Der Standard

Trump hält vorerst an Giuliani fest

Trotz Ermittlung­en gegen Anwalt – Neue Spur nach Wien

- Florian Niederndor­fer

Washington – Trotz Ermittlung­en gegen Rudy Giuliani will Donald Trump den New Yorker Ex-Bürgermeis­ter offenbar als Anwalt behalten. Das ließ der in der Ukraine-Affäre unter Druck stehende US-Präsident am Sonntag durchblick­en. Zwei Partner Giulianis waren am Mittwoch auf dem Weg nach Wien festgenomm­en worden. US-Behörden beschuldig­en sie der illegalen Wahlkampff­inanzierun­g. In gleicher Sache ermitteln sie gegen Giuliani, der einen Tag später Wien besuchen wollte. Kiewer Medien sehen eine mögliche Verbindung zu dem Oligarchen Dmitri Firtasch. (red)

Wien – Statt Wien ist es also ein Trump-Golfplatz geworden. Rudy Giuliani, Anwalt von US-Präsident Donald Trump, war am Samstag von seinem Chef zum Lunch geladen. Tags zuvor hatte es noch Zweifel darüber gegeben, ob das persönlich­e Verhältnis der beiden Männer noch völlig unbeschädi­gt sei. Grund sind Ermittlung­en in einem Fall um mutmaßlich illegale Wahlkampff­inanzierun­g in den USA, in den laut Meldungen von Freitag auch Giuliani selbst verstrickt ist.

Gegen den New Yorker Ex-Bürgermeis­ter wird in diesem Zusammenha­ng ermittelt. Schon Mittwoch waren zwei seiner Geschäftsp­artner, Lev Parnas und Igor Fruman, im gleichen Zusammenha­ng verhaftet worden. Trump soll dann überlegt haben, Giuliani zu entlassen.

Aussage in Sachen Firtasch

Parnas und Fruman wollten eigentlich nach Wien reisen. Tags darauf wollte laut US-Medien auch Giuliani selbst die österreich­ische Hauptstadt besuchen. Der Grund für die Reisen aller drei Männer ist offen. Spekuliert wird über einen Zusammenha­ng zum ukrainisch­en Oligarchen Dmitri Firtasch, der sich seit 2014 in Österreich befindet. Seine Auslieferu­ng begehren die USA.

Vor einigen Monaten hatte Firtasch sein US-Anwaltstea­m gewechselt: Victoria Toensing und Joe DiGenova, die auch schon Trump beraten hatten, kümmern sich nun um ihn. Laut Kyiv Post hatWiktorS­chok in, Ex-Generalsta­atsanwalt der Ukraine, am 4. September eine Aussage eingebrach­t. Er beschuldig­t Ex-US-Vizepräsid­ent Joe Biden, 2015 eine Auslieferu­ng Firtaschs an Kiew hintertrie­ben zu haben. Auch wiederholt er den Vorwurf, Bidens habe seine Absetzung gefordert.

Letzteres behauptet auch Trump, gegen den der US-Kongress wegen eines Telefonats mit dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj ermittelt. Trump hatte Selenskyj gedrängt, die ukrainisch­en Ermittlung­en bezüglich der Gas firmaBuris­mua wieder aufzunehme­n–offenbar mit dem Ziel, Vorwürfe gegen Hunter Biden zu finden, den Sohn Joe Bidens. Hunter Biden saß 2014 bis 2019 im Aufsichtsr­at von Burisma, Joe Biden gilt als möglicher Gegner Trumps 2020. Auf die Entlassung Schokins hatte nicht nur Biden, sondern auch die EU gedrängt. Grund war dessen angebliche Untätigkei­t gegen Korruption. Trump steht im Verdacht, die Macht seines Amtes zum persönlich­en Vorteil missbrauch­t zu haben. (mesc)

Geschmacks­sicherheit war nie Rudolph Giulianis Stärke. Als Dragqueen verkleidet ließ er sich

2001 samt fingerdick­em Make-up und großzügig ausstaffie­rter Brust von einem blonden, sich selbst mimenden Societylöw­en so derb umgarnen, dass sich dieser vor laufender Kamera eine Ohrfeige einfing. Fast zwei Jahrzehnte nach dem bizarren Slapstick für eine US-Comedysend­ung residiert der vermeintli­che Kavalier als Präsident im Weißen Haus – und hat sein Schicksal mit jenem seiner damaligen Muse verknüpft.

Auch wenn zuletzt Risse in der Männerfreu­ndschaft geortet wurden, gilt der heute 75-Jährige allen Vorwürfen zum Trotz als Donald Trumps wichtigste­r Vasall. Ganze 31 Mal nennt der Ukraine-Whistleblo­wer Giulianis Namen. Dessen Laufbahn erscheint in diesem Licht wie eine Abwärtsspi­rale, an deren Beginn er Amerikas Wunden zu heilen vermochte – und an deren Ende er womöglich ins Gefängnis wandert.

Es war 2001, als Giuliani, dem kurz zuvor Prostatakr­ebs diagnostiz­iert worden war, im Zenit seiner Macht stand. Als New Yorker Bürgermeis­ter hatte er erfolgreic­h – und mit dem Eisenbesen – die Kriminalit­ät dezimiert; wenig später sollte er nach dem Anschlag auf das World Trade Center zu „America’s Mayor“avancieren, dem berühmtest­en Bürgermeis­ter der USA. Dass seine teils liberale Weltanscha­uung so gar nicht ins typische Raster des Law-and-Order-Republikan­ers passen wollte, machte ihn über Parteigren­zen hinweg populär. Das Time-Magazin adelte ihn 2001 zur Person des Jahres, die Queen höchstpers­önlich schlug ihn im Jahr darauf zum Ritter. Einige Hinterblie­bene von 9/11 werfen ihm aber bis heute mangelhaft­es Krisenmana­gement vor.

Still wurde es um Giuliani auch nicht, als er Ende 2001 nach zwei Amtszeiten das Rathaus räumen musste. 2008 galt er als Favorit für die Nachfolge George W. Bushs als US-Präsident, unterlag in den Vorwahlen aber früh John McCain. Obwohl er mit seinen Sicherheit­sund Beratungsf­irmen Millionen scheffelte, suchte er rasch wieder die Öffentlich­keit, gerne auch im Trash-TV. 2016 schließlic­h sprang er seinem Freund Trump im Wahlkampf bei und bediente sich dazu mitunter auch kruder Verschwöru­ngstheorie­n. Im vergangene­n Jahr wurde er im Zuge der Russland-Affäre schließlic­h der Privatanwa­lt seines ehemaligen Verehrers. Mit einer Ohrfeige wird er sich diesmal aber nicht aus der Affäre ziehen können.

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Foto: Reuters Rudolph Giuliani gerät an der Seite Trumps in den Ukraine-Skandalsum­pf.

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