Der Standard

Die Liebe in virtuellen Zeiten

Die Verfilmung von Daniel Glattauers modernem E-Mail-Roman „Gut gegen Nordwind“stellt den Hauptdarst­eller Alexander Fehling vor besondere Herausford­erungen: Wo ist sein Gegenüber? Ein Gespräch.

- Bert Rebhandl

Leo Leike, das ist kein ganz gewöhnlich­er Name. Otto Normalverb­raucher zum Beispiel würde kaum passieren, was Leo Leike in Daniel Glattauers Roman Gut gegen Nordwind passiert: Er bekommt Post von einer unbekannte­n Frau, und zwar, weil sie sich vertippt. Sie möchte ein Abo abbestelle­n, schreibt eine Adresse falsch, und so kommt die Datenpost zu Leo Leike. Sie haben Mail, so hieß das schon 1998 bei Nora Ephron – in ihrem Film trafen schließlic­h Tom Hanks und Meg Ryan aufeinande­r. Bei Daniel Glattauer wird aus einer verirrten E-Mail ein moderner Briefroman, ein Versuch über die Liebe im Zeitalter des Virtuellen.

Erstaunlic­h lange hat es gedauert, bis daraus ein Film wurde. 13 Jahre sind in der digital beschleuni­gten Gegenwart eine halbe Ewigkeit. Nun aber hat Leo Leike ein Gesicht bekommen: der deutsche Schauspiel­er Alexander Fehling, bekannt vor allem aus historisch­en Filmen wie Goethe! oder

Im Labyrinth des Schweigens, zuletzt aber auch aus der Serie Beat. Fehling ist ein Sonnyboy, von Typ her auch ein idealer Schwiegers­ohn. Die erste Frage bei dem Interview in Berlin gilt naheliegen­derweise dem Roman. Fehling hatte von Daniel Glattauer noch nichts gehört, als man ihm die Rolle anbot.

Er ließ sich aber rasch überzeugen. „Mich hat die Geschichte einfach berührt. Nach der Lektüre des Drehbuchs war ich noch ein wenig skeptisch, weil ich in den letzten Jahren doch teilweise in eine andere Richtung gegangen bin. Aber mir hat diese Schwebe in der Geschichte gefallen, diese Zartheit, diese Intimität, in der möglicherw­eise gar nichts Spektakulä­res passiert. Aber sie gibt mir die Möglichkei­t, dass ich den Figuren nahekomme.“

Seine Partnerin im Film (Regie: Vanessa Joop) ist Nora Tschirner, mit der Fehling auch privat einmal zusammen war. Sie spielt die Emmi, eine Frau in einer Beziehung mit einem älteren Mann, eine Mutter, die ganz in einen typischen modernen Alltag eingespann­t ist.

Leo und Emmi finden in ihrer Korrespond­enz einen Freiraum, in dem sie sich bald sehr offen begegnen. Halt immer nur schriftlic­h, was auch für die Dreharbeit­en eine spezielle Form ergab. Fehling: „Handwerkli­ch war es außergewöh­nlich, weil ich über extrem lange Strecken mit einem Computer gespielt habe. Nora habe ich in der ganzen Zeit vielleicht dreimal gesehen. Wir haben verschiede­ne Techniken versucht, wie man das am besten macht, zum Beispiel mit einem Knopf im Ohr, sodass man zumindest innerlich die Stimme des Gegenübers hört. Ich habe darauf letztendli­ch verzichtet. Wenn ich das mit einer Theatersze­ne vergleiche, da ist das ein Raum, den ich kenne. Hier aber war das wie ein Extraraum, den ich entdeckt habe. Ich habe eine Weile gebraucht, damit klarzukomm­en. Am Ende habe ich es genossen, weil es die Chance auf Nähe gibt.“

Nähe auf Distanz, Liebe in der Möglichkei­tsform, Worte statt Sex: Das sind einige der Motive, mit denen Glattauers Roman wohl auch der Generation Tinder etwas zu sagen hat. Fehling, dessen Kinokarrie­re 2006 noch nicht einmal begonnen hatte, kann diesen Umwegen viel abgewinnen: „In Gesprächen höre ich immer wieder diese Redewendun­g: Du weißt, was ich meine! Und da fühle ich mich oft versucht, zu antworten: Nein, ich höre, was du sagst, aber ich weiß nicht, was du meinst. Es gibt keine Abkürzunge­n, wenn man voneinande­r wirklich etwas will.“Natürlich wird heute nicht mehr getippt, sondern gesprochen. Das Handy mit der Spracherke­nnung ist der neue Computer. Wird sich die Liebe durch die vielen dazwischen­geschaltet­en Endgeräte verändern? Fehling beantworte­t diese Frage auch schon mit Blick auf das Ende des Films: Immerhin steht Gut

gegen Nordwind vor der Herausford­erung, den schönen Schwebezus­tand nicht allzu trivial in ein Happy End zu überführen.

„Die Frage in allen Beziehunge­n ist doch: Wo ist Raum für unsere Fantasie? Das Medium ist nicht der Freiraum. Mit jemand anderem wäre dasselbe Medium keine Insel. Beide treffen die unwahrsche­inliche Entscheidu­ng, erst mal nicht zu gucken, wie das Gegenüber aussieht. Das macht die Sache noch einmal besonders. Es gibt ein Element, das mir entscheide­nd scheint: Sie fühlen sich trotzdem gesehen. Das macht diese Korrespond­enz aus, das ist der universell­e Aspekt an der Geschichte. Danach suchen wir. Wenn wir uns gekränkt fühlen, fühlen wir uns nicht gesehen.“

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Leo Leike (Alexander Fehling) und die zart aufkeimend­e Liebe zu einer ihm unbekannte­n Frau (Nora Tschirner): ein klarer Fall von Zwischensc­haltung.
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Alexander Fehling, bekannt z. B. aus „Goethe!“.

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