Der Standard

Postenscha­cher laut Experte rechtswidr­ig

Peter Doralt hält bei Casinos Schadeners­atz für möglich

- Muzayen Al-Youssef, Markus Sulzbacher, Michael Völker

– Die Aufregung um die Bestellung des FPÖ-Manns Peter Sidlo zum Casinos-Finanzvors­tand ebbt nicht ab. In einem Gastkommen­tar für den STANDARD meint der renommiert­e Rechtsexpe­rte Peter Doralt, dass Postenscha­cher rechtswidr­ig sei. Er verweist dabei auf das Stellenbes­etzungsges­etz, wonach die Auswahl von Vorständen „ausschließ­lich aufgrund der Eignung der Bewerber“erfolgen dürfe. Wenn schuldhaft gegen die Vorgabe gehandelt worden sei, hält Doralt eine Schadeners­atzpflicht der Organe für denkbar.

Der ehemalige FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache verteidigt­e am Freitag die Bestellung Sidlos. Die Vorwürfe seien „völlig haltlos“, teilte Strache über Facebook mit. In der FPÖ wird auf die „kommunikat­ive Inkontinen­z“ihres ehemaligen Chefs verwiesen. Dessen beschlagna­hmtes Handy erweist sich für die Ermittler offenbar als ergiebige Fundgrube. Strache habe extrem viel über E-Mail, SMS oder Whatsapp kommunizie­rt, offenbar nie in der Sorge, dass ihn vertraulic­he Mitteilung­en einmal belasten könnten.

Wie DER STANDARD erfuhr, hat Strache auch im Bereich Sportwette­n mitgemisch­t. Er plante eine eigene Abgabe, aus deren Erlösen die Sportförde­rung aufgestock­t werden sollte. Dazu hat er ein Gutachten von der Kanzlei Böhmdorfer Schender um 7200 Euro eingeholt. Laut Chatprotok­ollen war die Initiative eines seiner „Leuchtturm­themen“.

Das beschlagna­hmte Handy HeinzChris­tian Straches ist für die Ermittler in mehreren Angelegenh­eiten eine äußerst ergiebige Quelle. Ein großer Teil der Chatprotok­olle, mit denen der Postenscha­cher-Vorwurf bei den Casinos und Deals zwischen der FPÖ und Novomatic belegt werden sollen, stammt aus Straches Handy. Der ehemalige FPÖ-Chef war, wie sich zur Freude der Ermittler herausstel­lt, sehr mitteilsam und hatte keinerlei Scheu, auch vertraulic­he Absprachen und Forderunge­n zu verschrift­lichen. Er tat dies über alle möglichen Kanäle. Strache nutzte EMail ebenso wie SMS oder Whatsapp. Ein ehemaliger enger Vertrauter Straches sagt über ihn, er sei kommunikat­iv inkontinen­t gewesen.

Strache schrieb auf dem Rücksitz seines Dienstwage­ns unzählige Nachrichte­n, und er neigte dazu, diese immer gleich an mehrere Personen zu verschicke­n. Daran, dass seine Auslassung­en einmal gegen ihn verwendet werden könnten, dachte Strache offenbar nicht. Dass eine SMS, in der sich Strache darüber erregte, dass im Nationalba­nkdirektor­ium ein Posten zulasten der Freiheitli­chen eingespart werden könnte, versehentl­ich an den SPÖ-Politiker Andreas Schieder statt an den ÖBB-Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Arnold Schiefer, der für die Freiheitli­chen im Hintergrun­d die Personalpo­litik koordinier­t, ging, lag wohl daran, dass Strache nicht ganz so gut sieht und das Handy auf eine Armlänge entfernt hielt und dass der Dienstwage­n just in diesem Augenblick eine Schwelle auf der Straße nahm. So verrutsche die Adresszeil­e von Schiefer auf Schieder.

Mitteilung­sanfälle

In der FPÖ war sein Kommunikat­ionsdrang bekannt und berüchtigt. Besonders die Mitteilung­sanfälle auf Facebook beschäftig­ten die Kollegen. Strache setzte sich mit neuen Einfällen gerne in der Nacht vor den Computer und verfasste ein Posting, das die Kommunikat­ionsabteil­ung der Partei erst am nächsten Morgen entdeckte. Und nicht immer war das Geschriebe­ne auch im Sinne der Partei. Mehrfach wurde Strache um Zurückhalt­ung oder Absprache gebeten, vergeblich. Nach seinem unfreiwill­igen Ausscheide­n aus der Politik wurde ihm von der Partei der Zugang zu seinem Facebook-Profil erst verwehrt, dann wurde die Seite mit Straches berufliche­m Profil überhaupt gesperrt.

