Der Standard

Türkises Finanzdesa­ster

- Michael Völker

Schulden sind unsozial, hat Sebastian Kurz immer wieder erklärt. Ist auch klar, das versteht jeder: Man darf nicht mehr ausgeben, als man hat oder einnimmt. Schulden seien zudem ein Laster der Sozialdemo­kraten, darauf wies der ÖVP-Chef auch noch hin, als er im April des heurigen Jahres freudig das Nulldefizi­t verkündete. Jenes für den Staat. Für die ÖVP schaut das ganz anders aus.

Die ÖVP gibt Geld, das sie nicht hat, mit vollen Händen aus. Alles zum Wohl ihres Chefs und seines Machterhal­ts. Es geht um teure, um viel zu teure Wahlkämpfe, um Marketing und PR-Maßnahmen, auch um Partys und andere Veranstalt­ungen, die man unter Repräsenta­tion verbuchen könnte. Wenn es darum geht, die öffentlich­e Stimmung für Kurz zu beeinfluss­en, wird auf Pump Geld ausgegeben, als gäbe es kein Morgen. Keine Partei lässt sich die Öffentlich­keitsarbei­t so viel kosten wie die ÖVP.

2017 hat die ÖVP einen 15-Millionen-Euro-Kredit aufgenomme­n, die befreundet­e Raiffeisen­bank war so gütig. Derzeit dürfte die ÖVP mehr als 20 Millionen Euro an Verbindlic­hkeiten haben. Das wirtschaft­liche Geschick, das die ÖVP bei der Gestaltung der Staatsfina­nzen für sich in Anspruch nimmt, scheint ihr im Umgang mit dem eigenen Geld zu fehlen.

Die finanziell­e Situation der ÖVP ist ernst. Dafür ist auch eine Gesetzesän­derung verantwort­lich. Einnahmen aus Spenden waren für die ÖVP eine fixe Größe. 2017 waren es knapp drei Millionen, 2018 und 2019 zusammen rund 2,7 Millionen. Das fällt nun weitgehend weg. Die Obergrenze für Spenden, die eine Partei im Jahr lukrieren darf, wurde heuer mit 750.000 Euro festgelegt – für die ÖVP ein herber Schlag. Sie hatte ihre großzügige­n Gönner offenbar fix zur Rückzahlun­g der Schulden eingeplant. Die knapp zehn Millionen Euro, die die Bundes-ÖVP aus der staatliche­n Parteienfö­rderung erhält, helfen da nur bedingt weiter. Dieses Geld wird auch für den laufenden Betrieb gebraucht.

Die kurzfristi­ge Absetzung war ein weiterer finanziell­er Schlag. Mit einem Mal mussten alle Mitarbeite­r, auch der gesamte Bereich, der sich um die Vermarktun­g der Person Kurz kümmerte, aus dem Kanzleramt in die Parteizent­rale übersiedel­n und von dort auch bezahlt werden. Umso wichtiger ist es für Kurz, rasch wieder Kanzler zu werden, um sich nicht nur politisch, sondern auch finanziell zu konsolidie­ren. Ein Beleg für seine wirtschaft­spolitisch­e Handlungsf­ähigkeit ist das aber nicht.

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