Trump lässt Zollwaffe gegen China stecken
US-Präsident Donald Trump verzichtet auf die für Dienstag angedrohte weitere Eskalation im Handelsstreit mit China und spricht von einem erzielten Teilabkommen sowie weiteren Verhandlungen.
Wenn die Börsen heute, Montag, aufsperren, wird der Effekt der am Freitagabend überraschend verkündeten Teileinigung im Handelskonflikt zwischen USA und China wohl schon wieder durch andere Ereignisse überlagert sein, meinten Analysten am Wochenende. Die US-Aktienmärkte, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Durchbruchs noch geöffnet hatten, legten zunächst kräftig zu, gaben später aber Teile ihrer zuvor erzielten Gewinne wieder ab.
Zu widersprüchlich sind die Angaben zum Deal. Und das, was bekanntgemacht wurde, muss erst noch in trockene Tücher gewickelt werden.
Laut Trump ist die Führung in Peking bereit, den chinesischen Bankenmarkt für Finanzdienstleister aus den USA zu öffnen, die Landeswährung Renmimbi nicht weiter als Kampfmittel zur Verbilligung eigener Exporte einzusetzen und den Diebstahl geistigen Eigentums zu unterbinden. Und: China habe außerdem zugesagt, US-Bauern Agrargüter im Wert von 40 bis 50 Milliarden Dollar (36 bis 45 Milliarden Euro) abzukaufen. Die restlichen Streitpunkte, insbesondere auch die, die neue, sicherheitsrelevante Technologien betreffen, sollten in einer zweiten und womöglich dritten Phase von Verhandlungen geklärt werden.
China zurückhaltend
China sprach in einer ersten Reaktion etwas zurückhaltender von „substanziellen Fortschritten“in den Verhandlungen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Wochenende berichtete, erörterten beide Seiten demnach auch Vorbereitungen für künftige Konsultationen und einigten sich darauf, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um schließlich eine Einigung zu erzielen.
Die USA jedenfalls wollen auf die für morgen, Dienstag, angedrohte Anhebung von Strafzöllen von 25 auf 30 Prozent verzichten. Betroffen gewesen wären Produkte „made in China“im Wert von insgesamt 250 Milliarden US-Dollar.
Was die von Trump für Mitte Dezember angekündigten zusätzlichen Strafzölle betreffe, sei hingegen noch keine Entscheidung gefallen, sagte US-Handelsbeauftragter Robert Lighthizer. Ursprünglichen Plänen zufolge sollten dann Strafzölle von 15 Prozent auf Konsumgüter aus China im Wert von rund 160 Milliarden USDollar in Kraft treten.
„Die Abschaffung eines Teils der Zölle bedeutet eher eine Minderung der Spannungen als ein Ende des Handelskriegs“, gab Chinas parteinahe Zeitung Global Times am Wochenende in einem Kommentar zu bedenken: „Es muss noch viel Arbeit geleistet werden, damit beide Seiten zu einem endgültigen Ergebnis kommen.“
Trump äußerte seine Hoffnung, dass das Teilabkommen in den kommenden drei bis fünf Wochen finalisiert werden könne. Er und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping könnten es dann womöglich am Rande des Gipfels der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) Mitte November in Santiago de Chile unterzeichnen. Die Verhandlungen zur Lösung verbliebener Streitpunkte sollten unmittelbar nach Abschluss des ersten Teilabkommens beginnen.
Entspannung im Konflikt
Mit der Teileinigung kommt Entspannung in den Handelskrieg, der in beiden Ländern zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums geführt hat und die Weltkonjunktur bremst. Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt haben einander schrittweise mit immer neuen Strafzöllen überzogen. Auch auf den Aktienmärkten schlug sich das Tauziehen der politischen und wirtschaftlichen Schwergewichte nieder, immer wieder bekamen Anleger neuerliche Eskalationen zwischen den Rivalen über sinkende Kurse ihrer Wertpapiere zu spüren.
Die Verkündung eines Teilabkommens kam überraschend: Trump hatte wiederholt betont, seine Priorität sei ein umfassendes Handelsabkommen. Bei den großen Agrarproduzenten im Mittleren Westen der USA sorgte die Nachricht einer Teileinigung für Hoffnung, dass die zuletzt stark zurückgegangenen Exporte in das Reich der Mitte wieder anspringen.
Auf US-Präsident Donald Trump ist Verlass, was die Sprunghaftigkeit seiner Entscheidungen betrifft. Das zeigt sich einmal mehr im Handelsstreit mit China. Vor gut einer Woche noch hatte Trump einen umfassenden Deal zur Voraussetzung gemacht, damit die Zollwaffe mit großem Kaliber im Schrank bleibt. Es gibt noch immer keinen Deal, bestenfalls eine Absichtserklärung, und diese betrifft auch nur einzelne Kapitel in der langen Liste der Streitthemen. Dennoch ist die für Dienstag angekündigte weitere Erhöhung der Zölle auf chinesische Importe vom Tisch – vorerst zumindest, ist man geneigt zu sagen.
Das ist zweifellos gut für die USA, für China und auch für die Weltkonjunktur, deren Motor durch den seit fast eineinhalb Jahren schwelenden Handelskonflikt nur mehr untertourig läuft. Eine Erhöhung der Zölle auf Produkte „made in China“im Wert von 250 Milliarden Dollar hätte sofort zu einer chinesischen Gegenreaktion geführt, von der vor allem US-Bauern im Mittleren Westen betroffen gewesen wären.
Im Hinblick auf die Wahl im nächsten Jahr kann sich Trump anscheinend vieles leisten, eine Gegnerschaft in den Swing-Staaten Ohio und Nebraska aus den eigenen Republikaner-Reihen aber eher nicht. Insofern ist es verständlich, dass er mit einem Schielen auf die Wiederwahl 2020 den Waffenstillstand mit China als Deal zu verkaufen sucht. Ein tatsächlicher Deal sieht anders aus.