Nach Drohnenangriffen in Saudi-Arabien wird Öl teurer
Halbierte Produktion verstärkt weltweit Sorge um Konjunktur
Wien – Der am Wochenende erfolgte Drohnenangriff auf zwei große Ölanlagen in Saudi-Arabien sorgt nicht nur politisch für neue Spannungen. Auch die globale Wirtschaft wird von den Attacken in einem schwierigen Moment getroffen. Ein Anstieg der Ölpreise könnte die durch Handelskriege angeschlagene Konjunktur in Teilen der Welt weiter schwächen.
Einen Vorgeschmack, was noch folgen könnte, gaben die Aktienmärkte, wo am Sonntag Handel stattfand. So gab die Börse in Riad mehr als zwei Prozent ab. Ölmarktexperten gingen am Sonntag davon aus, dass die Preise für Rohöl um fünf bis zehn Dollar je Fass (159 Liter) nach oben springen, wenn die Märkte in Asien heute, Montag, öffnen. Sollten die Saudis nicht rasch wieder voll lieferfähig sein, könnten die Ölpreise auch Richtung 100 Dollar marschieren,
Zuletzt kostete ein Fass der in Europa preisbestimmenden Nordseesorte Brent 60,22 Dollar (54,35 Euro). US-Leichtöl war um 54,85 Dollar zu haben.
Infolge der Zerstörungen nach den Drohnenattacken, zu denen sich Huthi-Rebellen im Jemen bekannt haben, ist die saudische Ölproduktion um 5,7 Millionen Fass auf etwa die Hälfte des üblichen Volumens zurückgegangen. Das Land deckte zuletzt rund zehn Prozent des weltweiten Ölbedarfs.
Im Fall von Engpässen wollten die USA Ölreserven freigeben. (red)
Wegen der Angriffe auf zentrale Förderanlagen ist die Ölproduktion in Saudi-Arabien um mehr als die Hälfte eingebrochen. Experten befürchten bei einem längeren Lieferengpass einen massiven Anstieg des Ölpreises. Die USA vermuten den Iran hinter dem Angriff – die Führung in Teheran bestreitet den Vorwurf.
Mehr als die Hälfte der Ölproduktion Saudi-Arabiens ist nach einem Angriff auf zentrale Ölanlagen des Königreiches bis auf weiteres lahmgelegt. Bei Drohnenattacken auf Produktionsstätten des staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco in Abkaik und Khurais im Osten des Landes wurden am Samstag Einrichtungen mit einer täglichen Förderkapazität von 5,7 Millionen Barrel Rohöl zerstört – fünf Prozent der weltweiten Nachfrage. Zwar gibt es noch keine Stellungnahme seitens der saudischen Regierung in Riad über die zu erwartende Dauer der Lieferausfälle. Brancheninsider rechnen jedoch eher mit Wochen als Tagen, bis sich die Produktion normalisiert. Die in Brand geschossenen Ölanlagen erleuchteten in der Nacht zum Sonntag weithin den Himmel, dichte Rauchschwaden breiteten sich kilometerweit aus, wie auf Satellitenbilder zu sehen war.
Zu den Attacken bekannten sich die Huthi-Rebellen im Jemen. Sie seien mit insgesamt zehn Drohnen durchgeführt worden. Die schiitischen Huthis kündigten eine Ausweitung ihrer Angriffe auf SaudiArabien an, die eine „legitime Antwort“auf das militärische Vorgehen Saudi-Arabiens im Jemen seien. Dort führt seit 2015 eine von den Saudis geführte Allianz aufseiten der Regierung von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi Krieg gegen die Huthis, die große Gebiete im Westen des Landes inklusive der Hauptstadt Sanaa kontrollieren. Zehntausende Menschen kamen seit Beginn des Konflikts bei Kampfhandlungen oder durch Hunger und Seuchen ums Leben. Dem Iran wird vorgeworfen, die Huthis mit Waffen zu beliefern, was beide bestreiten.
Vorwurf gegen Teheran
Die USA machen jedenfalls den Iran für die Angriffe auf die Ölanlagen verantwortlich. US-Außenminister Mike Pompeo erklärte, es gebe keinen Beweis, dass die Attacke vom Jemen aus durchgeführt wurde, und warf Teheran einen „beispiellosen Angriff auf die weltweite Energieversorgung“vor. Er forderte via Twitter alle Staaten auf, „die Attacken Irans öffentlich und unmissverständlich zu verurteilen“. Der Iran würde für seine Aggression zur Rechenschaft gezogen, drohte Pompeo. Das iranische Außenministerium wiederum wies die Beschuldigungen als „unsinnig und unhaltbar“zurück. Ministeriumssprecher Abbas Musawi erklärte, Washington sei auf eine Politik der „maximalen Lügen“umgestiegen, weil die „Politik des maximalen Drucks“gescheitert sei. Musawi vermutete, die USA würden mit den Schuldzuweisungen „ganz andere Ziele“verfolgen. Amir Ali Hajizadeh, Kommandant der Luftwaffe der Revolutionsgarden, warnte, der Iran sei für einen Krieg gerüstet. US-amerikanische Militärbasen und Flugzeugträger im Umkreis von 2000 Kilometern seien in der Reichweite iranischer Raketen, lautete die unverhohlene Drohung Hajizadehs.
