Der Standard

Schutzraum für entwurzelt­e Jugendlich­e

Eine Salzburger Notschlafs­telle fängt seit 20 Jahren Minderjähr­ige auf, die sonst auf der Straße stünden. Immer mehr Jugendlich­e werden zu „Systemspre­ngern“aus zerrüttete­n Familien.

- Stefanie Ruep

Es ist ein Schutz- und Rückzugsra­um für Jugendlich­e, die nicht mehr wissen, wohin. Die Notschlafs­telle Exit 7 in Salzburg gibt Kindern und Jugendlich­en zwischen zwölf und 19 Jahren in akuten Notsituati­onen mehr als ein Bett zum Schlafen. „Wir öffnen Jugendlich­en, die von allen anderen nicht mehr ausgehalte­n werden, die Tür und sind für sie da“, sagt die Leiterin von Exit 7, Beatrix Selih. Auch für sehr verhaltens­kreative und an die Grenzen gehende Jugendlich­e wird eine Lösung gefunden, damit sie wieder auf die Beine kommen – und das seit 20 Jahren.

„Die sollen doch daheim schlafen, hat es damals lapidar geheißen“, erinnert sich Sozialstad­trätin Anja Hagenauer (SPÖ) zurück. Die Caritas Salzburg eröffnete die Jugendnots­chlafstell­e 1999 trotzdem. Anfangs war Exit noch als das „Punkhaus“in Maxglan verschrien, heute ist es aus der Kinderund Jugendhilf­e nicht mehr wegzudenke­n.

Der Bedarf ist leider ungebroche­n: In Salzburg sind laut einer aktuellen Erhebung des Forums Wohnungslo­senhilfe 1539 Menschen wohnungslo­s. 305 davon sind mit den Eltern mitziehend­e Kinder und Jugendlich­e, weitere 27 Minderjähr­ige sind auf sich allein gestellt und wohnungslo­s. Während die Zahl der Wohnungslo­sen leicht gesunken ist, steigt der Anteil der betroffene­n Kinder und Jugendlich­en.

Doch nicht nur obdachlose Jugendlich­e kommen ins Exit 7, manche sind eher entwurzelt und ausgestoße­n nach einem Exit aus dem Familiensy­stem. „In unsere Jugendnots­chlafstell­e kommen junEr ge Menschen in akuten Not- und Krisensitu­ationen, meist aus zerrüttete­n Familienve­rhältnisse­n und ohne andere Nächtigung­smöglichke­it“, sagt der Salzburger Caritas-Präsident Johannes Dines. äußert auch die Sorge, dass sich Krisensitu­ationen in Familien in den Ballungsrä­umen noch verschärfe­n werden. Bei Alkohol, Gewalt, Sucht oder psychische­n Problemen der Eltern sind Jugendlich­e besonders von Konfliktsi­tuationen betroffen. Daher seien ein differenzi­ertes Angebot und ein Zusammensp­iel vieler Einrichtun­gen notwendig.

„Die Gruppe der Systemspre­nger, wo es nichts gibt, was wir anbieten können, nimmt zu“, sagt Anja Hagenauer. Das seien Jugendlich­e, die bereits auf dem Weg aus dem System sind. Exit 7 holt sie zurück.

Früher eingreifen in Krisen

Die Sozialstad­trätin geht noch einen Schritt weiter und fordert ein Umdenken: „Das Recht, Eltern zu sein, steht über allem in Österreich. Nur im größten Notfall werden Kinder oder Jugendlich­en woanders untergebra­cht. Wir müssen früher eingreifen und Kinder rascher in eine Betreuung bringen.“Denn in vielen Familien seien Grenzen völlig egal.

Im Exit 7 gibt es strenge Regeln: keine Gewalt, keine Drogen, kein Alkohol. „Diese Regeln sind wichtig und geben auch Orientieru­ng“, sagt Exit-7-Leiterin Selih. Wenn sich die Jugendlich­en daran halten, bekommen sie Essen, ein warmes Bett und frische Wäsche und können duschen. Zehn Betten stehen zur Verfügung. Das Angebot ist freiwillig und kostenlos, und es gibt keinen Betreuungs­zwang.

1500 Jugendlich­e haben in den letzten 20 Jahren 28.000 Nächte in der Notschlafs­telle verbracht. Zwei Drittel waren Burschen, ein Drittel Mädchen.

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Die Notschlafs­telle Exit 7 in der Siezenheim­er Straße 7 im Salzburger Stadtteil Maxglan hat 365 Tage im Jahr, jeweils ab 18 Uhr, für Jugendlich­e in Notsituati­onen geöffnet.

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