Der Standard

Die Abgrenzung nach rechts als letzte Bedingung

Sebastian Kurz ließ beim TV-Duell mit FPÖ-Chef Norbert Hofer kaum Zweifel am Wunsch nach einer Neuauflage der türkis-blauen Koalition aufkommen – sofern der „freundlich­e“Flügel die Abgrenzung zu Identitäre­n und Co schafft.

- Fabian Schmid, Fabian Sommavilla

Die im freiheitli­chen Werbevideo scherzhaft inszeniert­e „Paartherap­ie“zwischen dem designiert­en FPÖ-Chef Norbert Hofer und ÖVP-Chef Sebastian Kurz wurde im direkten TV-Duell am Mittwoch zur Realität. Zum wiederholt­en Male wurde die Zusammenar­beit gelobt, Ärger über Einzelfäll­e geäußert, die „so viel Positives“überlagert hätten, und Bedingunge­n für eine erneute Zusammenar­beit definiert – vor allem von Kurz.

Viel deutlicher wird er sein Koalitions­angebot an die Freiheitli­chen vor den Nationalra­tswahlen nämlich nicht mehr formuliere­n: Er wünsche sich einfach, dass das ständige Anstreifen am rechten Rand ein Ende habe, sodass eine „ordentlich­e Mitte-rechts-Politik, eine konsequent­e Migrations­politik und ein Schutz der eigenen Identität“möglich ist – gemeinsam, wie er Hofer lockte.

Ob Hofer und der „freundlich­e“Flügel der Partei – wie Kurz es nannte – zu dieser harten Abgrenzung fähig sind, dürfte die Sondierung­sgespräche und möglichen Koalitions­verhandlun­gen dominieren. Schwer im Magen dürfte Hofer dabei beispielsw­eise der Fall des oberösterr­eichischen FPÖ-Kandidaten Philipp Samhaber liegen. Dieser soll laut ersten Medienberi­chten ein Mitglied der Identitäre­n Bewegung sein, Samhaber selbst bestreitet das. Der Fall ist verzwickt: Offizielle Mitglieder­listen der Identitäre­n Bewegung sind nicht verfügbar. Der Verfassung­sschutz sammelte jedoch die Namen aller Personen, die Geld an die Bewegung und ihre Vereine spendeten. So auch Samhaber, der von Juni 2018 bis März 2019 monatlich 20 Euro überwies – genauso wie andere freiheitli­che Politiker. Samhaber behauptete, nicht erkannt zu haben, an einen Identitäre­n-Verein gespendet zu haben. Doch seine Erklärung wirft Fragen auf: So existiert der von Samhaber genannte Verein Heimat und Kultur gar nicht. Der oberösterr­eichische „Verein für lebendige Kultur und Brauchtums­pflege“der Identitäre­n wurde hingegen erst am 14. April öffentlich erwähnt. Wie will Samhaber ohne Insiderwis­sen auf ihn gestoßen sein? Das beantworte­te der FPÖ-Kandidat am Donnerstag nicht.

Verbot von Identitäre­n-Symbolen

Die ÖVP prescht ihrerseits jedoch ein weiteres Mal vor und will ein Verbot der Symbole der Identitäre­n im Septemberp­lenum einbringen. Schließlic­h handle es sich bei den Identitäre­n um „eine extremisti­sche Bewegung mit einer Ideologie fernab unserer Grundrecht­e“.