US-Präsident Donald Trump versicherte dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman die Unterstützung der Vereinigten Staaten. Einzelne irakische Medien sahen den Ausgangspunkt der Angriffe im Irak, wo von Iran unterstützte paramilitärische Gruppierungen mehr Einfluss gewinnen. Bagdad wies dies am Sonntag zurück und erklärte, gegen jeden vorzugehen, der den Irak als Basis für derartige Aktivitäten nutzen wolle.
Noch am Samstag griffen Kampfflugzeuge der von Saudi-Arabien geführten Militärallianz Lager der Huthis in der jemenitischen Provinz Saada an, wie der von der Miliz betriebene Sender Masirah TV meldete.
Preissprung befürchtet
Am Freitag lagen die Weltmarktpreise für Rohöl je nach Sorte bei 55 US-Dollar (für US-Leichtöl WTI) bis sechzig US-Dollar (für die Nordseesorte Brent) pro Barrel. Am Montag dürften die Preise sprunghaft ansteigen, Experten rechnen mit einer Verteuerung um fünf bis zehn US-Dollar pro Barrel. Teilweise werden auch Panikreaktionen befürchtet, die den Ölpreis auch Richtung 100-Dollar-Marke treiben könnten, falls die Saudis ihre Produktion nicht rasch normalisieren können.
Der saudische Energieminister Prinz Abdelaziz bin Salman bezeichnete gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur SPA die Produktionsausfälle jedoch als vorübergehenden Effekt, der mit vorhandenen Reserven kompensiert werden könne. Sein US-Amtskollege Rick Perry erklärte, die USA seien bereit, ihre Ölreserven freizugeben, wenn es in Saudi-Arabien zu Lieferengpässen kommen sollte. Der Iran könnte eventuelle Ausfälle in jedem Fall problemlos ausgleichen, da hier die Lager wegen der US-Sanktionen voll sind. Deren Aufhebung ist aber nicht realistisch.
Saudi Aramco, der Betreiber der angegriffenen Förderanlagen, steht derzeit kurz vor dem Börsengang – dem größten aller Zeiten. Riads Börse büßte am Sonntag jedenfalls zeitweise 2,3 Prozent ein. Auch andere Aktienindizes am Persischen Golf gaben wegen der Angriffe nach. Bis zum Jahresende will Saudi Aramco ein Prozent an der Börse platzieren, ein weiteres soll 2020 folgen. Bei einer Bewertung des Ölkonzerns mit zwei Billionen Dollar ist jedes Prozent von Saudi Aramco zwanzig Milliarden schwer.
In den vergangenen Monaten wurden immer wieder vom Jemen aus Ziele in SaudiArabien angegriffen. Auch in der strategisch sensiblen Straße von Hormus kam es immer wieder zu Zwischenfällen mit Tankschiffen. Dies schürt die Sorgen vor einer militärischen Eskalation am Persischen Golf. (vos)
Saudi-Arabien gehört zu den Ländern mit den höchsten Rüstungsausgaben weltweit, es gibt Milliarden für Hightech-Militärgerät aus: Und dennoch reichen ein paar relativ einfache Drohnen aus, um Teile der ölproduzierenden Industrie zum Erlahmen zu bringen, mit internationalen Folgen. Die Details dessen, was in den AramcoAnlagen geschehen ist, wird man nicht so schnell erfahren, aber allein die Satellitenbilder – riesige Rauchwolken über der Arabischen Halbinsel – sprechen für sich.
Die jemenitischen Huthi-Rebellen haben sich bekannt, die USA haben den Iran als direkt Schuldigen benannt. Eine fast hilflos wirkende Geste, die beweisen soll, dass auch nach dem Abgang des Iran-Falken John Bolton in Washington nicht die Laxheit ausgebrochen ist. Aber die Frage nach den Konsequenzen bleibt offen: Der Preis eines Kriegs am Persischen Golf erscheint den meisten Beteiligten noch immer zu hoch. Darüber hinaus sind Experten weiterhin der Meinung, dass der Iran die Huthis zwar eindeutig unterstützt, diese aber durchaus auch auf eigene Rechnung und nicht nur auf Befehl aus Teheran agieren.
Für Saudi-Arabien, wo es wirtschaftlich ohnehin nicht so läuft, wie es die „Vision 2030“von Kronprinz Mohammed bin Salman vorsieht, ist nicht nur der ökonomische Schaden, sondern auch der Ansehensverlust enorm. Aber auch für den Iran wird es international immer ungemütlicher, jede US-Sanktionslockerung ist damit vom Tisch.