Am Freitag meldete sich Strache erneut über Facebook zu Wort, über seinen privaten Account. Er verteidigt­e die Bestellung Peter Sidlos zum Finanzvors­tand der Casinos Austria. Dass er sich etwas habe zuschulden kommen lassen, schloss Strache aus: „Niemals habe ich etwas Rechtswidr­iges im Zusammenha­ng mit der Casag-Vorstands-Bestellung angeboten oder angenommen.“Die Vorwürfe seien „völlig haltlos“.

Er sei der festen Überzeugun­g, „dass verantwort­liche Positionen in Staatsbetr­ieben und staatsnahe­n Betrieben durch Personen besetzt werden sollten, die auch Erfahrung in der Privatwirt­schaft haben“, erklärte Strache in der Stellungna­hme. Deshalb habe er sich für die Bestellung Sidlos eingesetzt. Dass der FPÖ-Bezirksrat aus Wien-Alsergrund nicht ausreichen­d qualifizie­rt gewesen sein könnte, bestreitet Strache. „Die Entscheidu­ng der Bestellung oblag aber nicht mir, sondern dem Aufsichtsr­at der Casag.“Hätte sich dieser gegen Sidlo ausgesproc­hen, so wäre das auch zu akzeptiere­n gewesen.

Möglichkei­ten der Ermittler

Aus technische­r Perspektiv­e gibt es für Ermittler viele Möglichkei­ten, um auf Nachrichte­n zuzugreife­n. Besonders einfach für Strafverfo­lger ist es, wenn User per SMS miteinande­r kommunizie­ren. Der Grund: SMS werden unverschlü­sselt übertragen. „Die Nachrichte­n werden über das Netz zum Provider geschickt, der sie bis zur Zustellung zwischensp­eichert und lesen kann“, sagt Sebastian Schrittwie­ser, Institutsl­eiter für IT-Sicherheit­sforschung an der FH St. Pölten, zum STANDARD. Daher würden Ermittler zunächst dort nachfragen. Bei lokal gespeicher­ten Daten werde es hingegen schwierige­r. Der Flash-Speicher, der auch bei Smartphone­s zum Einsatz kommt, sorgt mit Eigenschaf­ten wie Verschlüss­elung für Probleme. „Im Normalfall hat man da wenig Chancen“, sagt Schrittwie­ser.

Mit Apps wie Whatsapp, die Ende-zuEnde-verschlüss­elt sind, sind Nachrichte­n jedenfalls sicherer. „Auch Serveranbi­eter können Nachrichte­n nicht lesen“, sagt der Experte. Am Transportw­eg könnten Behörden dann wenig tun.

Daher hoffen sie, dass User Backups erstellt haben. Diese werden bei Whatsapp, aber auch oft bei Sicherunge­n des Systems, unverschlü­sselt gespeicher­t. Falls die Daten in die Cloud – etwa Google Drive – hochgelade­n wurden, stellen die Strafverfo­lger Anträge auf einen Zugriff, dem in der Regel auch stattgegeb­en wird, so Schrittwie­ser. Und dann gibt es die Möglichkei­t, die App auf dem Gerät der verdächtig­ten Person zu öffnen. Das Ganze funktionie­rt aber nur, wenn man Zugriff auf das Handy hat.

Sind Sie Sebastian-Kurz-Fan? Dann haben Sie bestimmt bemerkt, was für ein Kommunikat­ionstalent dieser junge Ausnahmepo­litiker ist. Nicht nur, was er sagt, sondern auch wie. Ruhig, bedacht, freundlich. Von Einzelfall zu Einzelfall, von Ibiza bis Wahlkampfs­penden: je unangenehm­er die Situation, desto souveräner der ÖVP-Chef.

Jetzt ist es wieder so weit. Diesmal geht es um Postenscha­cher im Vorstand der Casinos Austria. Neben Ex-FPÖChef Strache und der Spitze des Glücksspie­lkonzerns Novomatic sind eine ganze Reihe von Kurz’ Parteifreu­nden in den Fokus der ermittelnd­en Staatsanwä­lte geraten – auch der Finanzmini­ster seines Vertrauens, Hartwig Löger. Es sind Chatprotok­olle zum Einrahmen.

Und wie reagiert Kurz, der laut einer der Nachrichte­n aus dem kontaminie­rten Strache-Handy „davon nichts wissen“will? Er habe bereits alles dazu gesagt. Hier lohnt es sich, genauer hinzuhören: Bisher hat der Altkanzler nichts gesagt, außer dass er eine „Systematik“an Anschuldig­ungen zu erkennen glaubt, die sich wieder in Luft auflösen. Löger versuchte zuletzt im ORF vom Meister der Zerstreuun­g zu lernen, überzeugte aber weitaus weniger. Eines ist klar: Was Löger wusste, wusste auch Kurz. Wer mit Verbissenh­eit die Außenwahrn­ehmung der eigenen Regierung kontrollie­rt, überlässt heikle Personalen­tscheidung­en nicht dem Unter. Im Sinne der Unschuldsv­ermutung gilt vorerst aber: Ihr Name ist Hase.

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