Postenschacher laut Experte rechtswidrig
Peter Doralt hält bei Casinos Schadenersatz für möglich
– Die Aufregung um die Bestellung des FPÖ-Manns Peter Sidlo zum Casinos-Finanzvorstand ebbt nicht ab. In einem Gastkommentar für den STANDARD meint der renommierte Rechtsexperte Peter Doralt, dass Postenschacher rechtswidrig sei. Er verweist dabei auf das Stellenbesetzungsgesetz, wonach die Auswahl von Vorständen „ausschließlich aufgrund der Eignung der Bewerber“erfolgen dürfe. Wenn schuldhaft gegen die Vorgabe gehandelt worden sei, hält Doralt eine Schadenersatzpflicht der Organe für denkbar.
Der ehemalige FPÖ-Chef HeinzChristian Strache verteidigte am Freitag die Bestellung Sidlos. Die Vorwürfe seien „völlig haltlos“, teilte Strache über Facebook mit. In der FPÖ wird auf die „kommunikative Inkontinenz“ihres ehemaligen Chefs verwiesen. Dessen beschlagnahmtes Handy erweist sich für die Ermittler offenbar als ergiebige Fundgrube. Strache habe extrem viel über E-Mail, SMS oder Whatsapp kommuniziert, offenbar nie in der Sorge, dass ihn vertrauliche Mitteilungen einmal belasten könnten.
Wie DER STANDARD erfuhr, hat Strache auch im Bereich Sportwetten mitgemischt. Er plante eine eigene Abgabe, aus deren Erlösen die Sportförderung aufgestockt werden sollte. Dazu hat er ein Gutachten von der Kanzlei Böhmdorfer Schender um 7200 Euro eingeholt. Laut Chatprotokollen war die Initiative eines seiner „Leuchtturmthemen“.
Das beschlagnahmte Handy HeinzChristian Straches ist für die Ermittler in mehreren Angelegenheiten eine äußerst ergiebige Quelle. Ein großer Teil der Chatprotokolle, mit denen der Postenschacher-Vorwurf bei den Casinos und Deals zwischen der FPÖ und Novomatic belegt werden sollen, stammt aus Straches Handy. Der ehemalige FPÖ-Chef war, wie sich zur Freude der Ermittler herausstellt, sehr mitteilsam und hatte keinerlei Scheu, auch vertrauliche Absprachen und Forderungen zu verschriftlichen. Er tat dies über alle möglichen Kanäle. Strache nutzte EMail ebenso wie SMS oder Whatsapp. Ein ehemaliger enger Vertrauter Straches sagt über ihn, er sei kommunikativ inkontinent gewesen.
Strache schrieb auf dem Rücksitz seines Dienstwagens unzählige Nachrichten, und er neigte dazu, diese immer gleich an mehrere Personen zu verschicken. Daran, dass seine Auslassungen einmal gegen ihn verwendet werden könnten, dachte Strache offenbar nicht. Dass eine SMS, in der sich Strache darüber erregte, dass im Nationalbankdirektorium ein Posten zulasten der Freiheitlichen eingespart werden könnte, versehentlich an den SPÖ-Politiker Andreas Schieder statt an den ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzenden Arnold Schiefer, der für die Freiheitlichen im Hintergrund die Personalpolitik koordiniert, ging, lag wohl daran, dass Strache nicht ganz so gut sieht und das Handy auf eine Armlänge entfernt hielt und dass der Dienstwagen just in diesem Augenblick eine Schwelle auf der Straße nahm. So verrutsche die Adresszeile von Schiefer auf Schieder.
Mitteilungsanfälle
In der FPÖ war sein Kommunikationsdrang bekannt und berüchtigt. Besonders die Mitteilungsanfälle auf Facebook beschäftigten die Kollegen. Strache setzte sich mit neuen Einfällen gerne in der Nacht vor den Computer und verfasste ein Posting, das die Kommunikationsabteilung der Partei erst am nächsten Morgen entdeckte. Und nicht immer war das Geschriebene auch im Sinne der Partei. Mehrfach wurde Strache um Zurückhaltung oder Absprache gebeten, vergeblich. Nach seinem unfreiwilligen Ausscheiden aus der Politik wurde ihm von der Partei der Zugang zu seinem Facebook-Profil erst verwehrt, dann wurde die Seite mit Straches beruflichem Profil überhaupt gesperrt.
