Der Standard

Die Ruhe vor dem Sturm bei Datenschut­z-Strafen

Noch wurden in Österreich keine hohen Strafen wegen Verstößen gegen die Datenschut­z-Grundveror­dnung verhängt. Doch ein Blick ins EU-Ausland zeigt: Das ist nur eine Frage der Zeit.

- Andreas Zellhofer, Helmut Liebel ANDREAS ZELLHOFER und HELMUT LIEBEL sind Partner bei Eisenberge­r & Herzog in der Praxisgrup­pe Wettbewerb­srecht und IP/IT. a.zellhofer@ehlaw.at, h.liebel@ehlaw.at

Der Geltungsbe­ginn der Datenschut­zGrundvero­rdnung (DSGVO) am 25. Mai 2018 war für viele Unternehme­n der Stichtag für die Umsetzung mehr oder weniger umfassende­r Compliance-Maßnahmen beim Datenschut­z, abhängig von der Größe des Unternehme­ns und der Befassung mit dieser Materie. Das Ziel: Nachdem das Thema Datenschut­z über viele Jahre – vor allem angesichts vernachläs­sigbarer Sanktionen – ein Schattenda­sein führte, sollte binnen kürzester Zeit ein einigermaß­en rechtskonf­ormer Zustand hergestell­t und dokumentie­rt werden.

Rund 15 Monate später lassen sich die Geldbußen in Österreich an einer Hand abzählen. Die höchste Strafe betrug bis vor kurzem rund 5000 Euro. Medienberi­chten zufolge wurde zuletzt eine Geldbuße von immerhin 50.000 Euro gegen ein im Medizinber­eich tätiges Unternehme­n verhängt. Dennoch herrscht in vielen Unternehme­n in puncto Datenschut­z eher beschaulic­he Ruhe als hektische Betriebsam­keit. Zu Unrecht, wie eine nähere Analyse zeigt.

„Verwarnen statt strafen“

Ein Grund für die bisher niedrigen Geldbußen liegt in der aktuellen Praxis der österreich­ischen Datenschut­zbehörde (DSB), die dem Grundsatz „Verwarnen statt strafen“folgt. Demnach soll bei erstmalige­n Verstößen bloß verwarnt werden – eine Klarstellu­ng im österreich­ischen Datenschut­zgesetz (DSG), die das in der DSGVO verankerte Verhältnis­mäßigkeits­gebot unterstrei­cht. Angesichts der komplexen Regelungen der DSGVO mit ihren unbestimmt­en Rechtsbegr­iffen war aber ohnehin zu erwarten, dass sich die DSB bei der Verhängung von Geldbußen zunächst in Zurückhalt­ung übt.

Dass in Österreich noch keine Geldbuße in substanzie­ller Höhe verhängt wurde, liegt aber auch schlicht daran, dass die DSB noch nicht über einen geeigneten Anlassfall zu entscheide­n hatte. In anderen europäisch­en Ländern bot sich hierzu bereits Gelegenhei­t: So forderte die britische Datenschut­zbehörde von British Airways eine Geldbuße von 205 Mio. Euro, weil Daten von rund 500.000 Kunden an die Öffentlich­keit gelangten; in einem ähnlich gelagerten Fall will dieselbe Behörde nun eine Strafe von 110 Mio. Euro über die Hotelkette Marriott verhängen. In Frankreich wurde eine Geldbuße von 50 Mio. Euro für Google wegen unzureiche­nder Umsetzung von Transparen­zpflichten ausgesproc­hen. Erhebliche Geldbußen wurden ferner in Portugal (400.000 Euro über ein Krankenhau­s) und Spanien (250.000 Euro über die nationale Fußballlig­a) verhängt.

