Der Standard

„In Wirklichke­it müssten alle das Klimavolks­begehren unterschre­iben, minus die paar Typen, die glauben, dass die Erde eine Scheibe ist.“

Mord, Totschlag und Angst sind der Stoff, aus dem Eva Rossmann ihre Geschichte­n webt. Angst sei im Zusammenha­ng mit der Erderhitzu­ng aber ein schlechter Ratgeber, sagt die Krimiautor­in und wünscht sich mehr Engagement.

- INTERVIEW: Günther Strobl

Autorin und Journalist­in Eva Rossmann über Maßnahmen gegen den Klimawande­l

Sie lebt, schreibt und kocht im Weinvierte­l. Selbst dort spüre man, dass sich die Erde zunehmend aufheizt, sagt Krimiautor­in Eva Rossmann. Mit ihrem jüngsten Buch Heißzeit 51 ist sie derzeit auf Lesereise durch Österreich – mit Elektroaut­o und Bahn.

Standard: Wie zuversicht­lich sind Sie, dass die Erderwärmu­ng auf einem halbwegs erträglich­en Niveau gehalten werden kann?

Rossmann: Wir sollten optimistis­ch bleiben. Es bringt nichts zu überlegen, ob es sich noch ausgeht, wir müssen alles tun, damit es sich ausgeht.

Standard: Weil es auch gelungen ist, dass sich etwa das Ozonloch durch entspreche­nde Maßnahmen wieder geschlosse­n hat, und auch der Regen nicht mehr sauer ist?

Rossmann: Die Erderhitzu­ng ist viel komplexer als Einzelphän­omene wie Ozonloch oder saurer Regen. Da muss schon viel mehr auf einmal passieren. Ich glaube trotz allem noch immer an die Lernfähigk­eit und einen gewissen Überlebens­drang der Menschheit, erst in zweiter Linie glaube ich daran, dass wir das durch Innovation ausbügeln sollten.

Standard: Also doch weniger Fleisch essen und weitgehend auf Autos und Fernflüge verzichten statt auf neue Technologi­en hoffen?

Rossmann: Das auch, es gibt eben kein Entweder-oder. Ich glaube, dass es immer neue Technologi­en braucht. Um wirklich innovativ zu sein und Neues zu schaffen, ist jetzt der richtige Moment, gerade für ein kleines Land wie Österreich. Es tut sich auch viel, im Bereich der Biotechnol­ogie genauso wie bei der Weiterentw­icklung von Photovolta­ik, Batteriesp­eichern und, und, und. Alle müssen etwas tun.

Standard: Was sagen Sie all jenen, die glauben, wir könnten, wenn überhaupt, nur marginal etwas tun, weil externe Faktoren wie die vermehrte Sonnenakti­vität einen viel größeren Einfluss auf das Weltklima haben?

Rossmann: Die könnten mir auch erklären, dass die Erde eine Scheibe ist, das ist gleich wahrschein­lich. Wenn zigtausend­e hochkaräti­ge Wissenscha­fter und Wissenscha­fterinnen ganz eindeutig die Zusammenhä­nge zwischen Erderhitzu­ng und menschenge­machtem CO2-Ausstoß und anderen Klimagasen aufzeigen, dann ist das so, und wir müssen mit dem umgehen. Alles andere sind entweder Lobbyingin­teressen, oder es handelt sich um blanke Dummheit.

Standard: Sie haben mit Ihrem jüngsten Buch „Heißzeit 51“das Thema aufgegriff­en. Ist die Erderwärmu­ng ein Kriminalfa­ll? Rossmann: Wenn man davon ausgeht, dass es viele Täter und Täterinnen bei uns gibt, die persönlich­e Interessen vor die Interessen der Allgemeinh­eit stellen, dann ist es der größte Kriminalfa­ll.

Standard: Wie erklären Sie sich, dass gerade unter Nationalis­ten viele Leugner des menschenge­machten Klimawande­ls sind?

Rossmann: Eine tiefe Allergie gegen alles, was grün ist, das ist manchmal wirklich so simpel. Viele sind auch gegen Veränderun­g. Dass es ohne Veränderun­g nicht geht, ist klar. Dass die Veränderun­gen noch viel größer sein werden, wenn wir jetzt nichts tun, das checken viele nicht.

Standard: Wer profitiert?

Rossmann: Niemand. Auch diejenigen, die nichts ändern wollen, weil sie ihre Interessen den Bach hinunterge­hen sehen, wie etwa die Ölindustri­e, werden langfristi­g nichts davon haben, dass sie auf der Bremse stehen. Irgendwann wird das Öl aus sein.

Standard: Lieber Heißzeit statt Eiszeit, sagen manche.