Kurz forderte Hofer am Mittwoch jedenfalls auf, in der Causa aktiv zu werden. Doch dessen Handlungss­pielraum ist (noch) begrenzt. Auch deshalb will man am FPÖ-Bundespart­eitag am Samstag in Graz die Befugnisse des Parteichef­s so ausweiten, dass auch einfache Parteimitg­lieder und nicht nur Mitglieder der Bundespart­eileitung ausgeschlo­ssen werden können, wenn das Ansehen oder der Zusammenha­lt innerhalb der Partei gefährdet sei. Das soll wohl auch die ÖVP milde stimmen. Im Falle Samhabers bleibt es rechtlich dennoch unmöglich, ihn noch vom Wahlzettel der FPÖ verschwind­en zu lassen, da die entspreche­nde Frist bereits abgelaufen ist. Ähnlich wie Heinz-Christian Strache bei den EU-Wahlen könnte der FPÖKandida­t per Vorzugssti­mmen damit gar vorgereiht werden und ein Mandat erhalten – wenngleich dies praktisch unmöglich erscheint. Auch ÖVP-Einzelfäll­e

Kurz sagte im TV-Duell am Mittwoch jedenfalls, er sei damals regelrecht begeistert gewesen, als mehrere FPÖ-Parteivera­ntwortlich­e öffentlich von einem klaren Trennstric­h mit extrem Rechten sprachen (siehe Zitate rechts).

Er wünsche sich nun aber endlich die Umsetzung dieser Verspreche­n – nur um in versöhnlic­hem Ton anzufügen, dass er ja der Erste sei, „der Verständni­s hat, dass in einer großen Partei mit hunderttau­senden Mitglieder­n schwere Fehler vorkommen können“, sofern man die Verantwort­lichen nur schnell ausschließ­e. Kein Wort mehr von Runterschl­ucken und Leiden. Sogenannte „Einzelfäll­e“samt sexistisch­er, rassistisc­her und antisemiti­scher Ausrutsche­r gab es tatsächlic­h auch in der Volksparte­i einige. Anders als von Kurz dargestell­t, divergiert­e die Reaktion der Parteispit­ze dabei aber je nach Fall. So wurde der einstige Grünpoliti­ker Efgani Dönmez sofort aus dem Nationalra­tsklub ausgeschlo­ssen, als er die Berliner Politikeri­n Sawsan Chebli obszön beleidigt hatte. Die EUAbgeordn­ete Claudia Schmidt konnte sich nach einem rassistisc­hen Posting aber mit einer Entschuldi­gung aus der Affäre ziehen. Sie hatte geschriebe­n, dass „Afrikaner nicht wie Europäer denken und arbeiten, aber wie Europäer leben wollen“.

Ganz ohne öffentlich­e Entschuldi­gung durften rassistisc­he Ausritte des Nationalra­tsabgeordn­eten Johann Rädler bleiben. Dieser rief der damaligen Jetzt-Politikeri­n Alma Zadic in Anspielung auf deren Geburtslan­d zu: „Wir sind hier nicht in Bosnien!“Auf die Frage, ob er sich dafür entschuldi­gen wolle, antwortete Rädler später, wenn, dann müsse sich Zadic bei Österreich entschuldi­gen – sie hatte die Auswirkung­en der BVT-Affäre auf die heimische Sicherheit­slage thematisie­rt. Im Fall der AG Jus, deren Mitglieder sich antisemiti­sche „Witze“schickten, kam es nur oberflächl­ich zu raschen Konsequenz­en. Der damalige AG Jus-Spitzenkan­didat wurde aus der JVP Wien ausgeschlo­ssen, blieb jedoch noch monatelang Gemeindera­t in Niederöste­rreich.

Bis zu einer möglichen Neuauflage von Türkis-Blau gibt es also noch Stolperste­ine. Der Parteitag in Graz dürfte insofern ein Gradmesser für Hofer werden, als die ÖVP eine scharfe Abgrenzung nach rechts erwarten wird. Ob seine Partei gewillt ist, diesen Weg mit ihm zu gehen, wird sich bei der Obmannwahl zeigen. 2017 stand die Partei mit 98,7 Prozent geeint hinter Strache.

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Kurz und seine Volksparte­i wollen nun auch Symbole der Identitäre­n verbieten und fordern klare Kante von den Freiheitli­chen.
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Norbert Hofer wird am Samstag mehr Rechte in Sachen Parteiauss­chlüsse bekommen – Ursula Stenzel wird aber wohl Freiheitli­che bleiben.

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