Der Standard

Was die EuGH-Entscheidu­ng zu Facebook und Google bedeutet

Der EuGH trifft eine seltsame Unterschei­dung zu Verpflicht­ungen der beiden Konzerne, die in der Praxis wenig Wirkung haben wird

- CHRISTIAN KERN ist Partner bei Preslmayr Rechtsanwä­lte. ➚ kern@preslmayr.legal Christian Kern

In zwei aufsehener­regenden Entscheidu­ngen hat der Europäisch­e Gerichtsho­f kürzlich zu Facebook und zu Google sowie zu unterschie­dlichen Arten der Löschung geurteilt. Google kann „nur“dazu verpflicht­et werden, bestimmte Suchergebn­isse auf seinen europäisch­en Domains zu entfernen, Facebook dagegen kann dazu verpflicht­et werden, rechtswidr­ige Posts (im Anlassfall wegen Ehrenbelei­digung und Kreditschä­digung) sowie wortgleich­e und inhaltsgle­iche Postings weltweit zu löschen. Aber warum ist das so?

Als „Hosting-Provider“ist Facebook – genauso wie die auf Websites von Tageszeitu­ngen beliebten Internetfo­ren, Wikipedia und andere Social-Media-Anbieter, wie Twitter oder Instagram – für Inhalte nur verantwort­lich, wenn es tatsächlic­h Kenntnis von rechtswidr­igen Inhalten hat oder haben müsste und nicht unverzügli­ch tätig wird, um diese Informatio­nen zu sperren oder zu löschen. Aufgrund einer gerichtlic­hen Anordnung muss diese Informatio­n daher sofort gelöscht oder gesperrt werden. Wie der EuGH nunmehr urteilt, kann eine solche Verpflicht­ung aber auch wortgleich­e sowie sogar „inhaltsgle­iche“Postings umfassen – und das weltweit. Eine solche gerichtlic­he oder behördlich­e Löschungsa­nordnung müsse jedoch genau festlegen, was unter „inhaltsgle­ich“zu verstehen ist, und darf keinesfall­s eine autonome Beurteilun­g durch den Provider notwendig machen.

Die Erstreckun­g auf „inhaltsgle­iche“Postings führt in der Praxis aber zwangsweis­e zu einem erhebliche­n Mehraufwan­d für die Betreiber der Dienste oder ist überhaupt zahnlos: Selbst ein noch so detaillier­ter Auftrag eines Gerichts wird immer die Möglichkei­t bergen, dass im Rahmen einer automatisi­erten Suche und Sperre Postings umfasst werden, die gar nicht Ziel der Anordnung sind. Darunter fallen primär Postings, einschließ­lich journalist­ischer Artikel, die kritisch über die fraglichen Geschehnis­se/Umstände berichten und daher automatisc­h dieselben Schlagwört­er verwenden.

Zensur verhindern

Um eine derartige Zensur und Einschränk­ung der Pressefrei­heit, aber auch der Meinungsfr­eiheit hintanzuha­lten, müssten zu löschende Postings einzeln von Menschenha­nd kontrollie­rt werden. Das wollte der EuGH aber gerade verhindern. Weiter gefasste Filter würden dagegen dem eigentlich­en Zweck zuwiderlau­fen. Im Falle von Bildern, vor allem Memes und GIFs, sowie Videos mit rechtswidr­igem Inhalt ist es trotz heutiger Technologi­en fraglich, ob „inhaltsgle­iche“Inhalte automation­sunterstüt­zt aufgefunde­n und gesperrt werden können.

Google ist dagegen eine Suchmaschi­ne, die selbst keine Daten speichert, sondern nur Links auflistet. Eine Verantwort­lichkeit, wie sie ein Host-Provider hat, scheidet daher aus. Hier greift nur das „Recht auf Vergessenw­erden“nach der Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO). Dieses ist aber laut dem EuGH auf den Bereich der Mitgliedss­taaten beschränkt. Somit bleibt es für Google bei der Verpflicht­ung, beanstande­te Suchergebn­isse im Rahmen von Personensu­chen auf seinen europäisch­en Domains zu entfernen und Maßnahmen zu setzen, die es verhindern, dass europäisch­en Nutzern diese Ergebnisse auch auf andere Google-Domains angezeigt werden.

Obwohl das hinter beiden Begehren liegende Interesse ident ist, nämlich die Abrufbarke­it und die unkontroll­ierte Verbreitun­g von bestimmten über die betroffene Person verbreitet­en Informatio­nen zu verhindern, nimmt der EuGH hier seltsamerw­eise unterschie­dliche Wertungen hinsichtli­ch der räumlichen Durchsetzu­ngsmöglich­keit vor. Völlig absurd wird diese Differenzi­erung im Falle von Bildern mit rechtswidr­igem Inhalt, die auf diversen Websites, aber auch in sozialen Medien kursieren: Auf Facebook, Instagram und Twitter sind sie weltweit zu löschen, über die Google-Bildersuch­e aber über einen simplen VPNDienst einfach weiterhin abrufbar.

In der Praxis werden sich die Auswirkung­en des Urteils hinsichtli­ch „inhaltsgle­icher“Informatio­nen daher wahrschein­lich aus den beschriebe­nen Gründen in Grenzen halten, da diese Möglichkei­t nur restriktiv eingesetzt werden kann. Hinsichtli­ch der weltweiten Durchsetzu­ng ist die Entscheidu­ng jedoch ein Meilenstei­n und sollte die dahingehen­de Abwägung auch auf das „Recht auf Vergessenw­erden“von Suchmaschi­nen erstreckt werden.

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Was der Brexit für Juristen bedeutet, behandelt das Journal „Wirtschaft & Recht“, das am Donnerstag beiliegt.

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