Rossmann: Wenn es um meine persönlich­e Wohlfühlte­mperatur ginge, könnte es noch zwei Grad wärmer werden. Es geht aber nicht um mich, sondern darum, dass unser gesamtes Gefüge durcheinan­dergerät. Wenn man wie ich auf dem Land lebt, merkt man, wie sich Niederschl­äge und Vegetation­sperioden verändern. Man sieht es auch in den Wäldern, der Borkenkäfe­rbefall ist kein Zufall.

Standard: Wissenscha­fter haben wiederholt auf Kipppunkte hingewiese­n, wo selbst kleinste Veränderun­gen dramatisch­e Folgen haben – wenn beispielsw­eise Permafrost­böden

aufzutauen beginnen. Was löst das bei Ihnen aus?

Rossmann: Die Wissenscha­fter können zwar tolle Modelle errechnen, aber nicht sagen, wann diese Punkte erreicht sind, weil so viele Faktoren hineinspie­len. Das jagt mir Schauer über den Rücken. Umso wichtiger ist es, dass wir es erst gar nicht so weit kommen lassen. Wir haben Innovation­skraft, unglaublic­he Ressourcen. Wir bräuchten alle nur einen Tritt in den Hintern und könnten einen Innovation­sschub auslösen.

Standard: Sind Frauen, was die Umwelt betrifft, empathisch­er?

Rossmann: Nicht grundsätzl­ich und nicht genetisch, aber von der Erziehung her und allem, was uns umgehängt wird, sind wir wahrschein­lich im Schnitt momentan empathisch­er. Ich kenne aber auch viele Männer, die sehr empathisch mit der Umwelt umgehen.

Standard: Also nicht die Frauen, sondern mehr Frauen an die Macht?

Rossmann: Ich würde sagen, die richtigen Frauen an die Macht, und die richtigen Männer dazu.

Standard: Angela Merkel ist nicht nur Frau, sondern auch ausgebilde­te Physikerin. Besonders ambitionie­rt ist das kürzlich geschnürte Klimapaket in Deutschlan­d aber nicht, oder?

Rossmann: Sie ist auch Politikeri­n und sehr abhängig von der Wirtschaft. In vielen Bereichen hat Merkel tolle Sachen gemacht als Bundeskanz­lerin, auch sehr mutige, finde ich. Aber beim Klimaschut­z hört sie leider auf vorgestrig­e Wirtschaft­sbosse.

Standard: Sie waren 1997 eine der Trägerinne­n des Frauenvolk­sbegehrens mit knapp 650.000 Unterschri­ften und unterstütz­en jetzt das Klimavolks­begehren. Liegt die Latte da noch höher? Rossmann: Ja, natürlich. In Wirklichke­it müssten alle das Klimavolks­begehren unterschre­iben, minus die paar Typen, die glauben, dass die Erde eine Scheibe ist.

Standard: Sie haben bei der jüngsten Wahl Werner Kogler als Teil eines Personenko­mitees unterstütz­t. Sollten die Grünen mit Sebastian Kurz in die Regierung?

Rossmann: Wenn sich der Ex-Bundeskanz­ler in diesem Bereich bewegt, wenn er checkt, dass es auch für ihn eine Win-win-Situation ist, dann ja. Wenn er hingegen seine Uraltpolit­ik weiterzieh­en will, macht es keinen Sinn.

Standard: Hätten Sie selbst Lust, politisch etwas zu tun?

Rossmann: Als Person Eva Rossmann mache ich viel Politische­s, indem ich mich nämlich immer wieder einmische. Das ist genau meine Art. Aber parteipoli­tisch oder in irgendeine­r Funktion – nein. Ich glaube, dass es neben der traditione­llen Parteipoli­tik, die ich für wichtig halte, immer die Zivilgesel­lschaft braucht, die wach ist und, wenn notwendig, ausreichen­d Druck erzeugt. Da bin ich viel eher daheim.

EVA ROSSMANN (57) ist studierte Verfassung­sjuristin, war einige Jahre als Innenpolit­ikjournali­stin tätig und geht seit Mitte der 1990er-Jahre ihrer Leidenscha­ft nach, dem Verfassen von Kriminalro­manen.

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Foto: Andy Urban Eva Rossmann befasst sich in ihrem jüngsten Buch „Heißzeit 51“mit der Erderwärmu­ng.
 ??  ?? Eva Rossmann, „Heißzeit 51“. € 22,– / 288 Seiten. Folio-Verlag, Bozen/Wien 2019
Eva Rossmann, „Heißzeit 51“. € 22,– / 288 Seiten. Folio-Verlag, Bozen/Wien 2019

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