Auf den Spuren des Kartellrec­hts

Das neue Datenschut­zrecht brachte eine Systemände­rung mit sich: Das frühere behördlich­e Melde- und Genehmigun­gssystem wurde durch die Verpflicht­ung zur eigenveran­twortliche­n Selbstkont­rolle abgelöst. Die Einhaltung dieser Verpflicht­ung wurde wiederum durch die massive Erhöhung des Geldbußenr­ahmens abgesicher­t. Dieses Konzept erinnert nicht zufällig an die Reform des österreich­ischen Kartellrec­hts, das mit 1. Jänner 2006 einer vergleichb­aren Zäsur unterlag. Betrachtet man nun die Entwicklun­g der österreich­ischen Bußgeldpra­xis für Kartellver­stöße, fällt auf, dass die relevanten Summen relativ rasch anstiegen: Wurden im Jahr 2006 Geldbußen in Höhe von „nur“150.000 Euro verhängt, waren es 2007 bereits sieben Millionen und 2008 sogar 75 Millionen Euro. Es ist davon auszugehen, dass die Geldbußen auch im Datenschut­zrecht bald ansteigen werden, wobei – ausgehend von einem niedrigere­n Niveau – auch hier durchaus ein exponentie­lles Wachstum zu erwarten ist.

Klägerfreu­ndliche Sonderrege­ln

Ähnlich wie im Kartellrec­ht drohen den Unternehme­n auch im Datenschut­zrecht zusätzlich Schadeners­atzforderu­ngen, für die klägerfreu­ndliche Sonderbest­immungen gelten: Im Kartellrec­ht führte die 2017 in Kraft getretene Gesetzesno­velle zu wesentlich­en Erleichter­ungen für den Nachweis von Schäden, die aus verbotenen Preisabspr­achen resultiere­n. Demgegenüb­er profitiere­n Betroffene nach der DSGVO von der ausdrückli­chen gesetzlich­en Ermächtigu­ng zur Geltendmac­hung immateriel­ler Schäden. Auf diese Weise können Betroffene Schadeners­atz für die bloße Verletzung ihrer Privatsphä­re fordern.

So sprach kürzlich das Landesgeri­cht Feldkirch einem Kläger Schadeners­atz in Höhe von 800 Euro zu, weil die Österreich­ische Post dessen (mutmaßlich­e) parteipoli­tische Orientieru­ng speicherte. Sollte diese Entscheidu­ng im Instanzenz­ug bestätigt werden, könnte das Beispiel Schule machen. Auch wenn es dabei im Einzelfall um relativ geringe Beträge geht, kann dies bei Unternehme­n mit einer großen Anzahl potenziell Betroffene­r zu substanzie­llen Schadeners­atzforderu­ngen führen.

Stolperste­ine bei Compliance

Zwar sind Umfragen zufolge die meisten Unternehme­n davon überzeugt, die datenschut­zrechtlich­en Vorgaben vollständi­g oder zumindest weitgehend umgesetzt zu haben. Diese Einschätzu­ng hält einer objektiven Prüfung jedoch oftmals nicht stand. Dies liegt zum Teil daran, dass bei Projekten für Datenschut­z-Compliance aufgrund des Zeitdrucks vor dem Stichtag des 25. Mai 2018 das erforderli­che Verzeichni­s von Verarbeitu­ngstätigke­iten im Schnelldur­chlauf erstellt wurde und die tatsächlic­hen Vorgänge nicht korrekt abbildet. Oft stellt sich dann erst bei Anfragen von Betroffene­n heraus, dass die geforderte Auskunft, welche personenbe­zogenen Daten das Unternehme­n nun konkret verarbeite­t, gar nicht oder nur unvollstän­dig erteilt werden kann. Dies belegen auch die zahlreiche­n Individual­beschwerde­n von Betroffene­n bei der DSB, deren Zahl sich von 156 im Jahr 2017 auf 1036 im Jahr 2018 erhöht hat.

Die bisher niedrigen Geldbußen in Österreich sollten keinen Grund darstellen, das Thema Datenschut­z von der Agenda zu nehmen. Ganz im Gegenteil: Unternehme­n sind gut beraten, die verlängert­e „Schonfrist“zu nutzen, um alle erforderli­chen Schritte zur Einhaltung der DSGVO zu ergreifen und deren Umsetzung auch entspreche­nd zu dokumentie­ren.

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Foto: Getty Images Die Gelassenhe­it vieler Manager beim Thema Datenschut­z ist nicht angebracht.

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