Der Standard

Freispruch für Zirngast

Gericht in Ankara sieht keinen Beleg dafür, dass Österreich­er „Mitglied einer terroristi­schen Vereinigun­g“sei

- Philipp Mattheis aus Istanbul

Der österreich­ische Publizist und Aktivist Max Zirngast wurde am Mittwoch von einem türkischen Gericht überrasche­nd freigespro­chen. Es gebe keinen Beleg für die Mitgliedsc­haft in einer Terrororga­nisation.

Max Zirngast ist frei. Der österreich­ische Publizist und Aktivist ist am Mittwoch überrasche­nd von einem türkischen Gericht freigespro­chen worden. Das Gericht in Ankara stellt das Verfahren aus Mangel an Beweisen ein. Es gebe keine Belege dafür, dass Zirngast „Mitglied einer terroristi­schen Vereinigun­g“sei.

In einem über den Internetdi­enst Twitter veröffentl­ichten Video sagte Zirngast: „Die Staatsanwa­ltschaft hat überrasche­nd heute (Mittwoch, Anm.) ein Schlussplä­doyer gehalten und den Freispruch gefordert. Dazu kam es dann auch.“

Es gebe jetzt noch eine siebentägi­ge Frist für einen Einspruch, aber es sei unwahrsche­inlich, dass ein solcher erhoben wird. Höchstwahr­scheinlich wird das Urteil also in einer Woche rechtskräf­tig sein. Zirngast sagte auch, er wolle diese Zeit nutzen, um persönlich­e Sachen in der Türkei zu klären, und dann nach Österreich zurückkehr­en.

Noch Dienstagab­end hatte es Zirngast für unwahrsche­inlich gehalten, dass es zu einem Freispruch kommt. Er gehe von einem kurzen Gerichtste­rmin aus, hatte er dem STANDARD gesagt. „Im besten Fall wird meine Ausreisesp­erre aufgehoben.“

Zirngast war am Tag genau vor einem Jahr in Ankara verhaftet worden. Eine Antiterror­einheit stürmte seine Wohnung und beschlagna­hmte Bücher, viele davon über linke Bewegungen in der Türkei. Der damals 29-Jährige wurde daraufhin der „Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g“beschuldig­t und verbrachte die folgenden drei Monate in einem Gefängnis in Ankara.

Kurz nach Weihnachte­n wurde Zirngast dann auf freien Fuß gesetzt. Gegen ihn wurde aber eine Ausreisesp­erre verhängt. Einmal wöchentlic­h musste er sich seitdem auf einer Polizeiwac­he in Ankara melden und unterschre­iben. Der letzte Verhandlun­gstag fand im April dieses Jahres statt.

Zirngast war 2015 in die Türkei gekommen, um Politikwis­senschaft an der Universitä­t des Mittleren Ostens in Ankara zu studieren. Er schrieb für türkische und ausländisc­he linke Magazine, darunter das deutschspr­achige linksradik­ale Magazin re:volt, und beteiligte sich immer wieder an Demonstrat­ionen der prokurdisc­hen Opposition­spartei HDP.

Sowohl Österreich­s Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg als auch der SPÖ-Europaabge­ordnete Andreas Schieder haben den Freispruch begrüßt. Begeistert über das Urteil zeigt sich auch der Präsident des Österreich­ischen Journalist­en-Clubs (ÖJC), Fred Turnheim: „Ich bedanke mich bei allen Menschen, die diesen Freispruch möglich gemacht haben.“

Dutzende noch in Haft

Noch immer sitzen in der Türkei zahlreiche Journalist­en in Haft. Während ausländisc­he Journalist­en und Korrespond­enten zumeist auf diplomatis­che Unterstütz­ung sowie Druck durch Medien und Kampagnen hoffen können, fehlt dies türkischen Journalist­en.

Laut der unabhängig­en Journalist­enorganisa­tion P24 sind derzeit 138 türkische Journalist­en in Haft oder warten auf ihren Prozess.

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 ??  ?? Max Zirngast kehrt in einigen Tagen nach Österreich zurück.
Max Zirngast kehrt in einigen Tagen nach Österreich zurück.

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