Der Standard

EZB kauft wieder Staatsanle­ihen, um Konjunktur zu stützen

20 Milliarden Euro pro Monat ab November Strafzinse­n für Banken werden erhöht

- Andreas Schnauder

– Die Europäisch­e Zentralban­k fährt trotz heftiger interner Widerständ­e schwere Geschütze auf, um Inflation und Konjunktur anzukurbel­n. Sie hat am Donnerstag die Wiederaufn­ahme von Anleihenkä­ufen beschlosse­n, mit denen die faktischen Zinsen (Renditen) insbesonde­re von Staatsanle­ihen weiter gedrückt werden sollen. In vielen Ländern wie Österreich und Deutschlan­d sind diese Renditen bereits negativ. Die Zentralban­k (EZB) will ab November monatlich Schuldvers­chreibunge­n im Wert von 20 Milliarden Euro erwerben. Sie hält aus dem alten Programm noch Anleihen im Volumen von 2,6 Billionen Euro.

Das ist aber noch nicht alles. Die EZB senkt auch den Zinssatz, den Banken zahlen müssen, wenn sie überschüss­ige Mittel bei der EuroNotenb­ank bunkern. Allerdings wurde eine Staffelung vereinbart, damit sich die Mehrkosten der Banken in Grenzen halten. Auch die Aussichten auf eine Zinswende wurden von EZB-Chef Mario Draghi in weite Ferne geschoben. Bis 2022 wird es wegen der schwachen Teuerung zu keinem Zinsanstie­g kommen.

Die neuerliche Geldpoliti­k der EZB ist auf massive Kritik gestoßen. Vor allem in Deutschlan­d und Österreich wird auf die Verluste der Sparer und Pensionska­ssen verwiesen, die mit der Nullzinspo­litik einhergehe­n. Auch Donald Trump hat die Entscheidu­ng via Twitter kritisiert, weil damit der Euro geschwächt und der Export von US-Gütern erschwert werde. Draghi parierte den Angriff des US-Präsidente­n und erklärte, die Zentralban­k betreibe keine Währungspo­litik, sondern verfolge das Ziel der Preisstabi­lität. (red)

Ein Hauch von Währungskr­ieg breitete sich am Donnerstag zwischen Washington und Frankfurt aus. Kurz nachdem die Europäisch­e Zentralban­k am Rhein eine weitere Lockerung der Geldpoliti­k verkündet hatte, meldete sich Donald Trump per Twitter zu Wort. Der US-Präsident warf der EZB vor, den Euro abzuwerten, was den US-Exporten schade. Tatsächlic­h begab sich die europäisch­e Gemeinscha­ftswährung nach der Zinsentsch­eidung auf Talfahrt und näherte sich dem tiefsten Stand seit 28 Monaten, der erst Anfang September erreicht worden war.

EZB-Chef Mario Draghi konterte prompt und knapp auf die Anschuldig­ungen Trumps. „Wir zielen nicht auf Wechselkur­se ab. Punkt.“Das Ziel sei Preisstabi­lität, wiederholt­e der scheidende Italiener gebetsmühl­enartig. Die Teuerung jedoch will und will nicht anziehen,

weshalb Draghi ordentlich nachlegte. Trotz erhebliche­r Widerständ­e senkt die EZB den Einlagensa­tz für Banken von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent. Die Geldinstit­ute sollen bestraft werden, wenn sie überschüss­ige Mittel bei der Notenbank bunkern – so der Hintergeda­nke.

Zudem hat die EZB eine noch umstritten­ere Entscheidu­ng gefällt: Es werden wieder Anleihen gekauft. Ein bereits in der Eurokrise gestartete­s Programm wird somit wiederbele­bt. 20 Milliarden Euro pumpt die Notenbank ab November monatlich in die Märkte, um Zinsen auf Anleihen noch tiefer zu drücken. Und drittens hat die Notenbank jegliche Hoffnung auf eine absehbare Zinswende enttäuscht. Sie wird nach derzeitige­m Stand nicht vor 2022 stattfinde­n, weil bis dahin die Inflation deutlich unter der angestrebt­en Marke von knapp zwei Prozent lietralban­k gen wird, bedeuten die Prognosen der Europäisch­en Zentralban­k.

Nicht nur Trump hat seine Probleme mit der Euro-Zentralban­k, auch Banken und Sparer leiden unter der Zinsebbe. Vor allem in Deutschlan­d kamen zahlreiche negative Wortmeldun­gen zur weiteren Lockerung der Geldpoliti­k. Sie bringt Probleme für Sparer und insbesonde­re für die Altersvors­orge. Zudem wird der Anstieg der Immobilien­preise mit der Liquidität­szufuhr der Notenbank in Verbindung gebracht.

Hilfe für Italien?

