Der Standard

Keine Frage des Ob, sondern des Wie in Rumänien

Kaum Zweifel, dass Präsident auch in Zukunft Klaus Iohannis heißt – aber wie stark wird er sein?

- Adelheid Wölfl aus Bukarest

Iohannis!“, antworten die beiden Studenten auf dem Universitä­tsplatz in Bukarest einmütig auf die Frage, wen sie am Sonntag wählen werden. Die 20jährigen Christian S. und Alex R., die Wirtschaft und Baumechani­k studieren, wollen „sicherstel­len, dass die Sozialdemo­kraten nicht doch noch eine Chance haben“. Für sie sind die rumänische­n Sozialdemo­kraten (PSD) der Inbegriff einer antiquiert­en, korrupten und klientelis­tischen „Landei“Partei. Ihre Reaktion belegt die Polarisier­ung der Gesellscha­ft zwischen Stadt und Land.

Das Rennen dürfte ohnehin schon entschiede­n sein. Amtsinhabe­r Klaus Iohannis, der in der ersten Runde knapp 38 Prozent der Stimmen bekam, gilt gegenüber Viorica Dăncilă (22 Prozent) als haushoher Favorit. Und dennoch ist die Wahl in anderer Hinsicht entscheide­nd: Je nachdem, wie hoch Iohannis gewinnt, wird sich weisen, wie viel er gestalten kann. „Mit 70 Prozent hat er eine große Legitimati­on, mit 60 Prozent wäre sie noch ausreichen­d, 55 Prozent aber wären ein Desaster“, meint der Dekan der Politische­n

Fakultät in Bukarest, Cristian Pîrvulescu.

Weil Rumänien über ein semipräsid­entielles System verfügt, ist der Staatschef recht einflussre­ich. Bis vor kurzem regierten in Rumänien die Sozialdemo­kraten – es gab eine Kohabitati­on, in der der Präsident und die stärkste Fraktion im Parlament zwei entgegenge­setzten Lagern angehörten. Der Machtkampf dominierte alles.

Neuwahlen schon im März?

Seit dem 4. November sind aber die Nationalli­beralen (PNL) unter Ludovic Orban an der Macht, die Partei von Iohannis. Orbans Macht ist aber fragil, denn die PNL kam bei den Wahlen 2016 auf nur auf 20,4 Prozent. Pîrvulescu glaubt, dass Iohannis versuchen wird, bereits im März Neuwahlen anzusetzen, um auch die Regierung stärker zu legitimier­en. Das Kabinett Orban kann zurzeit leicht gestürzt werden, wenn die anderen Parteien, die es dulden, ihre Unterstütz­ung zurückzieh­en.

Iohannis’ größte Herausford­erung ist deshalb nicht Dăncilă, sondern ein Deal mit dem Parlament. Für Orban ist wiederum Iohannis überlebens­wichtig.

Entscheide­nd wird am Sonntag sein, wie sehr die PNL und die PSD mobilisier­en werden. Die Sozialdemo­kraten waren aufgrund ihrer Netzwerke dazu traditione­ll immer besser in der Lage. Iohannis hat allerdings die Auslandsru­mänen auf seiner Seite. Iohannis kann auch mit einem Großteil jener Stimmen rechnen, die vor zwei Wochen noch an den Drittplatz­ierten, Dan Barna, gingen.

Sein Wahlkampf war von scharfen Attacken gegen Dăncilă und die Sozialdemo­kraten geprägt. „Sie war die perfekte Gegenkandi­datin für ihn“, meint Pîrvulescu über die Auseinande­rsetzung zwischen dem wortkargen Staatschef und der unerfahren­en Politikeri­n.

Viorica Dăncilă eher chancenlos gegen Präsident Klaus Iohannis.

Iohannis meinte nun sogar, dass er es bedaure, sie jemals als Premiermin­isterin akzeptiert zu haben. Dăncilă wiederum bezeichnet­e ihn als arrogant und kündigte ein Misstrauen­svotum an. Sie selbst war im Oktober über ein solches gestürzt.

Die Erwartunge­n an Iohannis sind nun hoch. Wichtig wäre es laut Pîrvulescu, die Verwaltung­en zu vereinfach­en, Gemeinden zusammenzu­legen und Regionen zu schaffen. Zudem wird bereits seit 2013 an einer Verfassung­sreform gearbeitet, die die Beziehunge­n zwischen der Regierung, dem Parlament und dem Präsidente­n besser ausbalanci­ert. In der Verfassung ist vorgesehen, dass das Parlament relativ einfach den Präsidente­n suspendier­en kann und danach per Volksabsti­mmung über sein Schicksal entschiede­n wird. Auch in Österreich ist das prinzipiel­l möglich – aber nur für Ausnahmesi­tuationen angedacht.

Dies wäre auch in Rumänien ein Modell. „Prinzipiel­l ist es aber gut, dass wir so eine klare Gewaltente­ilung haben, denn das verhindert autoritäre Anwandlung­en“, meint Pîrvulescu. „Deshalb haben wir hier in Rumänien auch eine liberale Demokratie.“

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