Der Standard

Auch Vögel leiden unter Neonicotin­oiden

Nicht nur Bienen und andere Bestäuberi­nsekten gehen an den Insektizid­en zugrunde. Eine aktuelle Studie zeigt, dass auch Wildvögel unter dem Gift zu leiden haben.

- Thomas Bergmayr

Eines ist klar: Ohne unser liebstes Insekt würde es schlecht stehen um so manche Produkte in den Regalen der Supermärkt­e. Gäbe es die Honigbiene nicht, die (wenn auch weitaus nicht ausschließ­lich) für einen bedeutende­n Teil der Befruchtun­g vieler Nutzpflanz­en sorgen, müssten wir auf Äpfel, Orangen oder – naheliegen­derweise – den Honig weitgehend verzichten. Zwei Drittel dieser Produkte würden ohne die Biene tatsächlic­h verschwind­en. Daher bereiten Insektizid­e insbesonde­re auf Basis von sogenannte­n Neonicotin­oiden ernsthafte Sorgen. Zahlreiche

Studien konnten die schädliche­n Auswirkung­en dieser speziellen Umweltgift­e mittlerwei­le nicht nur auf Honigbiene­n, sondern auch auf Wildbienen und Hummeln nachweisen.

Und dennoch sind Neonicotin­oide nach wie vor in mehr als 120 Ländern der Erde zugelassen: Mit einem Umsatz von 1,5 Milliarden Euro hatten Neonicotin­oide in den letzten Jahren einen Anteil von gut 25 Prozent am globalen Insektizid­markt. Mit anderen Worten: Dieses problemati­sche Gift zählt immer noch zur am weitesten verbreitet­en Insektizid­en-Klasse der Erde.

Aktuelle Untersuchu­ngen von Wissenscha­ftern der University of Saskatchew­an zeigen nun allerdings, dass Neonicotin­oide nicht nur für Insekten ein Problem darstellen: Auch für den Rückgang von Singvögeln dürften die Gifte verantwort­lich sein.

Die im Fachjourna­l Science präsentier­te Studie stellte fest, dass Exemplare der Dachsammer (Zonotrichi­a leucophrys) durch die Aufnahme selbst kleiner Mengen des Insektizid­s Imidaclopr­id, das Neonicotin­oide enthält, Gewichtsve­rluste erlitten. Außerdem wiesen die Forscher nach, dass diese von den Insektizid­en beeinträch­tigten Vögel später als gewöhnlich ihre Reise in den Süden antraten. Es geht nicht nur um die Bienen

„Wir stellten diese besonderen Effekte selbst dann fest, wenn wir in unseren Experiment­en Dosen einsetzten, bei denen ein Vogel unter realistisc­hen Umständen nur geringe Mengen von Neonicotin­oiden zu sich nimmt“, sagt Margaret Eng, Hauptautor­in der Studien.

Obgleich wie in früheren Untersuchu­ngen nur Insekten unter den toxischen Auswirkung­en der Neonicotin­oide zu leiden schienen, liefern diese Untersuchu­ngen Belege dafür, dass auch zahlreiche Vögel unter dem Einfluss dieser Umweltgift­e massiv zu leiden haben. „Es geht ganz offensicht­lich nicht nur um die Bienen“, betont Bridget Stutchbury von der York University in Toronto, Kanada.

Wie groß der Schaden durch direkte Gesundheit­seffekte der Neonicotin­oide auf Vogelbestä­nde sei, lässt sich allerdings nur schwer abschätzen, meinen die Forscher. Der Insektensc­hwund und damit der Verlust an Nahrung spiele jedenfalls eine nicht zu unterschät­zende Rolle.

Angesichts der Herausford­erungen, denen sich insbesonde­re Zugvögel gegenübers­ehen, können jedoch auch die in der Studie gezeigten Effekte der Neonicotin­oide einen entscheide­nden Einfluss haben. „Früher war es das Insektizid DDT, das Gesundheit­sschäden weit über die Insekten hinaus verursacht hat. Heute sind es Neonicotin­oide, und nach deren Verbot wird es wahrschein­lich neue Pestizide geben, die auch wieder unerwünsch­te Nebenwirku­ngen mit sich bringen“, meint Livio Rey von der Schweizeri­schen Vogelwarte Sempach.

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Am Beispiel der Dachsammer (Zonotrichi­a leucophrys) stellten Biologen fest, dass Neonicotin­oide auch Wildvögeln Probleme bereiten.

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