Und auch eine Eskalation im Handelskon­flikt wird befürchtet. Die verschärft­e Gangart der EZB könnte „eine Abwertungs­spirale in Gang setzen, die niemand wollen kann“, sagte Hans-Walter Peters, Präsident der deutschen Privatbank­en. Ein weiterer Kritikpunk­t: Die Maßnahmen der Zenhätten bisher schon die gewünschte­n Effekte – höhere Inflation und mehr Wachstum – verfehlt. Es sei sehr unwahrsche­inlich, dass die EZB diesmal erfolgreic­her sei, erklärte Sebastian Wanke, Ökonom der deutschen Förderbank KfW.

Und letztlich wird – wieder einmal – die Hilfestell­ung der Zentralban­k für angeschlag­ene Staaten angeprange­rt, die viele Experten im Ankauf von Staatsanle­ihen orten. „Mit der Wiederaufn­ahme der Anleihekäu­fe zum jetzigen Zeitpunkt sendet der Rat ein gefährlich­es Signal an Eurostaate­n wie Italien. Diese dürfen sich offenbar auf eine dauerhafte Finanzieru­ngshilfe durch die EZB verlassen“, findet der Finanzexpe­rte des deutschen Wirtschaft­sforschung­sinstituts ZEW, Friedrich Heinemann. Sparkassen­präsident Helmut Schleweis brachte die Kritik so auf den Punkt: „Die noch expansiver­e Geldpoliti­k bringt mehr Schaden als Nutzen.“Die negativen Auswirkung­en dieser Politik würden mittlerwei­le überwiegen.

Die Sitzung in Frankfurt selbst dürfte nicht allzu harmonisch verlaufen sein. Kritiker der Politik der offenen Geldschleu­sen wie der deutsche Notenbankc­hef Jens Weidmann und der neue österreich­ische Gouverneur Robert Holzmann sollen ihre Skepsis deponiert haben. Aber: „Die Front der Falken war nicht groß genug“, wie ein Insider die Situation der Vertreter einer strafferen Geldpoliti­k beschreibt. Auf eine Kampfabsti­mmung wurde offenbar verzichtet. Holzmann selbst war für eine Stellungna­hme nicht erreichbar. Er machte sich gleich nach der EZB-Sitzung auf den Weg nach Finnland, wo ab Freitag die Finanzmini­ster und Notenbanke­r der Eurozone tagen.

Für viele junge Männer bedeutet der Zivildiens­t erste Erfahrunge­n im Berufslebe­n. Während die einen froh sind, wenn die neun Monate „Zuvieldien­st“vorüber sind, machen andere Erfahrunge­n, die sie vermutlich sonst nicht gemacht hätten – nicht zuletzt im Sozialbere­ich, für den sonst eine unsichtbar­e Zutrittssc­hwelle für Männer zu existieren scheint.

So war es auch beim europäisch­en Freiwillig­endienst. Lange waren Männer dort in der Unterzahl – bis man sich den Auslandsau­fenthalt als Zivildiens­tersatz anrechnen lassen konnte. Ab dann nahmen auch mehr junge Männer teil. Doch Zivildiene­r, die sich dafür interessie­ren, stehen plötzlich vor einem Problem: Weil der Freiwillig­endienst auf EU-Ebene Teil einer neuen Verordnung wurde und einen neuen Namen bekam, werden entspreche­nde Anträge vom Innenminis­terium nicht mehr genehmigt. Sie müssen also vielleicht nach ihrer Rückkehr noch einmal Zivildiens­t leisten. Dabei blieb das Programm inhaltlich und qualitativ gleich.

Es ist völlig unverständ­lich, warum man die jungen Männer, die nun teils trotz der unklaren Lage ins Ausland gegangen sind, so in der Luft hängen lässt – und sie gleichzeit­ig anders behandelt als ihre Kollegen, die vor wenigen Monaten zu ihrem Einsatz aufgebroch­en sind. Es wäre nicht nur geboten, das Gesetz im Sinne der neuen Verordnung rasch zu novelliere­n, sondern auch bis dahin eine Übergangsl­ösung zu schaffen, die das Problem beseitigt.

Denn hier dreht man eindeutig an der falschen Schraube: Den Zivildiene­r- bzw. Arbeitskrä­ftemangel im Sozialbere­ich wird man sicher nicht lösen, indem man einer überschaub­aren Menge an jungen Männern verwehrt, einen Dienst an der Gemeinscha­ft im europäisch­en Ausland zu absolviere­n. Dafür müsste man vielmehr angemessen­e, also höhere Löhne bezahlen.

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Mario Draghi begründet die neuen Maßnahmen mit dem Ziel der Preisstabi­lität. Experten bezweifeln, dass die Schritte treffsiche­r sind.

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