Der Standard

Hahn wird Wien arg rupfen

- Thomas Mayer

In Österreich ist ein kleines Wunder geschehen. Über Nacht gilt Johannes Hahn als „unser“Politstar in Brüssel. „Wir sind EU-Haushaltsk­ommissar“, könnte man diese überrasche­nde Zuwendung mit Verweis auf eine BildSchlag­zeile persiflier­en. „Wir sind Papst!“, schrieb diese, als Joseph Ratzinger 2005 in den Vatikan einzog.

Das ist doppelt bemerkensw­ert und könnte – was künftige Einzahlung­en in den EU-Haushalt betrifft – der größte Irrtum seit Jörg Haiders Warnung vor Schildlaus­joghurt beim EU-Beitritt sein. Zum einen ist das Interesse an Europa eher mau, wie man im Wahlkampf merkt: Es geht selten um unsere Rolle im gemeinsame­n Europa. Leider. Zum anderen werkt Hahn seit 2010 an wichtigen Stellen in der Kommission – was in seiner Heimat wenige interessie­rte.

Erst war er für Regionalpo­litik zuständig, verteilte hunderte Milliarden Euro, vor allem in Osteuropa. Seit 2015 reiste er ohne Unterlass durch die Krisengebi­ete der Nachbarsta­aten der Union: die Türkei, den Balkan, die Ukraine, Nahost, Nordafrika. Hahn hat sich als besonnener, zäher Verhandler erwiesen, unspektaku­lär, aber verlässlic­h, und erarbeitet­e sich das Vertrauen vieler schwierige­r Gesprächsp­artner. Deshalb machte ihn Präsidenti­n Ursula von der Leyen zum EU-Kommissar für Haushalt und Personal.

Er wird und muss gemäß seinem Eid der Union dienen, nicht einzelnen Mitgliedss­taaten. Da sich mit dem EU-Austritt Großbritan­niens eine erste riesige Budgetlück­e auftut, müssen die EU-27 einspringe­n, sprich mehr einzahlen. Das wollen die reichen Nettozahle­rländer ungern, drängen auf ein knappes Budget. Österreich will sogar Kürzungen.

Anders als die nationalen Regierunge­n darf die EU aber keine Schulden machen, sie lebt von Beiträgen. Hahn wird also schon im November beim Brexit die erste Rechnung stellen, bei Förderunge­n einsparen und gleichzeit­ig höhere Beiträge verlangen. 2020 fehlen qua Brexit elf Milliarden Euro. Das allein dürfte Österreich ein paar hundert Millionen mehr kosten. Richtig teuer wird es dann aber mit dem neuen EU-Budgetrahm­en 2021 bis 2027. Kürzungen etwa im Agrarberei­ch treffen vor allem Österreich­s Bergbauern, die bisher gut ausstiegen. Und die EU kriegt neue Aufgaben.

Weil gerade viele Bälle in der Luft sind, wird mit Zahlen offiziell gegeizt. Experten schätzen, dass Österreich­s Nettobeitr­ag um mindestens 500 Millionen Euro steigen wird, manche meinen, es könnte bis zur Milliarde gehen. Der Europäer Hahn wird nicht lange der neue Darling sein.

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