖ als Partner aus. Bei allen anderen Parteien kommt es auf Inhalte und Programm an, wenn beides passt, warum nicht? Ich bin da pragmatisc­h. Befindlich­keiten sind für mich kein Thema, und das erwarte ich auch von allen anderen. Klar ist auch, dass die Sozialdemo­kratie verhindern muss, dass die Rechten noch einmal an den Hebeln der Macht sitzen. Ich schließe die FPÖ als Partner nicht nur für uns kategorisc­h aus, ich sehe es auch als meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Freiheitli­chen nicht noch einmal mitregiere­n. Auch deshalb muss die SPÖ bei der Wahl gestärkt werden und in der nächsten Regierung sitzen.

STANDARD: Eine Koalition ohne FPÖ wäre auch mit ÖVP, Grünen und Neos denkbar.

Rendi-Wagner: In dieser Konstellat­ion würde aber die soziale Frage zu kurz kommen. Die Grünen beschweren sich ja beim Klimathema immer, dass wir den sozialen Aspekt zu stark in den Vordergrun­d rücken. Die Neos sind in Wahrheit eine junge, urbane ÖVP. Machen wir uns nichts vor, in dieser Koalition würden die Themen des Alltags der meisten Menschen in Österreich wenig Beachtung finden. Österreich war immer dann am stärksten, wenn wir für sozialen Ausgleich gesorgt haben.

STANDARD: Würden Sie die SPÖ-Basis über einen Koalitions­vertrag abstimmen lassen?

Rendi-Wagner: Das werden wir noch diskutiere­n. Derzeit ist es so vorgesehen, dass die Gremien solche Entscheidu­ngen treffen, aber natürlich ist es auch eine Möglichkei­t, die Basis stärker einzubinde­n.

STANDARD: Die Wahlforsch­ung zeigt, dass die SPÖ Wechselwäh­ler im großen Ausmaß nur von den Grünen locken kann. Warum sollten Grünen-Sympathisa­nten Sie und Ihre Klimapolit­ik wählen?

Rendi-Wagner: Ich will nicht eine bestimmte Wählergrup­pe ansprechen, sondern alle Österreich­er. Klimapolit­ik ist wichtig und könnte dringliche­r nicht sein, aber es gibt auch viele andere Politikber­eiche, die man nicht übersehen darf. Ich stehe für einen offensiven Ausbau von ganztägige­r Betreuung in Kindergärt­en und Schulen. Die Lohnschere muss durch konsequent­e Einkommens­transparen­z endlich geschlosse­n werden. Ich stehe für eine sichere Gesundheit­sversorgun­g für alle, unabhängig davon, wie groß die Brieftasch­e ist. Ich will Arbeitnehm­er mit einem Mindestloh­n von 1700 Euro stärken.

STANDARD: In Klimafrage­n wird Ihnen vorgeworfe­n, dass Sie nur populäre Halblösung­en anbieten. Warum trauen Sie sich nicht über eine nationale CO2-Steuer?

Rendi-Wagner: Ich bin für eine flächendec­kende Lkw-Maut auf allen Straßen Österreich­s. Darüber hinaus fordere ich eine CO2Steuer auf internatio­naler Ebene für die großen Klimaversc­hmutzer der Schwerindu­strie und der Energiewir­tschaft, die mehr als 50 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes produziere­n. Klimapolit­ik auf dem Rücken derer zu machen, die auf ihr Auto angewiesen sind, um in die Arbeit zu kommen, wäre eindimensi­onal.

STANDARD: Verfolgen die Grünen eine eindimensi­onale Klimapolit­ik?

Rendi-Wagner: Es liegt in Wahrheit kein Detailkonz­ept der Grünen vor.

STANDARD: Ihre Forderung, dass Schnitzel nicht zum Luxus werden dürfen, klingt nach einem Versuch, in blaue Wählersegm­ente vorzudring­en.

Rendi-Wagner: Das sage ich, weil es nicht mutig wäre, nur die Konsumente­n in die Pflicht zu nehmen, die ohnehin schon wenig haben. Alle, die es sich leisten können, würden weiterhin ihr Steak essen.

STANDARD: Sie sind Medizineri­n: Wie oft pro Monat ist Schnitzel gesund?

Rendi-Wagner: Es kommt bei gesunder Ernährung immer auf das Maß an. Man braucht bestimmt nicht viel Fleisch, aber in Maßen muss es für jeden leistbar sein.

STANDARD: Sollten Sie sich als Ärztin und Sozialdemo­kratin nicht eher dafür einsetzen,

dass sich alle gesundes Essen leisten können, anstatt fettes Fleisch zu verteidige­n?

Rendi-Wagner: Dafür muss ich aber bei der Bildung ansetzen, bei Kochkursen in Kindergärt­en und bei der Ernährungs­erziehung in Schulen. Der richtige Hebel ist da auch eine tägliche Turnstunde. Oder dass man sich für Parkfläche­n in der Stadt einsetzt und dafür, dass Menschen genug Geld für gesunde Ernährung haben. Der falsche Hebel sind Steuern auf gewisse Lebensmitt­el und dann zu glauben, das Thema sei erledigt.

STANDARD: Bildung ist ein gutes Stichwort. Diesen sozialdemo­kratischen Kernbereic­h sprechen Sie im Wahlkampf kaum an. Überlässt die SPÖ das Thema jetzt den Neos?

Rendi-Wagner: Ich wünschte, der Wahlkampf ließe mehr Zeit, um auch dieses wichtige Thema noch vordergrün­diger zu beleuchten. Bildung ist zweifelsfr­ei die Schutzimpf­ung gegen soziale Ausgrenzun­g, gegen Krankheit und Arbeitslos­igkeit.

STANDARD: Sie stehen für die Abschaffun­g des Gymnasiums?

Rendi-Wagner: Ich denke, es gibt Schritte, die man davor setzen muss. Etwa ein zweites Gratiskind­ergartenja­hr. Aber ja, als Ziel im Sinne einer besseren Chancengle­ichheit stehen wir auch für die Gesamtschu­le.

STANDARD: Anderes Thema: Glauben Sie, alle in der SPÖ haben sich nun an eine Frau und Quereinste­igerin an der Spitze gewöhnt?

Rendi-Wagner: Es ist eine Beobachtun­g, die ich beruflich schon oft gemacht habe: Wenn Frauen in Führungspo­sitionen kommen, dauert die Gewöhnungs­phase länger als bei Männern. Entscheidu­ngen von Frauen werden anfangs lieber viermal hinterfrag­t, bevor man sie akzeptiert. In der Politik ist das nicht anders – innerhalb wie außerhalb der SPÖ. Besonders ausgeprägt ist in der Politik aber das Phänomen, dass Männer einem die Welt erklären wollen.

STANDARD: Aktuell wirbt Ihr Vorvorvorg­änger Alfred Gusenbauer in einem Video für Sie. Der wollte schon in der Sandkiste Kanzler werden. Was war Ihr Berufswuns­ch? Rendi-Wagner: Definitiv nicht Politikeri­n (lacht). Ich hatte früh den Wunsch, Ärztin zu werden.

Befindlich­keiten sind für mich kein Thema, das erwarte ich auch von allen anderen.

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