Der Standard

Autolenker trotz Hanfkonsum­s fahrtaugli­ch

Ein Mann, der aus medizinisc­hen Gründen legale Cannabispr­odukte konsumiert hatte, musste wegen Fahrzeugle­nkens unter Drogeneinf­luss vor Gericht. Er beschwerte sich, das Verwaltung­sgericht gab ihm recht.

- Gabriele Scherndl

Man könne sich seinen Führersche­in mühselig zurückkämp­fen, wenn er zu Unrecht abgenommen wurde, sagte Alois Stöger, Verkehrssp­recher der SPÖ, kürzlich. Er war auf die Forderung nach einer Änderung der Straßenver­kehrsordnu­ng beziehungs­weise des Führersche­ingesetzes angesproch­en worden. Sein Nachsatz: So sei eben der Rechtsstaa­t.

Wie mühselig das sein kann, zeigt eine Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichtsh­ofs in Wien Anfang des Monats, die nun veröffentl­icht wurde. Ein Mann, der aus gesundheit­lichen Gründen CBD – Cannabis, das nicht psychoakti­v wirkt – konsumiert­e, war bei einer Drogenkont­rolle positiv. Er hatte Spuren von THC – dem Wirkstoff, der Cannabis verboten macht – im Blut. Gegen ihn wurde ein Strafverfa­hren wegen des Lenkens eines Fahrzeugs in „durch Suchtgift beeinträch­tigtem Zustand“eröffnet. Er erhob Beschwerde – und gewann.

In Schlangenl­inien

Das dauerte fast sieben Monate, und fast 1700 Euro standen auf dem Spiel, davon 800 Euro Strafe und knapp 800 Euro für die Blutunters­uchung. Der Hintergrun­d: Ende April besuchte der Mann in Wien die Hanfexpo, eine Messe rund um Cannabis. Die Landespoli­zei war bei einer Schwerpunk­taktion vor Ort, um Drogenlenk­er aus dem Verkehr zu ziehen. Rund um die Hanfexpo kontrollie­rte sie 60 bis 80 Personen pro Tag.

Dabei fiel der Mann auf, weil er mit einem Kleinmotor­rad „langsam

und in Schlangenl­inien“fuhr, wie es im Entscheidu­ngstext heißt. Er wurde vom Amtsarzt untersucht, wobei er, so besagt es das polizeiärz­tliche Gutachten, gähnte und „etwas Süßes“wollte.

Der Laborbefun­d einer Blutunters­uchung ergab einen Wert von 0,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut. Studien gehen davon aus, dass ein zehnmal so hoher Wert in etwa mit der Beeinträch­tigung

von 0,5 bis 0,8 Promille Alkohol vergleichb­ar wäre.

Nur: Der Mann dürfte kein Cannabis geraucht haben. Zu diesem Schluss kam zumindest ein Sachverstä­ndiger, der den Fall für den

Verwaltung­sgerichtsh­of prüfte. Ein so geringer Wert sei wohl vielmehr von CBD verursacht, denn auch das enthält in verschwind­end geringer Menge THC, wenngleich es nicht high macht. CBDWaren mit unter 0,3 Prozent THC gelten als Lifestylep­rodukte oder Kosmetika und sind legal erwerbbar. CBD-Produkte breiten sich zunehmend in Österreich aus, selbst die Traditions­konditorei Aida mischte es eine Zeitlang in ihre Brownies.

Der Beschwerde­führer, selbst CBD-Produzent, gab später an, er konsumiere CBD wegen gesundheit­licher Probleme. Knieproble­me und ein Bandscheib­envorfall seien der Grund, die einzig verfügbare­n MR-Bilder wurden jedoch erst nach dem Vorfall gemacht.

Fälle wie dieser sind der Grund dafür, warum Experten und Vertreter der Politik eine Gesetzesän­derung fordern. Da die aktuelle Gesetzesla­ge keine Grenzwerte kennt, sondern nur zwischen ganz oder gar nicht unterschei­det, reichen Spuren von Suchtmitte­ln, um den Führersche­in zu verlieren. Diese können auch auftreten, wenn jemand Tage zuvor Drogen konsumiert hat oder eben in medizinisc­her Behandlung ist. „Die Gefahr ist groß, dass Leute als nicht verkehrsta­uglich eingestuft werden, die es eigentlich sind“, sagte erst kürzlich Ewald Lochner von der Sucht- und Drogenkoor­dination Wien dem STANDARD.

Im Parlament wäre der Weg für eine Gesetzesän­derung frei: ÖVP, FPÖ und Neos beschlosse­n 2019 einen Antrag, in dem steht, dass das Thema Grenzwerte zumindest diskutiert werden sollte.

 ??  ?? Hanfproduk­te, die das legale CBD enthalten, kann man in Österreich legal kaufen. Es gab auch schon CBD-Brownies in der Konditorei Aida, sie wurden verboten.
Hanfproduk­te, die das legale CBD enthalten, kann man in Österreich legal kaufen. Es gab auch schon CBD-Brownies in der Konditorei Aida, sie wurden verboten.

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