Der Standard

Itay Tiran: Nicht die Literatur vorziehen

- Itay Tiran ist neu im Burgtheate­rensemble und führt bei der Produktion „Vögel“Regie.

Eine Produktion wie Vögel macht uns darauf aufmerksam, dass Theater aus viel mehr besteht als nur aus Worten. Ich denke, manchmal sollte man ins Theater gehen, ohne dass man ein Wort versteht. Die Aufmerksam­keit richtet sich dann ganz selbstvers­tändlich auf andere Dinge als die Sprache. Ich habe mich zwar über die deutsche Literatur in die deutsche Sprache verliebt, aber stellen wir im Theater nicht die Literatur über alles andere! Bewegung, Gefühle, menschlich­e Verhaltens­weisen, verschiede­ne Ästhetiken spielen eine mindestens genauso große Rolle.

In Israel ist es ganz selbstvers­tändlich, dass Schauspiel­er mit Akzent spielen. Ich hoffe, auch in Europa macht das bald Schule. Ich selbst spreche drei der vier Sprachen, in denen Vögel geschriebe­n ist. Hebräisch ist meine Mutterspra­che, Englisch meine erste, Deutsch meine zweite Fremdsprac­he. Arabisch spreche ich nur einige wenige Worte. Die Frage, die sich in einer solchen multilingu­alen Inszenieru­ng stellt, ist, welche Mentalität­en und welche Identitäts­konzepte mit den jeweiligen Sprachen einhergehe­n. Es ist erstaunlic­h, worauf man da alles draufkommt!

Sprache ist zugleich Waffe und Orakel. Was meine ich damit? Wir schützen uns durch Sprache, aber wir definieren uns auch durch sie. Der Schauspiel­er Ben Kingsley, mit dem ich die Ehre hatte zu spielen, sagte einmal: „Gib mir eine Maske, und ich sage dir die Wahrheit.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria