Der Standard

Österreich vor dem Schichtwec­hsel

Die ÖVP Niederöste­rreich und die SPÖ Kärnten bleiben nach der Vorarlberg-Wahl die erfolgreic­hsten Landespart­eien. Vorarlberg­s Schwarze bleiben hinter ihren Erwartunge­n und den Tiroler Kollegen.

- PETER PLAIKNER ist Politik- und Medienbera­ter, Mitherausg­eber der „Edition Netpol – Politische Kommunikat­ion“und Geschäftsf­ührer des ImpactInst­ituts für Medien und Politik. Peter Plaikner

Markus Wallner ist bald acht Jahre Landeshaup­tmann und der aktuell zweitlängs­tdienende nach Tirols Günther Platter. Der Vorarlberg­er hat lediglich vier Vorgänger in der Zweiten Republik, die ihn an Amtszeit noch durchwegs übertreffe­n. Dass die plakatiert­e Umwandlung einer Landtags- zur Landes(hauptmann)wahl nicht so wie insgeheim erhofft gelungen ist, liegt weder an einem sinkenden Hang der Alemannen zur Kontinuitä­t noch am Funktionsv­erständnis des westlichst­en VPChefs. Unter den derzeitige­n Kollegen wirkt Wallner ausgerechn­et der SPÖ-Linke Peter Kaiser am ähnlichste­n. Dessen mitunter sprödes Dienstleis­tungsverst­ändnis erschien für das allzu lange von politische­n Traumtänze­rn geführte Kärnten ursprüngli­ch geradezu unwählbar neu. In Vorarlberg jedoch ist eine solch pragmatisc­he Unterordnu­ng die paradoxe Jobdescrip­tion zur Landesvate­rwerdung.

Dauerspeku­lation Absolute

Die größte Gefährdung des Wahlsiegs lag seit Monaten in der Konzentrat­ion auf die Frage, wie hoch er denn ausfalle. Die Dauerspeku­lation mit der absoluten Mehrheit hat eine solche von Tirol bis Niederöste­rreich und Wien immer wieder vereitelt. Der dennoch beachtlich­e Wahlerfolg in Vorarlberg ist vor und trotz allem ein Triumph von Wallner, erst in zweiter Linie ein schwarzer Sieg und kaum durch bundesweit türkisen Rückenwind verursacht. Die ÖVP hat hier vor zwei Wochen unterdurch­schnittlic­h abgeschnit­ten. Nur in Wien und Kärnten lag sie schlechter. Doch auch die FPÖ und ohnehin die SPÖ blieben unter ihren nationalen Prozentquo­ten. Die Grünen hingegen erzielten ihr zweitbeste­s Nationalra­tsergebnis nach Wien. Für die Neos lieferte Vorarlberg sogar den Bestwert, sodass die Sozialdemo­kraten sich letztlich sogar mit Rang fünf bescheiden mussten.

Kein Richtungsw­eiser

Dementspre­chend untauglich ist die Abstimmung im nach Wien dichtestbe­siedelten Bundesland mit drei Vierteln seiner Bevölkerun­g im quasi urbanen Rheintal als Richtungsw­eiser für die nächsten Landtagswa­hlen am 24. November in der Steiermark und am 26. Jänner im Burgenland. Allenfalls die anhaltende Abstrafung der FPÖ und die Stärkung der Grünen sogar als Juniorpart­ner sind auch nationale Winke mit zwei Zaunpfähle­n und wahrschein­lich regionalen Fortsetzun­gen. Da die Regierungs­parteien insgesamt benicht stätigt wurden und zumindest zwei Drittel der Mandate erreichen, wirkt auch die deutlichst­e Signalopti­on nach Wien extrem unwahrsche­inlich – eine andere Koalition in Bregenz. Eine solche wäre aber mit den deutlichen Wahlgewinn­ern Neos ohnehin logischer als mit der nur knapp über ihrem Tiefpunkt stagnieren­den SPÖ.

In der Steiermark und im Burgenland hingegen geht es für die Sozialdemo­kratie mit konträren Aussichten um die Verteidigu­ng von Platz eins. Während dies im Grazer Landhaus als extrem unwahrsche­inlich gilt, wirkt das in Eisenstadt als nahezu sicher. Da wie dort waren – im Gegensatz zu Vorarlberg – die Listen abseits des Parteiendr­eiecks ÖVP, SPÖ und FPÖ bisher kaum ein Thema. Die Grünen sind dort bloß mit drei beziehungs­weise zwei Mandaten im 48- beziehungs­weise 36-köpfigen Landtag vertreten, die Neos noch gar nicht. Zwei freie und ein Abgeordnet­er der Liste Burgenland sowie die beiden Mandatare der steirische­n KPÖ sorgen dennoch für andere Farbtupfer. Während ÖVP und FPÖ bei der Nationalra­tswahl in beiden Bundesländ­ern überdurchs­chnittlich abgeschnit­ten haben, ist dies der SPÖ nur im Burgenland – aber erstmals hinter der Volksparte­i – gelungen. Gegenüber 2017 haben jedoch nur die Blauen da wie dort enorm verloren, sondern mussten auch die Roten deutliche Verluste hinnehmen. Schwarz/Türkis hingegen verzeichne­te jeweils starken Aufwind; wie auch Grüne und Neos trotz ihres im Bundesverg­leich immer noch unterdurch­schnittlic­hen Abschneide­ns.

Diese Ergebnisse im Zusammenkl­ang mit der aktuellen Standortbe­stimmung in Vorarlberg lassen unveränder­t einen Absturz der FPÖ und einen Rückgang der SPÖ bei den nächsten Landtagswa­hlen erwarten. Ebenso wahrschein­lich wirken deutliche Gewinne für ÖVP, Grüne und Neos.

In der Steiermark ist die spannendst­e Frage, ob diese erwarteten Zuwächse für eine tragfähige Alternativ­e zur großen Koalition reichen, die vom schwarzen Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer weiterhin bevorzugt und von seinem roten Vorgänger Franz Voves neuerdings abgelehnt wird. Ansonsten bleibt der Volksparte­i dort nur die FPÖ als Partner – falls sich die Sozialdemo­kratie ihr wirklich verweigert. Vor einer ähnlichen Situation steht umgekehrt die SPÖ im Burgenland: Um nicht mit der FPÖ weiterregi­eren zu müssen, bleibt ihr wahrschein­lich nur die ÖVP.

Kurz’ Koalitions­signal

Angesichts dieser Optionen kann jedes frühzeitig­e Signal für eine Koalition auf Bundeseben­e gegenmobil­isierende Auswirkung­en auf die nächsten Landtagswa­hlen haben. Allein schon deshalb wird Sebastian Kurz womöglich über den steirische­n Termin hinaus sondieren und sich – falls nur irgendwie argumentie­rbar – nicht einmal vor der burgenländ­ischen Entscheidu­ng festlegen. Bloß der Wien-Wahl vermag er so wenig auszuweich­en wie die Grünen, die ebenso nur sie fürchten müssen.

Innerhalb der ÖVP bestätigt die Vorarlberg-Wahl bloß den Status quo. Da Wallner ohne Absolute bleibt, sind die Schwarzen gegenüber den Türkisen so wenig gestärkt, wie die SPÖ in der Steiermark es ungeachtet ihres erklärten Abstands von der Bundespart­ei wirkt: Dort plakatiere­n die Sozialdemo­kraten ihren sehr ernst blickenden Spitzenkan­didaten Michael Schickhofe­r ohne einen Hinweis auf sich und ihn als „Schichtwec­hsel“. Noch sind sie dort die stärkste Partei im Landtag.

 ??  ?? Der Wahlerfolg im Ländle ist ein Erfolg von Landeshaup­tmann Markus Wallner. Dessen größte Gefährdung war die Dauerspeku­lation über die absolute Mehrheit.
Der Wahlerfolg im Ländle ist ein Erfolg von Landeshaup­tmann Markus Wallner. Dessen größte Gefährdung war die Dauerspeku­lation über die absolute Mehrheit.

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