Am Freitag meldete sich Strache erneut über Facebook zu Wort, über seinen privaten Account. Er verteidigte die Bestellung Peter Sidlos zum Finanzvorstand der Casinos Austria. Dass er sich etwas habe zuschulden kommen lassen, schloss Strache aus: „Niemals habe ich etwas Rechtswidriges im Zusammenhang mit der Casag-Vorstands-Bestellung angeboten oder angenommen.“Die Vorwürfe seien „völlig haltlos“.
Er sei der festen Überzeugung, „dass verantwortliche Positionen in Staatsbetrieben und staatsnahen Betrieben durch Personen besetzt werden sollten, die auch Erfahrung in der Privatwirtschaft haben“, erklärte Strache in der Stellungnahme. Deshalb habe er sich für die Bestellung Sidlos eingesetzt. Dass der FPÖ-Bezirksrat aus Wien-Alsergrund nicht ausreichend qualifiziert gewesen sein könnte, bestreitet Strache. „Die Entscheidung der Bestellung oblag aber nicht mir, sondern dem Aufsichtsrat der Casag.“Hätte sich dieser gegen Sidlo ausgesprochen, so wäre das auch zu akzeptieren gewesen.
Möglichkeiten der Ermittler
Aus technischer Perspektive gibt es für Ermittler viele Möglichkeiten, um auf Nachrichten zuzugreifen. Besonders einfach für Strafverfolger ist es, wenn User per SMS miteinander kommunizieren. Der Grund: SMS werden unverschlüsselt übertragen. „Die Nachrichten werden über das Netz zum Provider geschickt, der sie bis zur Zustellung zwischenspeichert und lesen kann“, sagt Sebastian Schrittwieser, Institutsleiter für IT-Sicherheitsforschung an der FH St. Pölten, zum STANDARD. Daher würden Ermittler zunächst dort nachfragen. Bei lokal gespeicherten Daten werde es hingegen schwieriger. Der Flash-Speicher, der auch bei Smartphones zum Einsatz kommt, sorgt mit Eigenschaften wie Verschlüsselung für Probleme. „Im Normalfall hat man da wenig Chancen“, sagt Schrittwieser.
Mit Apps wie Whatsapp, die Ende-zuEnde-verschlüsselt sind, sind Nachrichten jedenfalls sicherer. „Auch Serveranbieter können Nachrichten nicht lesen“, sagt der Experte. Am Transportweg könnten Behörden dann wenig tun.
Daher hoffen sie, dass User Backups erstellt haben. Diese werden bei Whatsapp, aber auch oft bei Sicherungen des Systems, unverschlüsselt gespeichert. Falls die Daten in die Cloud – etwa Google Drive – hochgeladen wurden, stellen die Strafverfolger Anträge auf einen Zugriff, dem in der Regel auch stattgegeben wird, so Schrittwieser. Und dann gibt es die Möglichkeit, die App auf dem Gerät der verdächtigten Person zu öffnen. Das Ganze funktioniert aber nur, wenn man Zugriff auf das Handy hat.
Sind Sie Sebastian-Kurz-Fan? Dann haben Sie bestimmt bemerkt, was für ein Kommunikationstalent dieser junge Ausnahmepolitiker ist. Nicht nur, was er sagt, sondern auch wie. Ruhig, bedacht, freundlich. Von Einzelfall zu Einzelfall, von Ibiza bis Wahlkampfspenden: je unangenehmer die Situation, desto souveräner der ÖVP-Chef.
Jetzt ist es wieder so weit. Diesmal geht es um Postenschacher im Vorstand der Casinos Austria. Neben Ex-FPÖChef Strache und der Spitze des Glücksspielkonzerns Novomatic sind eine ganze Reihe von Kurz’ Parteifreunden in den Fokus der ermittelnden Staatsanwälte geraten – auch der Finanzminister seines Vertrauens, Hartwig Löger. Es sind Chatprotokolle zum Einrahmen.
Und wie reagiert Kurz, der laut einer der Nachrichten aus dem kontaminierten Strache-Handy „davon nichts wissen“will? Er habe bereits alles dazu gesagt. Hier lohnt es sich, genauer hinzuhören: Bisher hat der Altkanzler nichts gesagt, außer dass er eine „Systematik“an Anschuldigungen zu erkennen glaubt, die sich wieder in Luft auflösen. Löger versuchte zuletzt im ORF vom Meister der Zerstreuung zu lernen, überzeugte aber weitaus weniger. Eines ist klar: Was Löger wusste, wusste auch Kurz. Wer mit Verbissenheit die Außenwahrnehmung der eigenen Regierung kontrolliert, überlässt heikle Personalentscheidungen nicht dem Unter. Im Sinne der Unschuldsvermutung gilt vorerst aber: Ihr Name ist Hase.