Der Standard

Abwehramt-Mitarbeite­r schlagen Alarm

Ähnlich wie vor der Affäre rund um das BVT dringt nun aus dem militärisc­hen Nachrichte­ndienst ein Konvolut mit Missstände­n nach außen. Mitarbeite­r warnen darin vor einem bewaffnete­n Untergrund, gegen den sie ermitteln.

- Fabian Schmid

Eine Gruppe von Mitarbeite­rn des militärisc­hen Abwehramte­s will nicht mehr länger über die Zustände in ihrem Nachrichte­ndienst schweigen. Sie haben ein Konvolut mit Vorwürfen verfasst, das derzeit kursiert und dem STANDARD vorliegt. Es ähnelt in seinem Aufbau dem berüchtigt­en „BVT-Konvolut“, das die Verfassung­sschutz-Affäre mit ausgelöst hat. In dem AbwehramtD­okument ist eine ganze Reihe von Verfehlung­en aufgeliste­t, beispielsw­eise geht es um Mobbing, illegale Überwachun­g von Mitarbeite­rn, unautorisi­erte Ermittlung­en und schiefgela­ufene nachrichte­ndienstlic­he Operatione­n.

Ein Teil der Vorwürfe befasst sich mit Ermittlung­en gegen Rechtsextr­eme. Das Abwehramt dient dem Eigenschut­z des Bundesheer­es und achtet etwa darauf, dass keine Neonazis oder Islamisten an der Waffe ausgebilde­t werden oder die eigenen Reihen infiltrier­en.

Deshalb wurden im Abwehramt Berichte aus Deutschlan­d genau geprüft, in denen von rechtsextr­emen Soldaten und Polizisten die Rede war, die sich über Chatgruppe­n vernetzen und teilweise auch Feindeslis­ten führten – deutsche Behörden sprechen von „rechtsextr­em motivierte­n Adresssamm­lungen“.

Soldaten vernetzen sich

Das Abwehramt soll daraufhin auch selbst seine Untersuchu­ngen intensivie­rt und sich dabei vor allem auf die Steiermark konzentrie­rt haben. Nachrichte­ndienstler befürchten, dass es in den Reihen der sogenannte­n „wehrpoliti­schen Vereine“Anknüpfung­spunkte gibt.

Beispielsw­eise tauchte der „Militär Fallschirm­springer Verbund

Ostarrichi“– kurz „Milf-O“– in den deutschen Ermittlung­en auf. Mindestens zwei Personen, die Mitglieder der Tag-X-Chatgruppe­n waren, nahmen vor einiger Zeit am „Nibelungen­marsch“teil, der von Milf-O organisier­t wird.

Der Verein war in der Vergangenh­eit immer wieder in die Schlagzeil­en geraten, weil ihm eine Nähe zu Rechtsextr­emismus attestiert wurde. Diese Vorwürfe hat der Verein stets bestritten, etwa in Person seines ehemaligen Präsidente­n Josef Paul Puntigam, der am 1. 9. seine Funktion „aus gesundheit­lichen Gründen“zurückgele­gt hat.

Der einstige Bundesheer-Brigadier stellte 2015 gemeinsam mit der FPÖ Steiermark und deren Landespart­eiobmann Mario Kunasek ein „Grenzschut­zkonzept“vor. Als Kunasek dann Verteidigu­ngsministe­r wurde, wurde Milf-O ein „wehrpoliti­sch relevanter Verein“. Puntigam sagt dem STANDARD, dass Milf-O durch ein öffentlich­es Schreiben eines Referenten im Verteidigu­ngsministe­rium dazu angeregt worden war.

Die Aufnahme des Vereins ärgerte Mitarbeite­r im Abwehramt, die zum Thema Rechtsextr­emismus

im Heer ermittelte­n. Denn derartige Vereine dürfen Bundesheer-Infrastruk­tur nutzen. Puntigam sagt, er kenne „kein einziges Mitglied, das im Frühjahr oder Sommer 2019 vom Heeresabwe­hramt kontaktier­t wurde“. Er halte dies „für eines der vielen inhaltslos­en Gerüchte“rund um Milf-O.

Angst vor Info-Abfluss

Abwehramt-Mitarbeite­r befürchten, dass es regelmäßig zu einem Informatio­nsabfluss aus dem Bundesheer zu Objekten ihrer Beobachtun­gen gekommen sei. Sie verweisen etwa auf zwei ranghohe Mitarbeite­r des Heeres, die bei der Nationalra­tswahl für die FPÖ kandidiert haben. Die Ermittlung­en sollen auch innerhalb des Abwehramts keine besonders hohe Priorität genossen haben, sagen Quellen dem STANDARD.

So hätten Mitarbeite­r auch Hinweise auf eine Ausbreitun­g des deutschen Vereins „Uniter“in der Steiermark gefunden, der personell und strukturel­l mit den verdächtig­en Chatgruppe­n zusammenhä­ngen soll.

In Vorarlberg hat Uniter bereits einen Ableger gegründet, unter den Mitglieder­n von dessen geschlosse­ner Facebook-Gruppe befinden sich einschlägi­g verurteilt­e Rechtsextr­eme.

Im Verteidigu­ngsministe­rium dementiert man, dass das Abwehramt bereits zu Uniter ermittelt oder Hinweise auf die Vernetzung rechtsextr­emer Soldaten hat. Prinzipiel­l gibt sich das Heer zu Operatione­n und Analysen des Abwehramts sehr zugeknöpft.

In dem Konvolut, das neben dem STANDARD auch zumindest noch der Tageszeitu­ng Österreich vorliegt, zeichnen die Mitarbeite­r das Bild eines zerstritte­nen, dysfunktio­nalen Abwehramts. Ähnlich wie beim Verfassung­sschutz soll von Ministereb­ene regelmäßig intervenie­rt worden sein.

Mitarbeite­r hatten auch in der Vergangenh­eit immer wieder vor Fehlentwic­klungen gewarnt und beispielsw­eise die Informatio­n nach außen gespielt, dass Soldaten keine Probleme mehr bekommen, wenn sie Mitglied der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung sind. Diese Nachricht hatte zu einem hitzigen Telefonat zwischen dem damaligen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Kunasek geführt, der dann eine Umkehr der Maßnahme anordnete.

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Im militärisc­hen Nachrichte­ndienst wird befürchtet, dass sich rechtsextr­eme Soldaten vernetzen.

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