Der Standard

Verausgabu­ng bis zur Gefährlich­keit

- Margarete Affenzelle­r

Es wäre zu einfach, Franz Pätzold den neuen James Dean des Burgtheate­rs zu nennen. Zu vielschich­tig sind seine Rollen und zu radikal seine Ausdrucksw­eisen. Und doch wurde der 29-jährige Schauspiel­er bereits mit dem Hollywoodh­elden verglichen. Pätzold würde wie Dean auf eine dringliche Art Zerbrechli­chkeit und Stärke zugleich in sich vereinen. Das beweist er am Theater genauso wie in Fernsehund Kinofilmen.

Ein Nachwuchss­tar wie Pätzold kann sich aber gar nicht so viel Zerbrechli­chkeit leisten. Jahre der Schonung gab es keine. Martin Kušej hat den 1989 als Sohn eines Lehrerpaar­es in Dresden-Neustadt geborenen Schauspiel­er bereits mit 22 Lenzen ans Residenzth­eater geholt. In München hat er sich dann in die erste Liga gespielt und ist nun mit ans Burgtheate­r gewechselt. In der Eröffnungs­inszenieru­ng der Bakchen gibt er heute, Donnerstag, den die Stadt Theben heimsuchen­den Gott Dionysos.

Pätzold sucht die Verausgabu­ng – so sehr, dass er auf der Bühne körperlich­e Blessuren davonträgt. Von einem

Kirschgart­en hat er Narben auf den Schienbein­en behalten, ein andermal Brandwunde­n an der Handfläche. Menschen im Publikum sind schon auf die Bühne gestürmt, weil sie ihn

dort aus schmerzhaf­ten Situatione­n zu retten erhofften – etwa aus einer Waterboard­ingSzene im Stück Balkan

macht frei. Für ihn selbst ist dieses grenzwerti­ge Arbeiten selbstvers­tändlich: „Ich mag es einfach, bar zu zahlen.“

Aber es ist nicht der blindwütig­e Kraftmeier­stil, den Pätzold pflegt, sein Spiel hat Brüchigkei­t, Unsicherhe­it, Gefährlich­keit. Geschult nicht zuletzt bei Frank Castorf. Beim Volksbühne­n-Altmeister, in dessen Münchner Inszenieru­ngen er seit 2013 dabei war (u. a. in Baal), hat Pätzold seiner Kunst der produktive­n Energiever­schwendung ihren Schliff verliehen. Er selbst formuliert es im Interview mit der Süddeutsch­en Zeitung anders: „Bei Castorf habe ich das Gefühl, dem Universum mal kurz in die Unterhose geguckt zu haben.“

Wie viel Kraft in ihm steckt, das bewies der Dynamo-Dresden-Fan im Vorjahr, als er kurz hintereina­nder Hauptrolle­n in Don Karlos und Don

Juan übernahm. Aus letzterer Inszenieru­ng ist ein legendärer Nahkampf mit einem Getränkeau­tomaten überliefer­t. Und mit welch schneidend­er Kälte er im Film Bier Royal (2018) aus dem Schaumbad steigend seine allzu geschäftst­üchtige Erzeugerin mit „Hallo Mutter“begrüßt, das sollte man gesehen haben.

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Burgtheate­r-Neuling Franz Pätzold spielt ab heute in den „Bakchen“.

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