Rote Rechnung mit pinken Zahlen
Der Waldviertler Pendler aus dem TV zahlt mehr, bekommt aber auch etwas dafür
Gleich vorneweg: Der Faktencheck einer Modellberechnung wird schnell zu einer Variablen-Suchaktion. Ob die Kalkulation, die SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner Mittwochabend beim ORF-Wahlduell im Gespräch mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger angestellt hat, richtig ist, hängt nämlich stark davon ab, was bei dem – plakativen – Beispiel miteinberechnet wurde.
Die Roten haben sich für ihr Exempel eine reale Person herausgepickt: jenen Waldviertler Pendler, der Meinl-Reisinger bereits in einem anderen TV-Format mit der Sorge vor finanziellen Einbußen bei der Umsetzung des pinken CO2-Steuerkonzepts konfrontiert hat. Nach roter Rechenart steigt der pendelnde Studiogast Leopold Wagner – angeblich VW-PassatFahrer – mit einer Mehrbelastung von 300 Euro pro Jahr aus. Dem wird ein Porsche-Cayenne-Besitzer gegenübergestellt, der aus Wien-Döbling in die Innenstadt braust. Er erspare sich 1816 Euro pro Jahr, behauptet die SPÖ.
Ist das pinke Modell also eines, das man sich leisten können muss? Rendi-Wagner lässt bei ihrer Darstellung jedenfalls unter den Tisch fallen, dass das NeosKonzept viele Begleitmaßnahmen vorsieht. In einem mehrstufigen Prozess wollen die Neos etwa Dieselwie Bezinpreis um 36 bzw. 15 Cent erhöhen, fahrzeugbezogene Steuern soll hingegen gestrichen werden. Auf der anderen Seite sollen Einkommenssteuer und Lohnnebenkosten gesenkt und die kalte Progression abgeschafft werden. Ganz grundsätzlich folgt das pinke Reformpapier der Devise „Umweltschädliches Verhalten soll unattraktiv werden“. Im Bewusstsein,
dass die Umstellung auf ein solches Modell vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen stärker belaste, peilen die Neos auch eine Senkung der Mehrwertsteuer an – vor allem bei den Wohn- und Lebensmittelkosten.
Für den Herrn aus dem TV, der täglich nach Wien pendelt, hieße es also: mehr zahlen. Keine Überraschung, findet Experte Martin Kocher vom Institut für Höhere Studien: „Eine CO2-Steuer muss Pendeln erst einmal belasten. Alles andere macht ja wenig Sinn, wenn es Ziel ist, den CO2-Ausstoß zu verringern.“Offen bleibe die Frage nach möglicher Kompensierung, sagt Kocher. Um die zu berechnen, fehlen aber ein paar entscheidende Unbekannte: Wie viel verdient Herr Wagner? Und wie ist sein Konsumverhalten?
Neos-Chefin Meinl-Reisinger kommentiert die rote Rechnung trocken: „Es ist originell, dass sich andere Parteien an unserem Konzept abarbeiten. Wir sind aber auch die Einzigen, die eines haben.“(pm, riss)