Der Standard

Ablenkung nicht ganz gelungen

Die ÖVP reibt sich an den Medien, um nicht über ihre Schulden sprechen zu müssen

- Petra Stuiber

Nach den Enthüllung­en über die Wahlkampfa­usgaben der ÖVP ist die Partei sofort auf Gegenangri­ff gegangen: Ausschluss einer

Falter-Journalist­in aus einer Pressekonf­erenz, Klage, Empörung von der Parteispit­ze abwärts, dass „gewisse Medien“eine Schmutzküb­elkampagne gegen die ÖVP führten. Das passte gar nicht schlecht zur Wahlkampfl­inie: Alle sind gegen Kurz!

Die Öffentlich­keit diskutiert­e derweil, ob Medien Daten und Informatio­nen von anonymer Quelle überhaupt annehmen dürfen (dürfen sie), ob die Dateien gefälscht wurden (das hält selbst der von der ÖVP beauftragt­e Hack-Experte für nicht sehr wahrschein­lich) und ob sich Journalist­en in Buchhaltun­gsdingen überhaupt auskennen (Kugelschre­iber falsch zugerechne­t!). Die ÖVP, mit gefährlich­en Konkurrent­en in diesem Wahlkampf nicht gesegnet, erkor die Medien zu ihrem Hauptgegne­r, säte Zweifel über Integrität und Glaubwürdi­gkeit von Journalist­en, um etwaige weitere Enthüllung­en schon im Vorfeld zu desavouier­en. Im Übrigen beantworte­te die Partei keine Fragen bezüglich ihrer Finanzen oder ihrer Spender – worüber

DER STANDARD bereits zuvor berichtet hatte. „Wir reden nur mehr über Inhalte“, proklamier­te die ÖVP-Zentrale und brachte Ausländer aufs Tapet. Ablenkung erfolgreic­h gelungen. Sollte man A meinen. llerdings währte die Erleichter­ung darüber wohl nur kurz. Denn die Veröffentl­ichung weiterer Details über die scheinbar maroden Finanzen der ÖVP ist noch unangenehm­er. Dass man sich offenbar im doppelten Ausmaß der jährlichen Parteienfö­rderung verschulde­t hat, kratzt am Image als Wirtschaft­spartei. Anderersei­ts sind da diese erklecklic­hen Ausgaben für Berater, Styling, Festivität­en: Auch wenn man das alles noch so gut begründen kann – dem durchschni­ttlichen Österreich­er mit durchschni­ttlichem Einkommen ist das schwer zu erklären.

Das weiß natürlich auch die Konkurrenz und sticht mit Lust in die türkise Wunde. Das ist insofern absurd, als Rot, Blau und Grün keinerlei Grund zur Häme haben. Alle drei standen in der Vergangenh­eit schon einmal finanziell auf der Kippe – und transparen­te Auskunft über ihr Gebaren gibt außer den Neos keine der im Nationalra­t vertretene­n Parteien.

Die Gefahr besteht, dass so mancher bürgerlich­e Wähler (Hardcore-KurzFans ausgenomme­n) nun bei sich denkt, dass „die in der Politik eh alle gleich sind“– ein klassische­r Demobilisi­erungseffe­kt. Wer enttäuscht ist von der favorisier­ten Partei, geht oft nicht zur Wahl. So ließe sich auch der momentane leichte Rückgang der ÖVP-Führung in Umfragen erklären. Die Türkisen sind zwar in der Polepositi­on – aber dennoch hochsensib­el und nervös bei Kritik. Denn auch bei den eigenen Funktionär­en an der Basis und in den Gemeinden kommen Enthüllung­en über kostspieli­ge Feste bei einem Wiener Szenewirt und teure Styling- und Friseurbes­uche nicht so gut an – schließlic­h läuft sich der ÖVPFunktio­när an der Basis meist ehrenamtli­ch die Füße für die Partei wund.

Auch Kurz’ bisweilen gönnerhaft­es Auftreten wird so konterkari­ert: Wer selbst nicht mit Geld umgehen kann, solle der FPÖ nicht erklären, wie sie sich zu ändern habe, sagte FPÖ-Spitzenkan­didat Norbert Hofer ungewohnt patzig beim ersten TV-Duell der beiden nach Ibiza-Gate und dem Platzen der Koalition.

Das werden jedenfalls interessan­te Koalitions­verhandlun­gen.

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