Autolenker trotz Hanfkonsums fahrtauglich
Ein Mann, der aus medizinischen Gründen legale Cannabisprodukte konsumiert hatte, musste wegen Fahrzeuglenkens unter Drogeneinfluss vor Gericht. Er beschwerte sich, das Verwaltungsgericht gab ihm recht.
Man könne sich seinen Führerschein mühselig zurückkämpfen, wenn er zu Unrecht abgenommen wurde, sagte Alois Stöger, Verkehrssprecher der SPÖ, kürzlich. Er war auf die Forderung nach einer Änderung der Straßenverkehrsordnung beziehungsweise des Führerscheingesetzes angesprochen worden. Sein Nachsatz: So sei eben der Rechtsstaat.
Wie mühselig das sein kann, zeigt eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in Wien Anfang des Monats, die nun veröffentlicht wurde. Ein Mann, der aus gesundheitlichen Gründen CBD – Cannabis, das nicht psychoaktiv wirkt – konsumierte, war bei einer Drogenkontrolle positiv. Er hatte Spuren von THC – dem Wirkstoff, der Cannabis verboten macht – im Blut. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen des Lenkens eines Fahrzeugs in „durch Suchtgift beeinträchtigtem Zustand“eröffnet. Er erhob Beschwerde – und gewann.
In Schlangenlinien
Das dauerte fast sieben Monate, und fast 1700 Euro standen auf dem Spiel, davon 800 Euro Strafe und knapp 800 Euro für die Blutuntersuchung. Der Hintergrund: Ende April besuchte der Mann in Wien die Hanfexpo, eine Messe rund um Cannabis. Die Landespolizei war bei einer Schwerpunktaktion vor Ort, um Drogenlenker aus dem Verkehr zu ziehen. Rund um die Hanfexpo kontrollierte sie 60 bis 80 Personen pro Tag.
Dabei fiel der Mann auf, weil er mit einem Kleinmotorrad „langsam
und in Schlangenlinien“fuhr, wie es im Entscheidungstext heißt. Er wurde vom Amtsarzt untersucht, wobei er, so besagt es das polizeiärztliche Gutachten, gähnte und „etwas Süßes“wollte.
Der Laborbefund einer Blutuntersuchung ergab einen Wert von 0,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut. Studien gehen davon aus, dass ein zehnmal so hoher Wert in etwa mit der Beeinträchtigung
von 0,5 bis 0,8 Promille Alkohol vergleichbar wäre.
Nur: Der Mann dürfte kein Cannabis geraucht haben. Zu diesem Schluss kam zumindest ein Sachverständiger, der den Fall für den
Verwaltungsgerichtshof prüfte. Ein so geringer Wert sei wohl vielmehr von CBD verursacht, denn auch das enthält in verschwindend geringer Menge THC, wenngleich es nicht high macht. CBDWaren mit unter 0,3 Prozent THC gelten als Lifestyleprodukte oder Kosmetika und sind legal erwerbbar. CBD-Produkte breiten sich zunehmend in Österreich aus, selbst die Traditionskonditorei Aida mischte es eine Zeitlang in ihre Brownies.
Der Beschwerdeführer, selbst CBD-Produzent, gab später an, er konsumiere CBD wegen gesundheitlicher Probleme. Knieprobleme und ein Bandscheibenvorfall seien der Grund, die einzig verfügbaren MR-Bilder wurden jedoch erst nach dem Vorfall gemacht.
Fälle wie dieser sind der Grund dafür, warum Experten und Vertreter der Politik eine Gesetzesänderung fordern. Da die aktuelle Gesetzeslage keine Grenzwerte kennt, sondern nur zwischen ganz oder gar nicht unterscheidet, reichen Spuren von Suchtmitteln, um den Führerschein zu verlieren. Diese können auch auftreten, wenn jemand Tage zuvor Drogen konsumiert hat oder eben in medizinischer Behandlung ist. „Die Gefahr ist groß, dass Leute als nicht verkehrstauglich eingestuft werden, die es eigentlich sind“, sagte erst kürzlich Ewald Lochner von der Sucht- und Drogenkoordination Wien dem STANDARD.
Im Parlament wäre der Weg für eine Gesetzesänderung frei: ÖVP, FPÖ und Neos beschlossen 2019 einen Antrag, in dem steht, dass das Thema Grenzwerte zumindest diskutiert werden sollte.